Das Internet zum Selberzensieren

23.10.2006 - Ein Kommentar von ONEtoONE-Redakteur Bert Rösch

Groß war die Aufregung, als vor gut einem Jahr bekannt wurde, dass die chinesische Regierung westliche Suchmaschinenbetreiber dazu zwingt, Links zu kritischen Websites aus den Ergebnislisten zu entfernen. Aber mal ehrlich: So richtig erstaunt hat es doch in Wirklichkeit niemanden, dass eine Diktatur alle Tricks anwendet, um ihre Macht zu erhalten.

Ganz anders stellt sich das in einer westlichen Demokratie wie der unsrigen dar. Dort muss es schon arg verwundern, dass es gar keines repressiven Staates bedarf, um unliebsame Querverweise zu tilgen, sondern vielmehr eines untätigen.

Dieser lässt es ob seiner lückenhaften Gesetzgebung und widersprüchlichen Rechtsprechung zu, dass man hier zu Lande in vielen Fällen nur ein Anwaltsschreiben aufsetzen muss, um seine Kritiker quasi mundtot zu machen. Denn, was bei Google nicht gefunden wird, existiert bekanntlich für viele bequeme Suchmaschinennutzer nicht.

Noch leichteres Spiel als bei Suchmaschinenbetreibern haben es umstrittene Unternehmen bei den meist privaten Weblog-Betreibern, die sehr viel schneller einknicken, wenn ein Anwaltsschreiben im Offline-Briefkasten liegt. So hat man sich das viel gepriesene Web 2.0 sicherlich nicht vorgestellt. Dieses ist inzwischen nicht nur ein Internet zum Selbermachen, sondern auch zum Selberzensieren.

Es wird also Zeit, dass der Gesetzgeber tätig wird, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird. Schließlich gehört die Internetbranche zu den am schnellsten wachsenden in Deutschland. Jede rechtliche Unsicherheit ist nicht nur geschäftsschädigend, sondern gefährdet auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Beides spricht nicht gerade für den Internetstandort Deutschland.

Doch wer sieht, wie lange es dauert, um eine praxistaugliche Gesundheitsreform auf die Beine zu bringen, der kann sich ausrechnen, dass wir ein Telemediengesetz, das die Internetwirtschaft einbezieht, in diesem Jahrzehnt nicht mehr erwarten können. Zum Vergleich: Der österreichische Gesetzgeber hat seine Hausaufgaben längst gemacht. Na, wenn das mal kein Ansporn ist!

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