26.11.2003 - Digitaldrucker auf der Suche nach ihrem Markt
von Christina Rose
Die Digitaldrucker trafen sich Ende Oktober auf ihrem ersten Digital-Druckforum Congress in Heidelberg. Als erste Amtshandlung haben sie sogleich das Creative Lab gegründet. Die Initiative soll dem Digitaldruck die - eigener Ansicht nach - verdiente Präsenz am Markt verschaffen. Die schnelle Herstellung von Printmedien mit variablen, personalisierbaren und individualisierbaren Inhalten sollte ein Selbstläufer sein. Doch der viel beschworene Durchbruch lässt auf sich warten. Schuld sei nicht zuletzt die Druckindustrie selbst, meint Forum-Sprecher Andreas Weber. Das Geschäft machen andere.
140 Fachbesucher des Kongresses hörten viel über die Zukunft des Digitaldrucks, Perspektiven, Durchbruch und neue Dimensionen interaktiver Kommunikation. Doch nach wie vor werden die Möglichkeiten bei der Individualisierung von Drucksachen nur vereinzelt ausgeschöpft, der Markt sei alles andere als erschlossen. "Es fehlt etwas, das die Technologie zum Fliegen bringt", sagt Weber: "Eine Anwendung, die etwa der Bedeutung des Sexfilms für die Videokassette gleichkommt." Solchen Killer-Applikationen auf die Spur zu kommen, ist von nun an vornehmste Aufgabe des Creative Lab. Es will Kreative, Hochschullehrer und Markeninhaber mit Kommunikationsstrategen zusammenbringen, um neue und publikumswirksame Anwendungen für interaktive Web-Inhalte und Digitaldruck zu erfinden. Die Initiatoren wollen praxistaugliche Projekte nicht nur entwickeln, sondern vor allem auch dokumentieren. Mittels interaktiver Tools sollen diese an Schulen und in Agenturen präsentiert werden.
Finanziert wird das Lab von Sponsoren, die im Gegenzug von den Projekten und Erkenntnissen profitieren. Mit von der Partie: Prof. Sebastian Turner, Vorstandschef von Scholz & Friends in Berlin. Der Werbeprofi fahndet nach verborgenen Potenzialen für seine Kunden: "Wie können wir wirksamer und günstiger Verbraucher ansprechen? Welche Möglichkeiten bietet dabei der Digitaldruck?" Weiterer Mitstreiter: Paul Willem, Chef-Stra- tege und Marketingmanager beim Druckerhersteller und Dienstleister Nexpress Solutions mit Hauptsitz in New York.
Der Kongress hat gezeigt: Es gibt viele Alternativen und jede Menge digitaler Lösungen. "Doch das ganze vorgelagerte Workflow-Management funktioniert noch nicht", sagt Weber. Software-Hersteller wüssten noch viel zu wenig über die Bedürfnisse ihrer Kunden, die Bedienung sei zu kompliziert, Hard- und Software oft nicht kompatibel. Für die Kunden ließe der Markt jegliche Transparenz vermissen, so der selbstkritische Tenor.
Um dies zu ändern, engagieren sich zurzeit eine Werbeagentur, ein Markenartikler und ein Technologiehersteller aus dem Hard- und Software-Bereich im Projektteam und schieben eine eigene Musterkampa-gne an. Dabei sollen kreative Konzepte rund um den Digitaldruck die Hauptrolle spielen. Der ehrgeizige Zeitplan: Projektskizze im Dezember, Start im Januar. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr in Basel vorgestellt werden, wo im März 2004 der nächste Kongress des DigitalDruck-Forums stattfindet. "Den Digitaldruck sinnvoll anzuwenden, ist wie das Erlernen einer neuen Sprache", sagte Turner in seiner diesjährigen Eröffnungsrede. Zur Perfektion komme nur, wer diese Sprache beherrscht. "Das geht naturgemäß am einfachsten, wenn sie wie eine Muttersprache erlernt wird - also nicht durch Lektionen, sondern durch Erleben", so Turner.
Beispiele für Killer-Applikationen sieht Andreas Weber bislang vorwiegend in den USA, wo Publishing- und Kreativ-Betriebe zusammen mit Dataminern gewaltige Kundenstämme großer Unternehmen, etwa Automobilhersteller betreuen, und dies in Form eines permanenten Dialogs. In dessen Verlauf werden kontinuierlich weitere Informationen erhoben und immer wieder gezielte Angebote unterbreitet - Dialog in Reinkultur, mit "hohen Response-Quoten", wie Weber berichtet.
Von solchen Szenarien ist man in der Heimat eines Johannes Gutenberg noch weit entfernt. Der deutsche Markt ist polarisiert, in der konventionellen Druckindustrie werde das Thema regelrecht stigmatisiert, beobachtet Weber: "Die klassischen Druckkunden halten Digitaldruck für den Feind, Druckmaschinenhersteller outen sich ungern als Digitaldrucker." Dabei übersteigen die Investitionen in den Digitaldruck jene im Bereich der klassischen Drucktechnik um ein Vielfaches. Weltweit sind im letzten Jahr rund 30 Milliarden US-Dollar in den Digitaldruck geflossen. Nur zehn bis zwölf Milliarden wurden in herkömmliche Techniken investiert.
Dinosaurier wie die Heidelberger Druckmaschinen AG erleben es im eigenen Haus. Die aktuellen Halbjahreszahlen zeugen von rückläufigen Umsätzen und sinkenden Auftragsvolumina. Nur der Digitalbereich entwickle sich im Vorjahresvergleich positiv, teilte das Unternehmen Mitte November mit. Die Auftragseingänge liegen mit 111 Millionen Euro zehn Millionen über dem Vorjahresniveau, das betriebliche Ergebnis von minus 17 Millionen Euro ist allemal ein Fortschritt gegenüber dem Vorjahr mit einem Minus von 38 Millionen.
"Das Geschäft machen alle, die sich auf vernetzte Kommunikationsdienstleistungen einlassen", sagt Weber. Die Büroausstatter der ersten Digitaldruckstunde, Desktop- und Büro-Publisher mit ihren Inkjets und Laserdruckern: IBM, Canon, Xerox, Hewlett Packard, Ricoh und Konica mit der einverleibten Minolta bestreiten heute 80 Prozent des Markts.
Erst Anfang November eröffnete der bayrische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu in Landshut ein neues Zentrum für digitale Druckproduktion. Der Dienstleister Bosch-Druck will die Wertschöpfungskette im Digitaldruck schließen und erweitert seine Kapazitäten. Für den Eigenbedarf hat MAN Nutzfahrzeuge im Sommer drei Docutex-Drucker von Xerox geleast, um eine Auflage von sechs Millionen Dokumenten pro Monat zu bewältigen - darunter individualisierte Betriebssanleitungen und Handbücher in 28 verschiedenen Sprachen. Fest steht jedenfalls: Beim Digitaldruck ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. asc
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