Marktliberalisierung

Die Postbranche - ein pathologischer Fall?

29.11.2010 - Die Umsatzsteuerpflicht für Postdienstleistungen ist seit Mitte dieses Jahres in Kraft. Eigentlich eine glasklare Sache. Doch hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Streit um die Auslegung des neuen Gesetzes. Es geht um Milliarden.

Der Knackpunkt an der ganzen Geschichte ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom April 2009, wonach Postuniversaldienstleis-tungen von der Umsatzsteuer befreit werden müssen. Das betrifft Briefe bis 2.000 Gramm und Pakete bis 10 Kilogramm; Rabatte sind grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. "Die Brüsseler Entscheidung ist zunächst einmal kurios", sagt Rudolf Pfeiffer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BDKEP). "Denn die Umsatzsteuerbefreiung für Postdienstleistungen gilt schließlich schon seit dem 1. April 1900! Und eigentlich hätte sie zum Start der Liberalisierung am 1. Januar 2008 endlich komplett abgeschafft werden müssen."

Was die Deutsche Post aber jetzt macht, ist nach Meinung von Pfeiffer noch kurioser: "Nach der Umsetzung der Umsatzsteuerpflicht für alle Nicht-Universaldienstleistungen zum 1. Juli 2010 haben die Manager aus Bonn einfach selbst entschieden, welche ihrer Dienstleistungen und Produkte sie der Umsatzsteuer unterwerfen und welche nicht." Es geht hier im Prinzip um drei Dinge: PZA, also Postzustellungsaufträge beispielsweise von Gerichten, den Infobrief und den Einsatz von Frankiermaschinen.

Zu den PZA: Einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 21. Oktober 2010 an die obersten Finanzbehörden der Länder sei zu entnehmen, dass PZA umsatzsteuerpflichtig sind. Die Deutsche Post erhebt aber nach Auskunft von Pfeiffer auf PZA keine Umsatzsteuer. "Das ist das typische Verhalten eines Staatsmonopolisten", sagt der BDKEP-Vorsitzende. "Leider können wir dagegen nicht klagen, weil das eine Angelegenheit zwischen Unternehmen und Finanzamt ist."

Zum Infobrief: Das sind inhaltsgleiche adressierte Briefe in einer Auflage von 50 bis 4.000 Stück. Der Infobrief kostet 35 Cent netto und müsste laut Bundesfinanzministerium eigentlich umsatzsteuerpflichtig sein, weil er rabattiert ist. Doch auch hier erhebt die Deutsche Post laut Pfeiffer keine Umsatzsteuer.

Ähnliches gilt nach Meinung des Brief-Verbands für den Einsatz von Frankiermaschinen. Pfeiffer: "Auch hier wird mit mindestens einem Prozent rabattiert, weil es eben ausschließlich um große Mengen geht. Wer aber Rabatte gewährt, muss Umsatzsteuer abführen. Das macht die Deutsche Post in diesem Fall aber ebenfalls nicht."

Grundsätzlich kritisiert Pfeiffer an dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Länderbehörden die "doch sehr eigenwillige Interpretation der Post-Universaldienstleistungsverordnung", kurz: PUDLV. Demnach kann nur jemand Postuniversaldienstleistungen anbieten, der beispielsweise 12.000 Annahmestellen unterhält und alle 1.000 Meter einen Briefkasten aufstellt. "Eine Chance haben da nur die Dienstleister der Mail Alliance und von P2, die etwa 70 bis 80 Prozent der Fläche abdecken", sagt Pfeiffer. Gemeinsam mit der Deutschen Post könnten sie seiner Meinung nach flächendeckend zustellen und damit einen Universaldienst erbringen. Der einzige Wettbewerber, der das sonst noch könnte, wäre Hermes mit seinem Paketdienst.

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