29.10.2010 - Warum sind manche Begriffe so heftig emotional besetzt? Ein Beispiel: Pitch-Honorare. Seit Jahren lamentieren Agenturen, dass Kunden die Unverschämtheit besitzen, für die Teilnahme an einem Pitch immer weniger beziehungsweise gar kein Geld mehr zu bezahlen. Dabei kommt nach Auskunft der Agenturen die Motivation doch nur dann so richtig in Fahrt, wenn man wenigstens ein wenig Geld erhält. Wie soll man das verstehen?
Bekommen die Agenturmitarbeiter einen Bonus, wenn sie an einem bezahlten Pitch mitarbeiten? Das nächste Argument: Eine Ausschreibung ist nur dann mit Wertschätzung und Ernsthaftigkeit verbunden, wenn dafür Geld fließt. Ist es nicht ein wenig naiv zu glauben, nur weil man ein paar tausend Euro bekommt, ist man ein geschätzter Dienstleister, und der Pitch wird auch einen Sieger haben, der das Projekt umsetzt?
1. Es gibt zu viele Agenturen. Bei den sehr geringen Eintrittsbarrieren wird sich daran auch nichts ändern. Und was soll schon ein Texter tun, dem man nach zehn Jahren gekündigt hat? Er sucht sich einen ebenfalls arbeitslosen Kollegen, und wenn beide einen Internet-Anschluss haben, sind sie die nächste neue Agentur - und die wird natürlich versuchen, sich erst einmal über den Preis zu etablieren.
2. Die immer gleiche Positionierung im Sinne der integrierten Kommunikation verwischt die Unterschiede zwischen den Agenturen so stark, dass nur noch eine graue Masse bleibt. Und genau unter solchen Bedingungen haben es werbetreibende Unternehmen enorm leicht. Sie können ohne Qualitätsverluste Kosten sparen - auch die eines Pitch-Honorars. Schließlich gilt das Motto: Wenn jeder alles kann und gleich gut ist, fällt die Entscheidung nach dem Preis. Wenn eine Agentur dann doch auf einem Pitch-Honorar besteht, trommeln genug wartende an der Tür. Genau deswegen sind Agenturen doppelbödig: Auf der einen Seite schreien sie nach Honoraren, und auf der anderen Seite sind sie bereit, für "Umme" an einem Pitch teilzunehmen.
3. Ein Pitch-Honorar ist ein Branchensonderweg. In so gut wie jeder anderen Branche ist es absolut unüblich, für die Teilnahme an einer Ausschreibung Geld zu erhalten. Weder ein Architekt noch ein IT-Anbieter kommen auf diese Idee, obwohl deren Vorleistungen teilweise noch höher sind.
Spannend ist auch, wie Agenturen ihre Kosten bei einer Pitch-Teilnahme darstellen: Da werden nicht die Eigenkosten zu Grunde gelegt; vielmehr bildet man Preislisten ab, ohne dass diese verhandelt werden mussten.
Wenn man diese Bedingungen betrachtet, wird es Zeit, sich von Pitch-Honoraren oder zumindest der Dauernörgelei darüber zu verabschieden. Kunden haben spätestens in der Krise gelernt, dass Agenturen auch ohne Knete pitchen. Bis sie dies vergessen, wird viel Zeit vergehen. Stattdessen sollte man als Agentur zum einen über die eigene Positionierung sehr genau nachdenken und zum anderen ein viel größeres Augenmerk auf die Rahmenbedingungen des Pitches legen. Denn welchen Sinn hat ein geringes Honorar, wenn man fünf oder sechs Konkurrenten aus dem Feld schlagen muss?
Neben der Zahl der Pitch-Teilnehmer ist auch der Umgang mit dem Copyright von höchster Wichtigkeit. Wenn man schon Geld in den Pitch investiert, dann muss man auch sicherstellen, dass die Urheberrechte - auch wenn man nur zweiter Sieger wird - nicht automatisch in den Besitz des werbetreibenden Kunden übergehen. Copyrights abzuschöpfen ist und bleibt absolut inakzeptabel. Von Seiten der Agenturen herrscht hier eine gewisse Sorglosigkeit. Statt sich über kostenlose Pitches heftig aufzuregen, sollten sie hier sehr viel Sensibilität an den Tag legen und nicht leichtfertig ihre Copyrights abgeben.
Heiko Burrack (Dipl.-Kaufmann) arbeitete als Kundenberater in Agenturen. Mit Burrack NB-Advice berät er Marketingfirmen beim Neukundengeschäft. Burrack ist Autor der Bücher "Vom Pitch zum Award" (mit Dr. Ralf Nöcker) und "Erfolgreiches New Business für Werbeagenturen".
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