Druck auf Google wächst

30.04.2007 - Double-Click-Konkurrenten verzeichnen erhöhte Nachfrage. Derweil räumen TV-Vermarkter den Google TV Ads wenig Chancen in Deutschland ein.

Die Übernahme des Marketing-Software-Anbieters Double Click kommt Google womöglich teuer zu stehen. Nachdem sich die erste Aufregung um die Gefahr eines Monopols in der Online-Werbung gelegt hat, mehren sich die Stimmen, die genau das Gegenteil vorhersagen: das Ende der Vorherrschaft von Google im Internet.

"Google hat das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt der auf Suchma-s chinen-Marketing spezialisierte Unternehmensberater Raimar von Wienskowski, der eine Zeit lang auch für Google als Director Partnership gearbeitet hat. Seiner Ansicht nach führt die Ankündigung der Double-Click-Übernahme dazu, dass die Wettbewerber noch stärker zusammenrücken.

Erste Anzeichen gibt es schon: In den USA setzen sich Microsoft, AOL, Yahoo, Time Warner und AT & T gemeinsam dafür ein, dass die Kartellbehörden den Milliarden-Deal genauer unter die Lupe nehmen. "Vielleicht konkretisiert Microsoft ja nun endlich die Idee einer Yahoo-Übernahme", sagt Wienskowski. "Google wird Microsoft endgültig als Feindbild des Marktes ablösen", prophezeit

Mediasquares-Deutschland-Chef Christian Griesbach. Mittelfristig profitieren aber die direkten Double-Click-Konkurrenten am meisten von der allgemeinen Google-Phobie. Fast alle Anbieter berichten von einer verstärkten Nachfrage für ihre Produkte. "Die Gespräche mit Interessenten haben deutlich an Geschwindigkeit gewonnen", sagt beispielsweise Newtention-Chef Marco Klimkeit. Der Grund: Den Kunden wird die zu erwartende Dominanz von Google in der Online-Werbung langsam unheimlich. Schließlich beherrscht Google bereits das Wachstumsfeld Suchmaschinen-Marketing, das laut Bloomberg etwa 43 Prozent des weltweiten Online-Werbemarktes ausmacht, während die von Double Click & Co. ausgelieferten Display-Ads einen Marktanteil von 34 Prozent haben.

"Für große Portale wie T-Online oder AOL USA kommt die Frage auf, ob ihre Daten sicher sind", gibt der Deutschlandchef von Advertising.com, Harald R. Fortmann, zu bedenken. "Als Vermarkter oder Publisher würde ich mich etwas unwohl fühlen, wenn auf einmal mein stärkster Wettbewerber für etwa 90 Prozent meiner Umsätze direkt oder indirekt verantwortlich ist und ich davon abhängig bin", sagt Wunder-Loop-Chairman und Ad-Tech-Gründer Michael Kleindl.Eprofessional-Chef Christian Petersen formuliert es noch deutlicher: "Die Fusion ist eine Bedrohung für die Online-Vermarkter." Thorsten Faltings von 24/7 Real Media hält es zudem für sehr wahrscheinlich, dass künftig außer Google keine Suchmaschine mehr mit Double Click zusammenarbeitet, da sie "die Neutralität und Objektivität des Double-Click-Teams in Frage stellen".

Dass eine Kombination von Suchmaschinen- und Display-Werbung durchaus sinnvoll ist, steht in Fachkreisen außer Frage. Yahoo hatte dies kürzlich in einer Studie belegt. Demnach führt die Kombination beider Werbeformen sowohl zu signifikantem Anstieg bei Klicks und Verweildauer auf der beworbenen Website als auch zum Anstieg bei Online-Käufen und Offline-Anschaffungen der beworbenen Produkte und Dienstleistungen. "Mit einem einheitlichen Ad-Server-System kann Werbung zielgerichtet und zielgruppengenau gesteuert werden", gesteht Konkurrent Marco Klimkeit ein.

Weitere Feinde macht sich Google derzeit durch den anvisierten Einstieg in die TV-, Radio- und Print-Werbung, womit der US-Konzern seine Abhängigkeit von der Online-Werbung verringern will. Google-Chef Eric Schmidt schielt dabei auf die im Vergleich zur Online-Werbung riesigen Budgets in der klassischen Werbung (siehe Grafik auf Seite 1).

Jüngster Coup ist die Koopera tion mit dem Satelliten-TV-Betreiber Echostar, der mehr als 120 Sender verbreitet, darunter Fox, ABC, Discovery, CNN und MTV. Google überträgt bei der Kooperation sein Suchmaschinen-Marketing-Programm Ad Sense auf die Fernsehwerbung. Macht der Medienkonzerne wackelt.

Mit dem dafür entwickelten Produkt TV Ads kann anonym registriert werden, wie viele Menschen die jeweiligen TV-Spots sehen oder bei welcher Werbung die Zuschauer umschalten. Welcher Werbekunde welchen Werbeplatz bekommt, wird durch das im Suchmaschinen-Marketing bewährte Auktionssystem bestimmt. In der US-amerikanischen Radio- und Printwerbung läuft das Modell bereits. Google stellt damit das traditionelle Geschäftsmodell der klassischen Werbung auf den Kopf.

In der Folge wackelt die althergebrachte Macht der Medienkonzerne und Media-Agenturen. Diese hatten bisher selbst bestimmt, zu welchen Preisen in welchen Sendern oder auf welchen Zeitungsseiten geworben wird. Googles automatisches Auk- t ionssystem könnte dieses System überflüssig machen.

Uli Kramer, Geschäftsführer der Online-Media-Agentur Pilot, be streitet das. "Ich glaube im Media-Planungsbereich absolut an die Intelligenz und nicht an die Automatisierung", sagt der Pilot-Geschäftsführer. "Sie können administrative Prozesse über Tools optimieren, aber irgendeiner muss die Entscheidung treffen." Außerdem bezweifelt er, dass sich Google in den angestammten Märkten der klassischen Werbung durchsetzt. Unter anderem deshalb, weil Google dort auf etablierte Player trifft, die "nicht darauf gewartet haben, jetzt von Google vermarktet zu werden". In der Online-Werbung war das anders: Dort baute Google die Werbegattung Suchmaschinen-Marketing selbst mit auf und errang dadurch schnell eine marktbeherrschende Stellung.

Die deutschen Fernsehvermarkter sehen dem wachsenden Engagement von Google in der TV-Werbung ebenfalls gelassen entgegen. Nach Ansicht von Peter Christmann, Vorstand Sales & Marketing der Fernsehgruppe Pro Sieben Sat 1, ist das US-amerikanische Fernsehgeschäft mit dem deutschen nicht vergleichbar. Sowohl bei der Optimierung als auch bei der Platzierung von Spots seien der Differenzierungsgrad und die Komplexitität in Deutschland "wesentlich höher" als in den USA. Kurzum: "Der US-Markt funktioniert wesentlich simpler." In der Folge sieht Christmann "kaum Potenzial" für das Google-Modell.

Der Vermarktungschef weiß, wovon er redet. Schließlich hatte sein Sender selbst schon mal testweise die Versteigerung von Spots angeboten. "Die Akzeptanz war überschaubar", berichtet Christmann. Der RTL-Vermarkter IP Deutschland sieht das ähnlich: "Das deutsche Vermarktungsmodell gründet auf dem Verkauf von Sekunden in definiertem Umfeld, nicht auf der Vermarktung von Zielgruppenkontakten in undefiniertem Umfeld", sagt Marketing-Geschäftsleiter Florian Ruckert. Ein Verkauf mittels Versteigerung sei für dieses Modell "wenig geeignet". Zudem seien Kunden, Agenturen und Vermarkter nicht gewillt, dies zu ändern.

ARD-Werbung Sales & Services (AS & S) führt die Quotenerhebung der GfK als Argument ins Feld. Diese sei "die härteste TV-Währung der Welt". AS & S-Sprecherin Claudia Scheibel bezweifelt, dass sich die Werbekunden auf einen nicht unabhängigen Anbieter einlassen würden, zumal die Vergleichbarkeit der Daten nicht gewährleistet sei. Zudem fielen qualitative Aspekte der Media-Performance wie beispielsweise Sinus-Milieus beim Google-Modell unter den Tisch.

Thomas Aichelmann, Geschäftsführer der Media-Agentur Serviceplan Dialog, kann den TV Ads von Google trotzdem etwas Positives abgewinnen: "Egal ob I-TV, Betty oder das Media-Center von Microsoft - Werbung im TV-Umfeld wird dialogischer." Somit werde die Lücke zwischen der alten TV- und der neuen Internet-Welt weiter geschlossen. brö

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