Heidelberger: Abschied von integrierten Drucklösungen?

27.12.2003 - Druckmaschinen-Hersteller konzentriert sich auf den lukrativen Bogenoffset-Druck sowie die Druckvorstufe und -weiterverarbeitung

Mit ihrer offensiven Expansionsstrategie hatte sich die altgediente Heidelberger Druckmaschinen AG vor drei Jahren zum unangefochtenen Star der drupa gemausert. Doch die Rechnung des jetzigen Bahn- und ehemaligen Heidelberger-Chefs Hartmut Mehdorn ging nicht auf. Ende November gab das Unternehmen seinen Kurswechsel bekannt. Konzentration auf die Kernkompetenzen, lautet jetzt die Devise: Abschied vom Rollenoffset-Druck, Neuaufstellung der Digitaldrucksparte, Personalabbau.

Heidelberg kündigte an, sich künftig ganz auf den lukrativen Bogenoffset-Druck sowie die Druckvorstufe und -weiterverarbeitung zu konzentrieren. Aus der Produktion und Entwicklung von Rollenoffset-Druckmaschinen steigt das Unternehmen vollständig aus. Nur Vertrieb und Service sollen erhalten bleiben. Die verlustträchtige Digitaldrucksparte wird dagegen reduziert und "neu aufgestellt". Das gab der Aufsichtsrat nach seiner Sitzung am 26. November 2003 bekannt. "Unsere Zielmärkte sehen wir künftig im Bereich der kommerziellen Druckereien sowie bei den Verpackungs- und Etikettendruckern", sagte Vorstandschef Bernhard Schreier.

Dass Heidelberger in der Krise steckt, wurde durch die aktuellen Quartalszahlen nur allzu deutlich: Das Betriebsergebnis vor Steuern lag zum Halbjahr (Stichtag 30. September) bei minus 93 Millionen Euro und nach Steuern sogar bei minus 129 Millionen Euro. Im Vorjahr konnte Heidelberg vor Steuern immerhin noch 36 Millionen Euro und 13 Millionen Euro nach Steuern vermelden. Die weltweite Investitionszurückhaltung sowie konjunkturelle und strukturelle Belastungen seien gegenüber dem Vorjahr unverändert, so Schreier.

In der Folge sank der Umsatz von 1,9 auf 1,5 Millionen Euro. Zusätzlich zu den vor einigen Wochen angekündigten 3.200 Entlassungen ist nun die Streichung von weiteren 1.000 Stellen weltweit geplant. Der Umbau soll die im M-Dax gelistete AG schleunigst wieder in die schwarzen Zahlen katapultieren. Die Kosten des Konzern- umbaus beziffern Analysten mit etwa 400 Millionen Euro.

Über die Zukunft des Digitaldrucks muss vorerst gerätselt werden. Obwohl die Investitionen in die neue Technologie weltweit ein Vielfaches der Gelder betragen, die in konventionelle Drucktechniken fließen, stellt Heidelberg die Sparte zur Disposition. Digital-Vorstand Wolfgang Pfizenmaier muss seinen Posten räumen. Heidelberg denkt an den Verkauf der Sparte. Natürlicher Gesprächspartner ist Kodak als Mitgesellschafter der Digitaldruck-Tochter NexPress. Bereits im letzten Geschäftsjahr hatte Heidelberg bei der verlustträchtigen NexPress die Kosten reduziert - ohne den durchschlagenden Erfolg. Für die vollständige Übernahme könnte Kodak drei Milliarden Dollar ausgeben. Analysten rechnen beim Verkauf mit einem Erlös von 250 Millionen Dollar. Bis Ende März soll der Handel abgeschlossen sein.

Nach Ansicht von Andreas Weber führt der Ausstieg aus der neuen Technologie in die selbst gewählte Isolation. Der Sprecher des DigitalDruck Forums in Mainz bezweifelt, dass der Bogenoffset-Maschinenmarkt dem Global Player auf Dauer die notwendigen Erträge beschert. Nicht die Werbekrise sei Schuld an der Misere: Vielmehr verdienen die Heidelberg-Kunden ihr Geld im Akzidenzdruck, also im offenen Print-Kommunikationsmarkt für Firmen- und Privatkunden. "Wer die Integrierte Kommunikation ohne Medienbruch nicht mitträgt, ist mittelfristig raus aus dem Spiel", sagt Weber.

Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, bekannte sich Heidelberg-Technologie- und Marketing-Vorstand Dr. Klaus Spiegel Mitte Dezember noch einmal öffentlich zum Digitaldruck: "Seien Sie versichert, Heidelberg wird sich niemals vom Digitaldruck verabschieden." Doch die Ungewissheit sorgt für Unmut bei Heidelberg-Kunden und Mitarbeitern. "Die Frage drängt sich auf: Weshalb hat Heidelberg die Diskussion um ihre veränderte Digitaldruck-Strategie überhaupt losgetreten, bevor der Vorstand wusste, was möglich ist und was nicht? Das geschah doch ohne Not!", klagt ein prominenter Heidelberg-Kunde. Wie das DigitalDruck Forum erfahren hat, müssen sich NexPress-Anwender momentan massiver Attacken des Wettbewerbs erwehren. In der Folge könnte die NexPress-Kundenplattform schrumpfen, schätzt Andreas Weber. "Ein Effekt, den ein ins Stocken geratendes Neugeschäft nicht ausgleichen könnte."

Dies offenbare ein echtes Dilemma: Das NexPress-Geschäft hatte in den letzten zwölf Monaten angezogen und sich weit besser als der Offsetmarkt entwickelt. In Zukunft gehe es nicht nur um Reichweiten, sondern vielmehr um eine weitere Integration der Kanäle und maximale Individualisierung zur Minderung von Streuverlusten.

Mitte der Neunzigerjahre hatte das auch der ehemalige Heidelberger- und jetzige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn so gesehen. Mehdorn wollte aus dem größten Druckmaschinenhersteller einen Komplettanbieter machen. Er hat den Einstieg in den Markt für Zeitungsdruckmaschinen und den Digitaldruck forciert und zu diesem Zweck über 80 Unternehmen aufgekauft. Doch die schnellen Gewinne blieben aus: Vertrieb und Service wurden erst seit 2000 neu aufgebaut. Heidelberg verkauft eigenen Angaben zufolge vor allem an die grafische Industrie, die in den letzten Jahren schon im Kerngeschäft nicht ausgelastet war. Viele der mittelständischen Kunden haben die Werbeflaute nicht überlebt, und der starke Euro macht das internationale Geschäft nicht einfacher. Zudem fordert die Digitaldruck-Technologie noch immer großes Engagement in der Entwicklung und damit auch hohe Vorlaufinvestitionen. "Das kann Heidelberg zurzeit nicht leisten", sagt ein Unternehmenssprecher.

Zumindest kurzfristig verspricht der Kurswechsel Erfolg: Die Analysten aus dem Hause Sal. Oppenheim sehen in der Aktie des deutschen Spezialmaschinenbauers Heidelberger Druck einen "Outperformer". Positive Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die Barmittel würden in einem erhöhten fairen Wert von 35,5 Euro resultieren. Die Analysten von Merrill Lynch gaben sogar ein Kursziel von 37 Euro an. Bei Redaktionsschluss stand das Papier bei 30,45 Euro. asc

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