27.11.2003 - Call-Center-Branche diskutiert Kundenservice-Studie
von Christina Rose
Die Bahn, die Telekom und die Deutsche Post sind die großen Verlierer der Servicestudie der Unternehmensberatung Marketing Corporation. Demnach ist die Kundennähe bei den drei ehemaligen Monopolisten am schlechtesten. Auch bei den Fragen, welche Unternehmen sich zu wenig um ihre Kunden kümmern und welche ihre Werbeversprechen nicht einhalten, liegen Bahn, Telekom und Post ganz vorn. Die beste Kundennähe bescheinigten die Befragten Aldi, Rewe und den Sparkassen. Die Werbeversprechen halten der Umfrage zufolge am besten Aldi, Ryanair und BMW. Insgesamt finden 63,7 Prozent der Befragten den Service in Deutschland schlechter als in den vergangenen Jahren.
Studienleiter Dr. Manfred Niedner führt die schlechten Noten auf die Entscheidung vieler Unternehmen zurück, an der Kundenorientierung zu sparen. Auch Viafone-Geschäftsführerin Anne Stahl-Weiß sieht die Hauptursache in der "Kostenoptimierungswelle", die inzwischen fast alle Call-Center erfasst habe. Sie warnt vor einem Bumerangeffekt: "Wenn wir nur noch über Gesprächsdauer, Service-Level und Erreichbarkeit reden, dann kommen solche Irrwitze zustande wie die Zweige am Anfang einer Line, wo der Kunde fünf Minuten lang 15-mal eins, zwei oder drei drücken muss. Das hat mit den Bedürfnissen eines Anrufers fast gar nichts mehr zu tun!" getaline-Sprecher Angel Martinez: "Service kostet Geld und darunter leidet die Erreichbarkeit und der Service-Level".
Die betroffenen Unternehmen begründen das enttäuschende Abschneiden unisono mit dem schlechten Ruf, der den ehemaligen Monopolisten immer noch anhafte. "Wir haben als ehemalige Behörde ein Image-Problem", sagt Wilfried Seibel, Sprecher der Telekom-Festnetzsparte T-Com. Dadurch behalte der Kunde ein schlechtes Erlebnis besser in Erinnerung als fünf gute. Rückendeckung bekommen die großen Drei vom ehemaligen Call-Center-Betreiber Georg Stockmann: "Es ist schick, über die Deutsche Bahn, Deutsche Telekom und Deutsche Post zu schimpfen. An diese Unternehmen werden hohe Anforderungen und Erwartungen gestellt, und jeder von uns ist Experte."
In die gleiche Kerbe haut Jens Bormann, Geschäftsführender Gesellschafter des Call-Center-Anbieters buw: "Es ist extrem schwer, aus dieser Position des Prügelknaben herauszukommen." Die Deutsche Post stellt zudem die Seriosität der Studie in Frage. Nach Meinung von Sprecherin Monika Siebert ist die Vorgehensweise, eine Stichprobe von 1.000 Kunden in ganz Deutschland zu nehmen "sehr grenzwertig" und nicht repräsentativ. So seien beispielsweise die über 61-Jährigen mit einem Anteil von zwei Prozent nicht richtig abgebildet. Schließlich machten sie mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Ferner beanstandet sie die Einbeziehung von Kriterien, die eigentlich nichts mit Kundennähe zu tun hätten: "Bekanntheit und Image müssen nicht unbedingt Rückschlüsse auf tatsächliche Leistungsmerkmale geben."
In ihren eigenen Studien habe die Post Beurteilungen von knapp 30.000 Kunden verarbeitet und nach unterschiedlichen Bereichen und Leistungsmerkmalen differenziert. Ergebnis: Die Post liegt zwar nicht im vorderen Bereich, zeige aber "einen Trend zum Positiven". Insgesamt deute die Interpretation der Daten und das Vorgehen von Marketing Corporation "eher auf die Erzeugung von Medienresonanz hin".
T-Com-Sprecher Seibel betont die Maßnahmen, die der Konzern bereits eingeleitet habe: "Wir bedauern die Studienergebnisse und können nur versuchen, auf dem Weg, den wir bereits eingeschlagen haben, unseren Service weiterhin konsequent zu verbessern. So sei die Telekom-Tochter inzwischen "relativ gut" in den Call-Centern erreichbar, die Einrichtungszeiten seien deutlich kürzer und die Störungen würden innerhalb von 24 Stunden beseitigt. "Wir verbessern unsere Parameter, aber unser Kunde sieht das ganz anders. Das muss auf einen Nenner gebracht werden", so Seibel weiter.
Auch die Deutsche Bahn kann die schlechte Benotung nicht nachvollziehen. Zwar gebe es zugegebenermaßen Nachholbedarf bei der Bahn, trotzdem sei schon "eine Menge" getan worden, sagt Sprecher Achim Stauß. So hat sich die Erreichbarkeit in den Call-Centern seinen Angaben zufolge deutlich verbessert. 90 Prozent der Anrufe würden innerhalb der ersten 20 Sekunden angenommen. Außerdem habe sich das vor einem Jahr gestartete Kundenbindungsprogramm "Bahn Komfort" bewährt. Ferner sei der Kundendialog, sprich die Beschwerdestelle, neu aufgebaut worden. Dieser bescheinigt eine Studie der Verbraucherzentrale NRW aber noch große Defizite. Die Bearbeitung der schriftlichen Anfrage dauerte in 50 Prozent der Fälle mehr als drei Wochen, die Antworten bestanden hauptsächlich aus zusammengesetzten Textbausteinen.
Ein weiterer Schwachpunkt ist laut Strauß nach wie vor die Reiseinformationen im Störungsfall. "Das geht nur nach und nach", erklärt Stauß die Verzögerungen. Was können die Call-Center-Bereiche der abgestraften Unternehmen sonst noch besser machen? Neben der bereits erwähnten Notwendigkeit, die drastischen Sparmaßnahmen zu überdenken, gibt es offensichtlich auch noch Defizite in der Organisation.
Nach Ansicht von Martinez deutet die Kritik an den Serviceleistungen darauf hin, dass "das Projektmanagement nicht ganz sauber läuft". Offensichtlich würden die auftretenden Fragen nicht gebündelt und weitergegeben, sodass ein Effekt entsteht, der besonders Telekom-Kunden zur Verzweiflung bringt: "Die Agents sind sehr freundlich, haben aber oft keine Ahnung", klagt Corinna Loevenich von der Hamburger Verbraucherzentrale. Laut Stockmann sind hier die Führungskräfte gefragt: "Das Management muss den Kundenservice ernst nehmen und vorleben, Ressourcen dafür bereitstellen und nicht nur das Thema delegieren."
Martinez stellt zudem die Praxis von Post, Telekom und Bahn in Frage, Serviceleistungen von den Niederlassungen in Call-Center zu verlagern: "Es ist eine halbherzige Lösung, Call-Center hinzustellen und zu meinen: Die werden es schon regeln." Vielmehr sei es nötig, einen ordentlichen Qualitätssicherungsprozess einzuführen. Stahl-Weiß warnt zudem vor einer zu starken Automatisierung. Begründung: "Service hat viel mit Individualität zu tun, und dass jeder Kunde mit einem individuellen Anliegen zu Wort kommt."
Ein weiteres Problem sieht buw-Chef Bormann in der Erwartungshaltung der Kunden, die von Unternehmen zu Unternehmen stark differiere. So erwarte der Kunde von der Telekom, die vom Preis und der Reputation im höheren Bereich angesiedelt sei, ganz andere Serviceleistungen als von Mobilcom, bei der man fast stutzig werde, wenn man bei der Hotline sofort durchkommt. Schließlich gewinne der Kunde dann den Eindruck, dass "die nicht wirklich billig sind". Bormann empfiehlt daher folgendes: "Wer Premium produziert, muss auch Premium kommunizieren!" brö
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