Outsourcing polarisiert

02.07.2004 - Call-Center-Umfrage: Top-Dienstleister über Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken

Call-Center entwickeln sich zunehmend zu externen Vertriebseinheiten. Komplexe Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stehen immer häufiger auf der Agenda der Telefonmarketing-Dienstleister und deren Auftraggeber. Gefragt sind individuelle Lösungen, steigende Qualitätsanforderungen und Internationalisierung. Unterdessen sind Call-Center-Dienstleister nach wie vor dem starken Preis- und Kostendruck ausgesetzt. Um Trends, Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken im Call-Center-Business zu beleuchten, hat ONEtoONE eine Umfrage unter den zehn führenden deutschen Call-Center-Betreibern durchgeführt. Bei diesen handelt es sich nach Netto-Roheinkommen um die Top Ten aus dem Call-Center-Ranking, das die Kollegen von der Fachzeitschrift "Call Center Profi" in diesem Jahr zum siebten Mal durchgeführt haben.

Laut Jens Bormann, geschäftsführender Gesellschafter von buw in Osnabrück, wird sich der Trend zu verkaufsorientierten Themen in der Call-Center-Branche fortsetzen: "Nahezu alle Auftraggeber haben unter der Konsumschwäche zu leiden und insofern um so mehr Agilität im Verkauf ihrer Produkte umzusetzen." Unterstützt werde dies durch die grundsätzliche Intention, ganzheitliche Prozesse auszulagern. Bei dem so genannten Business Process Outsourcing (BPO) handele es sich nicht nur um Adressbeschaffung, Erstansprache und Verkauf, sondern in den vergangenen beiden Jahren insbesondere die Übernahme der gesamten Abwicklung der verkaufsrelevanten Folgeprozesse und Kundenpflegeaktivitäten.

"Dieser Megatrend wird unsere Branche weiter segmentieren", schätzt Achim Plate, Vorstandsvorsitzender von d+s online in Hamburg. Schon heute gebe es viele kleine und mittlere Call-Center, die technologisch und strukturell nicht in der Lage seien, dem BPO-Trend gerecht zu werden. Die Folge: Aus der Spitzengruppe der großen Dienstleister werde sich ein kleines Feld absetzen und zusätzliche Aufgaben wie Application Service Providing, Direktmarketing, Fulfillment und Logistikprozesse sowie Inkasso abdecken. Kleine Call-Center-Dienstleister, die technologisch den Anschluss verloren haben und in Nischen existieren, könnten den Auswirkungen des BPO zum Opfer fallen, wenn Fullservice-Dienstleister im Rahmen von Gesamtprozessen auch ihre Aufgaben übernehmen. Auch im Mittelfeld werde sich die Marktkonsolidierung weiter beschleunigen. "Für das Spitzenfeld besteht die Chance, über den ganzheitlichen Ansatz des Business Process Managements die Marktanteile auszubauen und neue Marktsegmente zu erschließen", folgert Plate.

Dem schließt sich Nael El Sayed, Country Manager Germany von Transcom Worldwide Deutschland an. Für die kleinen Call-Center werde es immer schwieriger, gegen die Big Players, die organisch oder durch Zukäufe wachsen werden, zu bestehen. Der Grund: "Die großen Anbieter können die Economies of Scale wesentlich intensiver ausnutzen", sagt El Sayed.

Das Preis-Dumping der letzten Jahre bleibt nach El Sayed Worten ein Risiko. Auch setzten Auftraggeber jetzt mehr auf Qualität zu einem günstigeren Preis für hochwertige Services. "Die Call-Center werden ihre Prozesse weiter automatisieren und standardisieren, um große Volumen mit weniger Personal abarbeiten zu können", sagt El Sayed. Das sei Voraussetzung für das BPO. Dadurch würden Dienstleister Reibungsverluste beim Auftraggeber minimieren und weitere Sparpotenziale nutzen.

Unter dieser Prämisse erlangen Call-Center-Standorte im Ausland eine immer größere Bedeutung: "Near- und Off-Shoring werden im Bereich einfacher Services wie Backoffice und Bestellannahme weiter an Auftrieb

gewinnen, da hier Kostenvorteile eher ohne Qualitätsverluste genutzt werden können", sagt Mark Brown, Managing Director Germany von Sitel in Krefeld. Auch bei deutschsprachigen Dienstleistungen wachse die Bedeutung des Auslandsmarkts für die kostengünstige Erbringung einiger Kundenkontakt-Center-Services. Selbstverständlich müsse die Qualität der international erbrachten Leistungen mess- und prüfbar sein. "Mit Blick auf internationale Projekte gehört es auf jeden Fall zu den Erfolgsfaktoren, Methoden, Standards und so genannte Best Practices auf weltweite Einheitlichkeit zu bringen, um über das gesamte Leistungsspektrum hinweg homogene und integrierte Services zu bieten", sagt Brown. So würden Projekte über die einzelnen Länder hinweg vergleichbar. Zudem ließen sich Kosten im Vergleich zu voneinander unabhängig gelösten Projekten senken.

Auch bei Bosch Communications Center in Magdeburg beurteilt man länderübergreifende Kommunikation als wegweisend. "Gerade in Zeiten, in denen der Markt von Zusammenschlüssen, Aufkäufen sowie Insolvenzen der Auftraggeber geprägt ist und die outgesourcten Prozesse immer umfassender und internationaler werden, sind gegenseitiges Vertrauen, Innovationskraft und Zukunftssicherheit die entscheidenden Faktoren für die Zusammenarbeit", sagt Georg Wessels, Geschäftsführer von Bosch Communications Center. Wichtig sei, sich nicht nur als Dienstleister, sondern auch als strategischer Partner für eine langfristige Zusammenarbeit zu positionieren.

Ob international oder national - für Dr. Stefan Knoll, Vorstandsvorsitzender von SNT Deutschland in Frankfurt, ist diejenige Vertriebsform wegweisend, die nicht nur reagiert, wenn Kunden Wünsche artikulieren. Gefragt seien Leistungen, an die Kunden und Berater noch nicht dächten. "Insgesamt geht der Trend dahin, Inbound-Telefonie stärker vertriebstechnisch zu nutzen, um von der reinen Kosten- zu einer Produktbetrachtung zu kommen", so Knoll. Die Trennung zwischen In- und Outbound-Agenten würde sich zunehmend verwischen. Der geschlossene Servicekreislauf trete in den Vordergrund. Etwa komplexe Lettershop-Services, Inbound-Mail und Servicerufnummern-Carrier-Befähigung.

Einen Paradigmenwechsel bei Beratung und Servicerealisierung prophezeit auch Dr. Ralf Kogeler, Geschäftsführer von WalterTelemedien in Ettlingen: "Beim Outsourcing fällt Call-Centern zunehmend die Funktion einer externen Vertriebseinheit zu, wobei der Bedarf an anspruchsvollen Second-Level-Tätigkeiten steigt." Daher gewinne Qualifikation als Wettbewerbsfaktor an Bedeutung. Kogeler: "In aller Munde ist zurzeit die Flexibilisierung von Arbeit bei gleichzeitiger Planungssicherheit."

Ähnliches formuliert Hans-Jörg Giese, Business Development Manager Europe von twenty4help Knowledge Service in Dortmund: "Call-Center werden mehr und mehr als reine Profit-Center gesehen, die neben der reinen Serviceerbringung im Inbound-Geschäft aufgefordert sind, zusätzliche Wertschöpfungsbeiträge für den Auftraggeber zu erzielen." Umgekehrt würden sich reine Outbound-Call-Center künftig neben den reinen Marketing- und Verkaufsaktivitäten über das Telefon verstärkt im Inbound-Bereich mit dem Kundenservice auseinander setzen müssen. Im Vordergrund stünden Zusatznutzen für den Auftraggeber - in Form von Kompetenzen, Erfahrungen und Flexibilität. Ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Call-Center-Dienstleisters sei letztendlich die Problemlösungskompetenz. Davon ist Rolf Buch, Mitglied im Vorstand von arvato und Vorsitzender der Geschäftsführung von arvato direct services in Gütersloh, überzeugt. Call-Center-Dienstleister müssten beim BPO folgende Qualitätskriterien erfüllen: Kompetenz, breites Dienstleistungsspektrum, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, sowie Solidität und Stabilität. "Die Konzentration im deutschen Call-Center-Markt sowie der Eintritt neuer Wettbewerber stellen eine große Herausforderung für die gesamte Branche dar", so Buch.

defacto-Geschäftsführer Gerald Schreiber setzt auf die Differenzierung vom Wettbewerb: "Wer immer nur ähnliche Produkte mit ähnlichen Mitarbeitern in ähnlicher Qualität zu einem ähnlichen Preis anbietet, wird erhebliche Probleme haben. Der Erfolg liegt in der Andersartigkeit." Das gehe jedoch nicht ohne die "Zielklarheit bei allen Mitarbeitern".

Customer-Care sei als "Differenzierungsmerkmal im Sinne von Markenbildung bzw. -pflege" vor allem für die Zukunft sehr viel mehr als Chance zu verstehen und zu nutzen und sollte das Leitmotiv für alle Verantwortlichen sein, sagt buw-Chef Bormann. ks

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