02.02.2011 - "Hier geht es nicht um preisverdächtige Kreation. Es geht schlicht und ergreifend ums Business", sagt Jan Möllendorf, Chef von Defacto X. Die CRM- und Dialogagentur gehört seit Herbst 2009 zu den Poolagenturen von Axel Springer. Leadagentur ist Jung von Matt. Defacto X betreut das Abo-Marketing von "Bild" und "Bild am Sonntag"; soeben, im Januar dieses Jahres, kam das Abo-Marketing für die "BZ" in Berlin hinzu. Ein schöner Erfolg für die Erlanger, die auch in Hamburg einen Standort unterhalten.
Doch Möllendorfs Job - und natürlich der seiner Kollegen - ist kein einfacher. Die Agentur soll die Abonnentenzahlen ausgerechnet von drei Boulevardblättern, also klassischen Kaufzeitungen, steigern; und sie muss zusätzlich digitale Abos an den Mann und die Frau bringen, ohne die jeweilige Print-Ausgabe zu schwächen.
[f1]Beim Springer Verlag sieht man das ausgesprochen nüchtern. "Wir konzentrieren uns im Abo-Marketing auf drei Bereiche", sagt Stephanie von Unruh, Leiterin des Direktmarketings der so genannten roten Gruppe. "Wir wollen das Kerngeschäft, also Print, stärken. Wir versuchen zweitens, aus den Reihen der Print-Abonnenten zusätzlich Abonnenten für unsere digitalen Angebote zu gewinnen, und wir möchten Leser, die das Print-Abo gekündigt haben, bei den Medien von Axel Springer halten und ihnen ein attraktives digitales Angebot unterbreiten." Von Unruh macht keinen Hehl daraus, dass das Abo-Marketing bei Springer von Kennzahlen getrieben ist: "Wir sind ausgesprochen wirtschaftlich aufgestellt." Der Vorteil für Defacto X ist, "dass wir dadurch ein festes Ziel vor Augen haben, einen konkreten Betrag, auf den wir hinarbeiten können", sagt Möllendorf. Neben der Betreuung von "Bild", "Bild am Sonntag" und neuerdings "BZ" soll sich Defacto X künftig verstärkt auf die Vermarktung digitaler Abonnements der Bild-Gruppe konzentrieren.
Genau darin, also in der Verbindung klassischer und digitaler Angebote, liegt derzeit eine der großen Herausforderungen des Abo-Marketings im Springer Verlag. "Seit einigen Monaten überarbeiten wir den gesamten Kundengewinnungsprozess", sagt von Unruh. Die Direktmarketerin will beispielsweise aus den Einzelkäufern der "Bild"-Zeitung fürs iPad digitale Abonnenten machen. Der Springer Verlag steht dabei allerdings noch ganz am Anfang und entwickelt gerade mit Defacto X diverse Testläufe. Dabei geht es um Betreffzeilen im E-Mail-Marketing, Gestaltungsfragen, Response-Möglichkeiten, Incentivierung etc. pp. "Ich stelle mir stets die Frage: Wie mache ich Abo-Werbung ,streichelfähig`?", sagt von Unruh. Wie also überträgt man seine bisherigen Mittel und Wege zur Kundengewinnung auf die Funktionalitäten des iPads?
"In einer Print-Beilage erzielt man sehr guten Response, wenn man zum Beispiel eine Prämie attraktiv abbildet und kreativ textet", sagt Möllendorf. "Das funktioniert auch immer noch ausgesprochen gut." Aber auf dem iPad könne man es nicht bei einer schlichten Abbildung belassen. "Bei solch einem Endgerät müssen Sie dem Nutzer nicht nur echten Mehrwert bieten, das Prämienangebot muss auch viel zielgruppengenauer ausgeliefert werden", so der Agenturmann. "Die klassische Armbanduhr als Prämie bringt uns dabei nicht unbedingt weiter."
[hl]Druck auf die Print-Auflage[/hl]Der Druck ist groß. Laut IVW ist die Auflage der "Bild"-Zeitung im vierten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 4,3 Prozent auf 2,9 Millionen gesunken - erstmals auf unter drei Millionen. Die "Bild am Sonntag" büßte in dem genannten Zeitraum sechs Prozent ein und liegt bei knapp 1,5 Millionen Exemplaren. Zahlen für die iPad-Abos liegen nicht vor. Ob mehr digitale Abos zu weniger Print-Abos führen, ist für den deutschen Markt ebenfalls noch nicht verwertbar belegt.
[f2]"Gelingt es, die redaktionellen und werblichen Angebote jeweils medienspezifisch aufzubereiten, kann auch das theoretische Risiko einer Kannibalisierung deutlich reduziert werden", meint Möllendorf. "Letztendlich ist es aus meiner Sicht sowieso keine Kannibalisierung, sondern das Verhindern der Abwanderung zu Wettbewerbern."
Den einzelnen Verlagen bleibt also keine andere Möglichkeit, als sich auf iPad und iPhone einzulassen. Das Zauberwort lautet hier - wie so oft: Kundenbindung. "Für eine individuellere Ansprache benötigt man neue Werkzeuge, zum Beispiel das analytische Kundenbeziehungsmanagement", sagt Möllendorf. Die ermittelten Daten und Werte sollen Informationen liefern, um in der Kommunikation mit Bestandskunden, Kündigern und neuen Zielgruppen den jeweils richtigen Weg einzuschlagen. Defacto X beispielsweise hat dazu die Business Unit aCRM eingerichtet.
Doch welches ist der richtige Weg? "Wir generieren mittlerweile rund 40 Prozent unserer Abonnements über die Online-Kanäle: Internet, E-Mail, Social Media, Mobile etc.", sagt von Unruh. Die iPad-Modelle haben ihren Angaben zufolge daran bislang nur einen geringen Anteil.
[hl]Kreation verliert an Bedeutung[/hl]Die Hinwendung zu den Online-Kanälen hat sich bei Springer relativ schnell vollzogen. Dazu beigetragen haben laut von Unruh erstens die gesetzlichen Einschränkungen beim Telefonmarketing und zweitens die schlichte Frage nach den Kosten für ein Print-Mailing. "Wie gesagt: Wir sind im Abo-Marketing stark von Kennzahlen getrieben", so von Unruh. "Und wenn wir eine Agentur mit ins Boot holen, dann brauchen wir sie in erster Linie als Innovator."
Möllendorf ist diese Haltung sehr wohl bewusst. "Das bedeutet für uns Kreativen: Wir werden immer mehr zu Beratern und Konzeptionern. Die Kreation als Erlösbringer verliert an Bedeutung." (Martin Teschke)
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