29.12.2006 - Ein Freiraum-Beitrag von Martin Nitsche
Vor einiger Zeit erzählte ein Bekannter von seinem Neffen. Sie sprachen über einen Computer, den der Vierzehnjährige haben wollte. Mein Bekannter sagte, dass er in dem Alter überhaupt noch keinen Computer gehabt habe. Statt eine Diskussion anzufangen, fragte der Jugendliche erstaunt: "Und wie bist du ins Internet gekommen?" Ich fühlte mich ziemlich alt, als ich das hörte. Uralt. Und das mit gerade mal 35.
Wir, die heute über Dreißigjährigen, sind die Schwellengeneration. Unsere Sozialisation verbindet uns mit der Generation Gutenberg, die gelernt hat, sich Wissen und Information durch das Lesen von Büchern anzueignen. Die neuen Kommunikationsgewohnheiten, nämlich der selbstverständliche Umgang mit Computer und Mobiltelefon, verbinden uns mit der Gegenwart. Was aber macht den Unterschied zur jungen Generation aus? Für die Teenies von heute ist der allumfassende Informationsraum des Internets tägliche Realität.
Wer da nicht mitzieht, wird aussterben. Wie die Dinosaurier. Darum versuche ich Schritt zu halten. Videorecorder mit Festplatte (obwohl ich kaum noch fernsehe), E-Book, Computer, Scanner, digitale Videokamera und Fotokamera, Musikcenter: Die Anzahl der digitalen Geräte in unserem Haushalt wird täglich größer. Abo der Fernsehzeitschrift? Schon vor Jahren abbestellt. Lexikon? Auf Ebay verkauft. Es gibt schließlich Wikipedia. CDs haben wir auch nicht mehr, alles in MP3s auf der Festplatte des Musikcenters abgelegt.
Ich gebe zu, ein wenig verrückt bin ich schon. Aber schleichend erleben wir eine gewaltige Entwicklung. Die nicht-digitalen Medien verschwinden zusehends. Ähnlich wie der Buchdruck mit beweglichen Lettern durch Gutenberg das Gesicht der Welt veränderte, sind wir Zeitzeugen der Virtualisierung des Wissens. Das Internet Protocol (IP) entwickelt sich zur dominierenden Übertragungstechnologie für mediale Inhalte. Die Ubiquität der Informationen verändert Wirtschaft und Gesellschaft. Der Wandel in der Musikindustrie ist nur ein erster Vorbote kommender Entwicklungen. Solche Veränderungsprozesse können schmerzhaft sein, sie bieten aber auch viele Chancen.
Mir kommt es so vor, als könnte man den Strauß zum Wappentier der Werbeindustrie ernennen. Die Selbstverständlichkeit, mit der viele ihren Kopf immer tiefer in den Sand stecken, ist schon ernüchternd. Und damit meine ich nicht nur diejenigen, die Weblogs als Klowände des Internets bezeichnen. Sondern ebenso jene, die sich überlegen, wie sie Banner auf Weblogs platzieren können, oder (noch schlimmer) versuchen, Blogger zu bestechen bzw. über platzierte Kommentare die Meinungen anderer zu beeinflussen. Werbung ist tot. Zumindest Werbung, die darauf basiert, den Konsumenten für dumm zu verkaufen. Die ihm etwas vorgaukelt, was nicht existiert.
Das Marketing der Zukunft muss so eingebunden sein, dass der Kunde es als Bestandteil seiner (zunehmend digitalen) Welt wahrnimmt. Es erfordert eine grundsätzlich andere Denkweise, bei der Konsumenten auf Augenhöhe mit Produzenten sind. Marketing als Dialog unter Gleichen. Marketing als Service. Ja, Sie haben richtig gelesen. Marketing als Dienstleistung am Kunden. Denn nur wenn dieser den darin liegenden Mehrwert erkennt, wird er es weiterhin akzeptieren - und wird unsere Branche auch weiterhin davon profitieren.
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