Axel Springer überdenkt Couponing

01.10.2003 - Knapp ein Jahr nach dem Start der Gutschein-Beilage Cent Plus steht das Couponing-Geschäft des Axel Springer Verlages (ASV) vor dem Umbruch. Wie ONEtoONE aus gut informierten Branchenkreisen erfuhr, ist von einer völligen Neupositionierung bis hin zum kompletten Rückzug aus dem relativ neuen Marketing-Medium alles denkbar.

Als erste Maßnahme trennte sich Europas größtes Zeitungshaus von seinem Couponing-Chef Dr. Martin Jastorff. Ein mög- licher Grund für den Kurswechsel ist das bisherige Konzept der breiten Coupon-Streuung, von der die meisten Händler und Markenartikerl nach enttäuschenden Rücklaufzahlen inzwischen Abstand genommen hat. Stattdessen setzen sie verstärkt auf personalisierte Coupons.

Jastorff hatte als Direktor der Abteilung AS Promotions die Couponing-Sparte aufgebaut und bis zuletzt geleitet. Die Umstände seines Ausscheidens sind noch unklar. Gegenüber ONEtoONE wollte sich der langjährige Springer-Angestellte, der Mitte der 90er Jahre die ersten Internetaktivitäten des Verlags mit initiiert hatte und zwischenzeitlich Leiter der Strategischen Unternehmensplanung war, nicht äußern. Er teilte lediglich mit, dass man sich "im besten Einvernehmen" getrennt habe. Jastorffs Aufgaben übernimmt Petra Linke, Anzeigenleiterin für Sonderwerbeformen der Zeitungsgruppe Bild und Sport Bild. Einem leitenden Springer-Angestellten zufolge, hatte sich Jastorff im Mai eine Deadline gesetzt, bis zu der ein Erfolgshorizont in Sicht sein müsse. Insofern sei es wahrscheinlich, dass entweder er oder der Verlag Konsequenzen aus den bescheidenen Rücklaufquoten von 0,2 Prozent gezogen hat.

Vieles spricht auch dafür, dass das Experimentieren mit dem Medium Couponing nicht mit dem ehrgeizigen Sparkurs von Vorstandschef Dr. Matthias Döpfner in Einklang zu bringen war. Dieser hatte in den letzten zwei Jahren mehr als 1.400 Arbeitsplätze abgebaut. "Der Druck, im Hause zu sparen, ist extrem hoch. Und bevor man Projekte weiterführt, die im Zweifelsfall defizitär sind, hat man sich vielleicht gesagt: Jetzt ziehen wir den Stecker", so der Insider.

In die gleiche Kerbe haut auch Couponing-Experte Holger Kuhfuß von RBC Consulting: "Bei Großverlagen wie Springer muss das Thema von der kaufmännischen Seite her sehr viel schneller fliegen, als der Markt Zeit dafür gibt". Insgesamt vermutet er aber "ein ganzes Geflecht an Gründen". Ralf Kreutzer, Geschäftsführer von Deutsche Post Direkt führt die Couponing-Probleme Springers auf die seiner Meinung nach ganz natürlichen Unwägbarkeiten bei der Einführung neuer Medien zurück: " Nicht alle Samen, die man sät, gehen gleich auf." Vielmehr gehöre es zum ganz normalen Prozess, dass man "Erfahrungen sammelt, diese reflektiert und dann nach Optimierungsmöglichkeiten sucht".

Trotzdem tut sich der Axel Springer Verlag schwer, den Neuanfang zu kommentieren. Sprecherin Birgit Mertin teilte nach dem zufälligen Bekanntwerden der Personalie Jastorff am 5. September lediglich mit, dass Cent Plus "auf jeden Fall" weitergeführt werde.

Danach dauerte es mehr als zwei Wochen, bis der Verlag auf konkrete Anfragen zur Zukunft des Couponing-Geschäfts antwortete. Solange wurde das Thema zwischen den einzelnen Presseabteilungen hin und her geschoben. Offenbar war es den Verantwortlichen mehr als peinlich zuzugeben, dass nach den verlustreichen Ausflügen ins Fernseh- und Internetgeschäft nun auch das Zukunftsprojekt Couponing die Erwartungen nicht erfüllt.

Als Ergebnis der langwierigen Beratungen ließ Linke kurz vor Redaktionsschluss via Pressestelle verlautbaren: "Wir sammeln derzeit Erfahrungen, werten die letzten Ergebnisse aus und werden dann die nächsten strategischen Schritten festlegen." Insofern sei noch unklar, wann die nächste Cent Plus-Beilage gedruckt wird. Die letzte Ausgabe war Ende Juni erschienen. "Wir sind gerade in einer Sondierungsphase und können daher noch keinen Termin nennen", so Linke.

Nach Meinung von Kuhfuß kann dies "alles und gar nichts" bedeuten. Er hält die Idee Cent Plus aber nach wie vor für "charming". Allerdings müsse der Verbraucher noch lernen, mit dem neuen Medium umzugehen, was zwei bis drei Jahre dauern könne. Zudem habe die Erfahrung gezeigt, dass eine breite Streuung von Coupons unsinnig sei. Sehr viel Erfolg versprechender seien dagegen personalisierte Coupons, insbesondere dann, wenn der Kunde sie nur bei einem Händler einlösen kann. "Damit kann ich die Coupons ganz anders verknappen und lenken."

Kreutzer pflichtet dem bei. Im Gegensatz zum so genannten Schweinebauch-Couponing, wo die Gutscheine ohne Response-Erfassung "einfach nur rausgehauen werden", erzielten personalisierte Coupons sehr deutlich höhere Antwortraten. Daher sei es sinnvoll, "viel mehr in adressgestützten Dialogkreisläufen zu denken". Schließlich sei das Couponing die ideale Möglichkeit, um Informationen über Kunden zu bekommen. Als besonders gelungen betrachtet er eine Aktion, bei der die Coupons nur während verlängerter Öffnungszeiten eingelöst werden konnten, um die Kunden an die neuen Verkaufszeiten zu gewöhnen. Für Kreutzer war dies "der Inbegriff eines intelligenten Ansatzes".

Insgesamt schaut er optimistisch in die Zukunft des deutschen Couponings, das hier zu Lande erst seit dem Fall das Rabattgesetzes im Jahr 2001 erlaubt ist: Seinen Informationen zufolge befinden sich die meisten Markenartikler zurzeit in der Planung und Budgetierung für das nächste Jahr. Und es sei bereits erkennbar, dass Couponing zu einem festen Bestandteil innerhalb der Kommunikationsstrategie der großen Markenartikler werde. Diese müssten aber aufpassen, dass ihnen der Handel nicht die "Couponing-Butter vom Brot nimmt". Schließlich seien die handelsdistribuierten Coupons besonders gut gelaufen. "Und dafür brauche ich keinen Markenartikler mehr." brö

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