Spielt Google Gott?

28.02.2006 - Suchmaschinenbranche diskutiert über Strafaktion gegen BMW. Trotz Kritik an den Google-Richtlinien ist die Skepsis gegenüber einer Regulierung groß.

Wenige Klicks genügten, um die Suchmaschinen-Szene binnen kürzester Zeit in größte Aufregung zu versetzen. Nachdem der Marktführer Google die deutsche Website von BMW wegen des Gebrauchs von so genannten Doorway-Pages aus seinem Index verbannt hatte, überschlugen sich die Berichte in den einschlägigen Internetforen und Fachtiteln. "Spielt Google wieder Gott? War die Bestrafung nicht zu hart? Und sind meine Websites auch gefährdet?", fragten sich die deutschen Suchmaschinen-Marketer und -Optimierer von Flensburg bis zum Bodensee.

Einigkeit herrschte relativ schnell darüber, dass der Einsatz von Doorway-Pages nicht akzeptabel sei. Diese sind voll gestopft mit gängigen Keywords, um Suchmaschinen anzulocken. Die Doorway-Pages sind nur für die Robots der Suchmaschinen sichtbar, der Nutzer wird in Sekundenbruchteilen auf die Zielseite weitergeleitet. "Wenn jemand Schweinkram macht, dann muss er auch rausfliegen, egal, wie er heißt", sagt Eprofessional-Chef Christian Petersen. Robert Eichenberger, Chefdesigner von Newsbyte.ch, pflichtet ihm bei: "Wer billige Tricks einsetzt oder mangels besseren Wissens Fehler bei der Optimierung macht, der wird dafür früher oder später bestraft - und das ist gut so!"

Allerdings, so geben einige Experten zu bedenken, war der Verstoß von BMW gegen die Google-Richtlinien nicht so gravierend, dass es unbedingt notwendig war, gleich zum härtesten Mittel zu greifen. Schließlich haben die Optimierungstricks von BMW nicht dazu geführt, dass die Nutzer auf völlig andere Inhalte gestoßen sind als erhofft, was laut Internetanwalt Dr. Martin Bahr in der Tat wettbewerbswidrig gewesen wäre.

BMW beteuert daher auch, im Sinne der Kunden gehandelt zu haben. Schließlich würden Suchmaschinen häufig Java-Skripte nicht erkennen und die User somit nicht die gesuchten Seiten finden. "Wir haben niemanden in die Irre geführt", sagt BMW-Sprecher Markus Hagemann. Rückendeckung bekommt er dabei vom Suchtreffervermarkter Miva.

"Solange die Treffer relevant für die User sind, ist auch ein Ausschluss aus dem Index nicht gerechtfertigt", sagt Deutschland-Geschäftsführer Wolfhart Fröhlich. Dazu kommt, dass BMW die bemängelten Seiten - entgegen den Aussagen Googles - mehrere Tage vor der Löschaktion Googles aus dem Netz genommen hat. Für Lars Rabe hat das einen "leicht politischen Eindruck". Der Soquero-Chef vermutet, dass Google an einer prominenten Firma ein pub-likumswirksames Exempel statuieren wollte.

Thomas Eisinger, Geschäftsführer der Agentur Exlido sieht das ähnlich: "Sinn und Zweck der Übung war es, einen Warnschuss abzufeuern." BMW sei allein deshalb ausgewählt worden, um der Internetwelt zu zeigen, dass man auch vor Dax-Unternehmen nicht zurückschrecke, was Google in der Tat behauptet. "Wenn es nicht gerade um China geht, scheint Google keine Angst vor großen Namen zu haben", heißt es auf dem Internetportal Insite-it.ch in Anspielung auf die Selbstzensur von Google in China. Diese hatte das Saubermann-Image von Google vor kurzem stark ramponiert, sodass einige Kritiker in der BMW-Aktion eine Maßnahme zur Wiederherstellung des guten Rufs von Google sehen. Google weist diesen Vorwurf strikt zurück. "Wir haben das gar nicht nötig", sagt Stefan Keuchel. Schließlich habe Google gerade den Image Profil Award und den Best Brand Award gewonnen. "So schlecht kann unser Image also gar nicht sein!"

Viel Kritik muss Google auch in Bezug auf seine Richtlinien einstecken, die der Suchmaschinenbetreiber immer wieder als Rechtfertigung für seine Strafaktion hervorzieht. Wer nicht aus dem Index fliegen wolle, müsse sich lediglich ans Regelwerk halten. Nach Ansicht von Christian Mauer ist das aber gar nicht so einfach. "In den Google-Guidelines steht auch nicht alles drin", sagt der Geschäftsführer der Agentur Sumo. Viele Regeln seien schwammig formuliert, sodass nicht immer klar sei, was erlaubt sei und was nicht. Auch Eisinger kann "keine exakten Definitionen" erkennen. Zudem vermisst er einheitliche Regeln für alle Suchmaschinen. Eine staatliche Regulierung in Form einer Prüfstelle oder Ähnlichem sei allerdings nicht machbar, unter anderem deshalb, weil die Suchmaschinen ihren Algorithmus nicht preisgäben.

Auch Dr. Wolfgang Beuermann, Geschäftsführer der Suchmaschinen-Initiative Suma, hält eine Regulierung für illusorisch. "Das würde zu weit gehen", sagt der Informatikdozent. Viel sinnvoller sei es, Alternativen wie Quaero voranzutreiben, um das Quasi-Monopol von Google aufzubrechen, das inzwischen auch die Bundespolitik beschäftigt. "Unsere Hauptkritik an Google ist und bleibt die Intransparenz", sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin. Gesetzliche Maßnahmen seien aber nicht geplant.

"Da ist der Wilde Westen"
Tim Ringels Einschätzung nach hätte ein staatlicher Eingriff auch wenig Aussicht auf Erfolg, da der Google-Index in den USA liege und somit das US-Recht gelte. "Und da ist der Wilde Westen, wie man weiß", sagt der Metapeople-Geschäftsführer und Leiter des BVDW-Arbeitskreises Suchmaschinen-Marketing. Google lässt in diesem Punkt auch gar keine Diskussion aufkommen. "Wir sind nicht dazu verpflichtet, Seiten in den Index aufzunehmen. Das ist unsere Entscheidung!", betont Sprecher Keuchel. Der Jurist Dr. Stephan Ott bestreitet das. In seinem wissenschaftlichen Aufsatz "Suchmaschinen als die neuen Gatekeeper" legt der bayerische Beamte dar, dass die Suchmaschine aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung nicht alles machen könne, was sie wolle. "Eine marktbeherrschende Suchmaschine darf Websites nicht willkürlich diskriminieren, das heißt, nicht ohne sachlichen Grund in den Index aufnehmen oder aus dem Index aussschließen", so Ott.

Eine Website könne jedoch dann abgelehnt werden, wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften verstoße. Wenn aber lediglich die Qualitätsrichtlinien der Suchmaschine verletzt würden, bedürfe es einer "Interessenabwägung im Einzelfall". Dabei sei den Suchmaschinen zwar grundsätzlich ein sehr großer Spielraum einzuräumen. Die einzelnen Ranking-Faktoren dürften allerdings nicht diskriminieren. Werde ein Unternehmen aufgrund der Verwendung angeblicher Spam-Methoden aus dem Index ausgeschlossen, könne im Einzelfall ein Wiederaufnahmeanspruch begründet sein, heißt es in dem Fachartikel, der im April in der juristischen Fachzeitschrift "MRM" erscheint.

Derzeit müssen die verbannten Website-Betreiber regelrecht um eine Wiederaufnahme betteln. Branchenberichten zufolge dauert dies normalerweise mindestens sechs Wochen, wenn nicht sogar sechs Monate. Für kleinere Anbieter, insbesondere Online-Shops, kann dies schnell existenzbedrohend werden. Daher ist es laut Ott nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Bei BMW kam es erst gar nicht so weit. Der Autobauer wurde bereits nach drei Tagen wieder in den Index der Suchmaschine aufgenommen. Ebenso der Druckerhersteller Ricoh.

Beweisführung ist schwierig
Auch der Hamburger Anwalt Dr. Martin Bahr ist der Auffassung, dass bei marktbeherrschenden Suchmaschinen ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch auf die Aufnahme in den Index besteht. Allerdings sei es nahezu unmöglich nachzuweisen, dass eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Firmen bestehe. Als Grund führt er die Geheimniskrämerei der Suchmaschinen in Bezug auf ihren Algorithmus an.

Solange die rechtliche Lage nicht geklärt ist, bleibt den Website-Betreibern nichts anders übrig, als sich an die umstrittenen Regeln zu halten. Laut Ringel ist das auch gar nicht so schwierig: "Es ist möglich, eine Seite suchmaschinentauglich und gut gelistet zu positonieren. Doorway-Pages sind dafür lange nicht mehr notwendig." brö

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