"Dialog gehört in den Set einer jeden Kampagne"

23.10.2007 - GWA-Präsident Holger Jung sprach mit ONEtoONE über Diskrepanzen in der Wahrnehmung von Kreativität und die wachsende Bedeutung integrierter Werbung.

Eigentlich dürfe man "keine Marktforschung anzetteln und hernach wegen der Ergebnisse pikiert sein", sagt Holger Jung. Etwas gestochen hat den Präsidenten des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA) aber doch, was Grundtenor zweier Umfragen war, die der Verband in Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedern jüngst durchgeführt hat.

Trend eins: Laut einer Erhebung unter 490 werbungtreibenden Unternehmen vertreten knapp 70 Prozent die Ansicht, dass deutsche Werbung im internationalen Vergleich in letzter Zeit nicht an Profil gewonnen hat. "Das ist schade, wenn man bedenkt, was unsere Agenturen gerade in internationalen Wettbewerben inzwischen erreichen", betont Jung. "Die Unternehmen sind offenbar nicht gut informiert." Und mangelnde Information, befürchtet der Verbandschef, könne zu einem generellen Vertrauensverlust in die Arbeit der Agenturen führen. "Um das zu verhindern, müssen wir mit unserem Wissen hausieren gehen und definitiv mehr in eigener Sache kommunizieren." Was einige Anstrengungen kosten dürfte, wie GWA-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning von Vieregge vermutet: "Wenn Vorurteile erst mal da sind, ist es schwierig, sie zu entkräften."

"Fast schon bekümmert" hat Holger Jung das Resultat einer zweiten GWA-Studie, die unter 1.000 Bundesbürgern durchgeführt wurde. Fazit: Die Bevölkerung verbindet mit dem Stichwort Kreativität offensichtlich alles andere als Werbung. Als besonders einfallsreich wurden von den Befragten Wissenschaft und Jugend eingestuft. Das Marketing rangiert weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Jung: "Werbung wird erst kurz vor der Politik genannt - das ist schon bezeichnend." 66 Prozent der Teilnehmer beurteilten Politik nämlich mit der Note "Mangelhaft", was den Einfallsreichtum ihrer Macher angeht.Die Selbstwahrnehmung der Agenturen, die sich vornehmlich über Kreativität definieren, und die Einschätzung der Öffentlichkeit klaffen hier deutlich auseinander, wie Jung betont. "Deshalb müssen wir nach außen besser vermitteln, dass die Agenturen Entwickler kreativer Ideen und somit auch Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung sind."

Dass das Urteil der Konsumenten direkt mit Formaten von Werbung zusammenhängen könnte, die nicht kreativ rüberkommen, weil sie keine Überraschungen mehr bieten, wiegelt Jung ab: "Ich setze immer noch auf den klassischen Werbespot als stärkstes Werbemittel - denn er ist sensorisch allumfassend." Allerdings räumt der Mitbegründer und Geschäftsführer von Jung von Matt in Hamburg ein, dass sich die Arbeit für die klassischen Agenturen, die Werbefilme realisieren, zunehmend unbequemer gestaltet. "Es wird nicht einfacher, großartige Ideen so umzusetzen, dass Botschaften die Kraft haben, möglichst viele Menschen zu erreichen." Von Prognosen um die sinkende oder aber steigende Bedeutung einzelner Disziplinen in der Werbung hält Jung nichts. "Diese Diskussionen um den Stellenwert der Klassik sind selbstzerstörerisch."

Erfolg haben könne Marketing in Zukunft dagegen nur, wenn der Gedanke von mehr Integration auch konkret umgesetzt werde. "Da gibt es kein Entweder-oder - die einzelnen Disziplinen müssen eng zusammenarbeiten." Wachsende Bedeutung gesteht Jung dabei den nichtklassischen Sparten zu: "Das Tool Direktmarketing ist in jedem Fall ein wachsendes - Dialog gehört in den Set einer jeden Kampagne."Gute Ideen gebe es zuhauf, ein Dilemma sei jedoch die Rentabilität: "Im Online-Werbegeschäft etwa sind die Konditionen so schlecht, dass es für die Agenturen schwierig ist, profitabel zu arbeiten." Die Online-Branche erlebt derzeit zwar einen Boom, und der Online-Vermarkterkreis (OVK) hat die Umsatzprognosen für dieses Jahr jüngst deutlich nach oben korrigiert. "Davon haben aber die Agenturen nichts, solange die Rendite schwächelt, was definitiv der Fall ist", so Jung. "Woher hier die Superidee für eine Trendwende kommen soll, weiß ich auch nicht."

Aktuelle Zahlen zur Umsatz- und Renditeentwicklung der Agenturen im GWA präsentierte der Verband jüngst in seinem "Herbstmonitor". Demnach gilt klassische Werbung zwar noch immer als Gewinnbringer Nummer eins in deutschen Agenturen - vor Onlinemarketing und Direktwerbung -, insgesamt korrigiert der GWA seine Umsatz-Wachtumsprognose vom Frühjahr jedoch leicht nach unten. Jung: "Für das gesamte Geschäftsjahr 2007 gehen wir von einem Branchenwachstum von 4,2 Prozent aus."

Damit liege man leicht unter der ursprünglichen Annahme von fünf Prozent. Für 2008 geht der Verband nach einer Umfrage unter 121 Mitgliedern von etwas unter vier Prozent Umsatzwachstum aus. Die gedämpften Erwartungen führt Jung auf "Unsicherheiten über die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland" zurück. Mit der Entwicklung der Rendite sind noch 44 Prozent der Befragten "sehr" oder "eher zufrieden". Bei derselben Erhebung vor einem Jahr waren 67 Prozent optimistisch gestimmt, also gut zwei Drittel. Nur jede dritte Agentur rechnet im zweiten Halbjahr 2007 mit höheren Renditen. Rückläufig sind laut Verband auch die Spending-Signale aus der werbungtreibenden Wirtschaft: 54 Prozent der Befragten bekommen positive Signale aus der Industrie, 2006 waren es noch 69 Prozent. Am investitionsfreudigsten zeigten sich derzeit vor allem die Branchen Fianzdienstleistung und Telekommunikation, Internetwirtschaft und Handel. "So weit zur Prognose", sagt Jung. "Aber abgerechnet wird nach zwölf Monaten, am Ende des Jahres."

Allen Unkenrufen zum Trotz bleibt der Werbefachmann optimistisch: "Erfahrungsgemäß birgt das letzte Viertel des Jahres immer wieder Überraschungen - mitunter auch positive."

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