Google-Börsengang heizt Suchmaschinen-Marketing an

24.05.2004 - Geschäft mit bezahlten Suchtreffern boomt / Mirago startet in Deutschland

Seit Oktober 2003 wurde darüber spekuliert, Ende April war es dann endlich soweit: Der Suchmaschinenbetreiber Google kündigte seinen Börsengang an. Mit der IPO-Anmeldung geriet nicht nur die Kultfirma aus dem US-Bundesstaat Kalifornien ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, sondern auch eine ganze Branche: die der Wachstumslokomotive Sponsored-Links-Vermarktung, auch Suchtreffervermarktung, Keyword Advertising, Paid Search oder Paid Listing genannt.

Gemeint ist damit die Möglichkeit, auf Suchmaschinen-Ergebnisseiten kommerzielle Text-Links zu ersteigern, die zum Suchbegriff des Users passen - eine Werbeform, die zurzeit boomt wie kaum eine andere. Die Liste der Erfolgsgeschichten ist lang: Der Internetkonzern Yahoo konnte 2003 seinen Umsatz dank des Zukaufs des Suchtreffervermarkters Overture von 283 auf 758 Millionen Dollar mehr als verdoppeln. Ohne Overture hätte der Anstieg lediglich 45 Prozent betragen. Der Overture-Konkurrent Google, dessen Geschäft inzwischen hauptsächlich aus der Vermarktung von Sponsored Links auf eigenen oder Partnerseiten besteht, steigerte 2003 seinen Umsatz von 347,8 auf 961,9 Millionen Dollar bei einem Gewinn von 105,6 Millionen Dollar.

Eine Entwicklung, von der auch die Partnerseiten von Google profitierten: Der Internetkonzern AOL erhöhte im ersten Quartal dieses Jahres seine Einnahmen aus von Google gelieferten Sponsored Links um 57 Prozent. Bei der US-Suchmaschine Ask Jeeves machen diese Einnahmen bereits 69 Prozent der Werbeerlöse aus. Gleichzeitig verbesserte der Suchtreffervermarkter Espotting im ersten Quartal seinen Umsatz um 67 Prozent und erreichte damit die Gewinnzone. Auch das Microsoft-Portal MSN schreibt dank Textanzeigen seit dem vierten Quartal 2003 schwarze Zahlen. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Unternehmen für diesen lukrativen Markt interessieren, der hier zu Lande von Overture, Google und Espotting dominiert wird. Doch dieses Oligopol könnte schon bald fallen: Microsoft hat angekündigt, im Juli eine eigene Suchmaschine ins Netz zu stellen, der eine selbst entwickelte Suchtreffervermarktung folgen soll. "Dann wird es noch mal heiß hergehen", prophezeit der Geschäftsführer von Espotting Deutschland, Raimar von Wienskowski.

Für andere Unternehmen dürften die Markteintrittsbarrieren aber deutlich höher sein als für den Software-Giganten Microsoft. Der Grund: Branchenexperten zufolge ist eine enorme Finanzkraft nötig, um Partnerportale zu gewinnen, die über Erfolg und Misserfolg des Geschäfts entscheiden. Schließlich reicht es meist nicht, Sponsored Links nur auf eigenen Seiten zu platzieren, um profitabel zu arbeiten. Da die Portale stark umworben werden, können sie Bedingungen stellen. Die Folge: Wer Verträge mit Branchengrößen wie T-Online, freenet.de oder Web.de abschließen will, kommt Insider-Berichten zufolge in der Regel nicht darum herum, hohe Erlössummen zu garantieren oder Vorauszahlungen zu leisten. Diese gehen nicht selten in die Millionen. Neue Player müssen tiefe Taschen haben", sagt Christian Petersen, Geschäftsführer der Suchmaschinen-Marketing-Agentur eprofessional. Dazu komme, dass neue Anbieter in der Regel über relativ wenig Anzeigenkunden verfügen und nur niedrige Klickpreise erzielen, was sie für die Portale nicht besonders attraktiv mache. Schließlich bekommen diese mindestens die Hälfte der Erlöse aus den Klickgebühren, die bis zu 20 Euro betragen. Somit liegt die eigentliche Leistung der Suchtreffervermarkter hauptsächlich im An- und Abwerben von Portalen oder Suchmaschinen.

In technischer Hinsicht unterscheiden sich Overture, Google und Espotting nur marginal. Verkaufsargumente sind daher vor allem die Klickpreise und das Partnerportfolio. Jüngstes Beispiel ist der Vertrag von Overture mit dem Portalbetreiber und Freemailer Web.de, den Espotting Branchenberichten zufolge erst vor ein paar Jahren für mehrere Millionen Euro an sich gebunden hatte. Folglich ist zu vermuten, dass Overture noch mal kräftig draufgelegt hat. Nach Meinung von eprofessional-Chef Petersen besteht durchaus die Gefahr, dass Google das Geld aus dem Börsengang - das Unternehmen will Aktien im Wert von 2,7 Milliarden Dollar anbieten - dazu nutzt, um sich in Verträge einzukaufen. Übernahmen von Konkurrenten seien aber nicht zu befürchten, da Google dazu die jeweiligen Mutterunternehmen Yahoo (Overture) und FindWhat.com (Espotting) mitkaufen müsste, was vermutlich Milliarden kosten würde. Zur Erinnerung: Yahoo bezahlte letztes Jahr für die Übernahme von Overture rund 1,63 Milliarden US-Dollar. Lars Rabe von der Suchmaschinen-Marketing-Agentur NetBooster pflichtet Petersen bei: "Google wird versuchen, Overture den einen oder anderen Deal zu vermiesen." Er erwartet daher ein "Hauen und Stechen um Marktanteile".

Diese widrigen Rahmenbedingungen waren nach Meinung von Suchmaschinen-Experten auch der Hauptgrund dafür, dass in Deutschland der First Mover Qualigo (Start im November 2000) inzwischen weit hinter die Nachzügler Overture, Google und Espotting zurückgefallen ist. Da die Tochter der Suchtreffer AG sich teure Vertragsabschlüsse nicht leisten konnte, wich sie notgedrungen auf kleinere Portale und Länder aus. "Ich sehe uns als Nischenanbieter in den Bereichen, in denen die anderen Unternehmen aufgrund ihrer Größe nicht profitabel arbeiten können", sagt Qualigo-Geschäftsführer Malte Schwinger. Ob dies so bleibt, ist allerdings fraglich. Schließlich sind Google und Overture inzwischen auch in Staaten wie Österreich, der Schweiz und den Niederlanden aktiv und bemühen sich verstärkt um kleinere Portale, da die großen bereits allesamt vergeben sind. Insofern räumen die Experten neuen Anbietern auch wenig Chancen ein. Es sei denn, sie verfügen über eine populäre Suchmaschine oder ein breites Portalnetzwerk als Grundlage für einen hohen Traffic, der Werbetreibende anlockt. Aus diesem Grund sind in letzter Zeit viele neue Suchmaschinen online gegangen - in der Hoffnung, früher oder später auch auf den lukrativen Sponsored-Link-Zug aufspringen zu können, erklärt Robert Biermann, Chef der Suchmaschinen-Marketing-Agentur webeffekt.

In Deutschland versucht dies zurzeit das britische Unternehmen Mirago, das auf der Insel eigenen Angaben zufolge die viertgrößte Suchmaschine betreibt und bei der Suchtreffervermarktung zusammen mit Espotting auf Platz drei der britischen Anbieter liegt. Diese Position will die Mirago-Managerin Kristina Nesensohn, die seit zwei Monaten in Berlin das deutsche Verkaufsbüro aufbaut, auch in Deutschland erreichen. Als Basis dient die Mirago-Suchmaschine, über die etwa 30 Prozent des Sponsored-Links-Traffic generiert wird. Bislang bietet das Unternehmen hier zu Lande nur Keyword-bezogene Textanzeigen an. Die hauseigene Entwicklungsabteilung bastelt laut Nesensohn aber bereits an lokalen Suchfunktionen und Content-bezogenen Textanzeigen für den deutschen Markt. Bei Google heißen diese AdWords und bei Overture Content Match. Als Alleinstellungsmerkmale führt Nesensohn spezielle Targeting-Mechanismen wie Day Parting (auf einen Tag begrenzte Buchungen) und Search Exclusion (Ausschluss bestimmter Partnerseiten) an.

Große Investitionen sind ihrer Meinung nach nicht nötig, um sich auf dem deutschen Markt zu etablieren. "Geld ist nicht der entscheidende Faktor", sagt die 28-Jährige, die von eBay zu Mirago wechselte. Sie baut unter anderem darauf, dass das Monopol von Google langfristig immer mehr Widerstand provoziert, wovon kleinere Anbieter wie Mirago profitierten. "Viele Unternehmen suchen Alternativen zu Overture, Google und Espotting. Und wir stehen bereit!", sagt Nesensohn. Außerdem ist sie der Auffassung, dass Overture und Google wegen ihrer Größe nicht so flexibel sind wie kleinere Player. Vielmehr seien sie bürokratischer und langsamer als Mirago und Co. Ferner sei noch genug Platz für weitere Anbieter. Spannend dürften auch die weiteren technischen Entwicklungen werden. Neben Mirago basteln auch Overture und Google an lokalen Suchfunktionen, mit denen der User bei- spielsweise die Pizzeria um die Ecke recherchieren kann und dabei auf Sponsored Links trifft. Die nächste Stufe ist vermutlich die Kombination mit mobilen Anwendungen, was Petersens Meinung nach eine Killer-Applikation werden könnte. Google bietet im mobilen Bereich bereits WLAN-Applikationen für PDAs und Laptops sowie WAP-Anwendungen für Handys an, mit denen der Nutzer unterwegs googeln kann. Bislang aber ohne Sponsored Links. Nach Ansicht Biermanns ist dies jedoch nur eine Frage der Zeit: "Wer da schläft, wird schnell geweckt." Auch eine Ausweitung der Suchtreffervermarktung auf den Zukunftsmarkt interaktives Fernsehen hält der webeffekt-Chef für möglich.

Eine weitere Innovation ist die personalisierte Suche, bei der registrierte User nach dem Vorbild der Amazon-Empfehlungen benachrichtigt werden, wenn eine neue Seite gefunden wurde, die zum Suchprofil passt. Entweder per Mail oder nach dem Einloggen auf der Suchmaschinen-Website. Yahoo, Google und Eurekster sind auf diesem Gebiet bereits aktiv und erhoffen sich hohe Umsätze aus diesem Geschäft (ONEtoONE berichtete). Qualigo-Chef Schwinger erwartet, dass findige Agenturen schon bald Sponsored Links mit anderen Werbeformen kombinieren und dann aus einer Hand anbieten.

Wenig Chancen räumen Experten dagegen der Suchtreffervermarktung nach demografischen Gesichtspunkten ein, die der New Yorker Application-Software-Provider Tacoda zurzeit entwickelt. Dabei sollen Werbetreibende die Möglichkeit bekommen, ganz bestimmte demografische Gruppen mit Sponsored Links zu adressieren, zum Beispiel Männer zwischen 30 und 40 Jahren mit hohem Einkommen aus einer bestimmten Region. Um die dazu nötigen User-Daten zu erhalten, will Tacoda Cookies und Registrierungsdaten heranziehen. Der Datenschutz soll dadurch gewährleistet werden, dass die Auftraggeber und Website-Partner nur allgemeine Daten, nicht aber die einzelnen User-Namen erhalten. Rein technisch ist das möglich. Ob der User das auch glaubt, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich hat die Protestwelle gegen den neuen E-Mail-Dienst von Google gezeigt, dass der Nutzer sehr sensibel auf Eingriffe in die Privatsphäre reagiert. Bei dem Angebot Gmail, das sich zurzeit noch in der Testphase befindet, will Google Sponsored Links in Mails platzieren. Dazu soll die Post auf Keywords überprüft werden, sprich Google liest - wenn auch automatisiert - die Briefe seiner Kunden. Außerdem sind sich die Experten darin einig, dass die klassische Sponsored-Link-Werbung viel effektiver und weniger aufwändig bzw. kompliziert ist. "Die Keyword-Suche lässt viel mehr Aufschluss über den User zu als demografische Werte", meint Petersen.

Ebenfalls noch in der Entwicklung sind Sponsored Links in Form von nicht-animierten Bildern, die Google demnächst im Rahmen seines AdWords-Programms auf den Markt bringen will (ONEtoONE berichtete). Gleichzeitig baut der US-Konzern sein Portalangebot aus, um noch mehr Traffic auf seine Sponsored Links zu locken. Neben Gmail plant Google unter anderem ein eigenes Weblog- und Mailinglisten-Angebot.

Dass sich all die Investitionen auch lohnen, steht für die deutschen Suchmaschinen-Marketer außer Frage. Schließlich sei ein Ende des Wachstums noch lange nicht in Sicht. Petersen und Wienskowski prognostizieren für die nächsten Jahre einen Anstieg im zweistelligen Prozentbereich, unter anderem weil die Keywords im Vergleich zu den USA noch weit unter Wert verkauft werden. Umsatzmotor seien dabei hauptsächlich kleinere Unternehmen, welche Sponsored Links nach und nach für sich entdecken. "Insbesondere Unternehmen, die online Produkte und Dienstleistungen vertreiben, erkennen mehr und mehr die Bedeutung von Suchmaschinen-Marketing als eines der effizientesten Online-Marketing-Tools", sagt Alexander Holl, Marketingchef von Overture Deutschland. Dazu kommen Biermanns Angaben zufolge Unternehmen aus der Industrie, die bislang kaum als Werbetreibende aufgefallen sind, nun aber verstärkt Sponsored Links buchen, um ihre eigenen Websites bekannter zu machen. "Der Markt wacht in Deutschland gerade erst auf", beschreibt Nils Röhrig, Director Business Development von Advertising.com Deutschland, Anbieter von Lösungen für Suchmaschinen-Marketing, die aktuelle Lage. Das Potenzial sei hier zu Lande längst noch nicht ausgeschöpft: "Selbst wenn wir hier nur die Hälfte des US-Niveaus erreichen, wird sich der Umsatz vervierfachen."

Einziger Wachstumsbremser könnte die rechtliche Unsicherheit beim Gebrauch der Schlüsselwörter sein. In den USA laufen derzeit mehrere Prozesse, in denen Website-Betreiber dagegen klagen, dass die eigenen Markennamen von Konkurrenten als Keywords gebucht werden können. Bislang ohne Ergebnis. In Frankreich wurde Google deswegen bereits zu einer Geldstrafe verurteilt. In Hamburg hat der Preisvergleichsdienst Preispiraten vor kurzem Klage gegen Google eingereicht. Petersen erwartet, dass die Internetbranche künftig eine ähnlich starke Klagewelle überstehen muss, wie vor Jahren bei Streitereien um Domains. brö

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