28.01.2002 - Berlecon-Geschäftsführer Dr. Thorsten Wichman über die Chancen von SMS, WAP, i-mode und UMTS
sam Die Mobile-Marketing-Branche fristet ein merkwürdiges Dasein. Verklärt vom Optimismus der New-Economy-Generation gelangte sie vor rund zwei Jahren ins Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit - und geriet, noch bevor sie richtig durchstarten konnte, kurze Zeit später in eine schwere Krise. Unzureichende Technik? Mangelhafte Services? Fehlende Akzeptanz? Was immer der Grund sein mag, WAP-Services kommen einfach nicht gut an. Größerer Beliebtheit erfreuen sich SMS-Dienste.
Und dennoch wird das Potenzial von Mobile Marketing via SMS noch immer unterschätzt, wie unlängst die Studie "Mobile Marketing: Ohne Draht zum Kunden?" des Berliner Marktforschers Berlecon Research ergab. Danach bieten nur 32 Prozent der jeweils 30 größten befragten Werbe-, Dialogmarketing-, Media- und Multimedia-Agenturen Handy-Marketing an. Weniger als die Hälfte der Befragten räumt dem Mobile Marketing eine hohe Bedeutung ein. ONEtoONE sprach mit Dr. Thorsten Wichman, Geschäftsführer bei Berlecon Research und Lead-Analyst der Studie, über Entwicklungen und Zukunft des mobilen Marketing.
ONEtoONE: Allerorten ist vom großen Potenzial des mobilen Marketing die Rede - der Kunde ist ganz individuell, anytime und anywhere, erreichbar -, dennoch hat sich das Marketing via Handy noch nicht etablieren können. Nun dürfte es allmählich an der Zeit sein, sich nicht nur dem theoretisch Möglichen, sondern der realen Praxis zuzuwenden. Ist denn das viel beschworene Potenzial von Mobile Marketing überhaupt umsetzbar?
Dr. Thorsten Wichmann: Dass der Kunde jederzeit und überall erreichbar ist, ist ein großes Versprechen - die permanente Erreichbarkeit des Kunden lässt natürlich die Augen jedes Marketers leuchten. Aber davon muss man Abstand nehmen, weil der Kunde gar nicht immer erreicht werden will. Das gilt besonders für die Push-Werbung, für die man sich die Erlaubnis des Konsumenten einholen muss.
Auch die Idee der ortsbezogenen Informationen ist in der Praxis problematisch. Dieses Szenario liegt noch weit in der Zukunft, weil es für den Massenmarkt bislang keine präzisen Lokalisierungsmöglichkeiten gibt. Der technische Aufwand ist sehr hoch und kostspielig. Außerdem muss auch noch diskutiert werden, was rechtlich überhaupt machbar ist.
Dennoch sehe ich viele Möglichkeiten, schon jetzt das Potenzial von Mobile Marketing zu realisieren. So ist es zum Beispiel sinnvoll, mobiles Marketing in Offline-Werbung einzubinden und die SMS als Rückkanal einzusetzen. Damit wird neben der reinen Plakat- oder Fernsehwerbung auch ein Dialog ermöglicht. Außerdem wird Mobile Marketing bereits zur Kundenbindung eingesetzt. Der Flughafen München bietet beispielsweise einen SMS Info-Service an, der darüber informiert, ob ein Flug sich verspätet oder wann man sich an welchem Gate einzufinden hat. Auch zu Marktforschungszwecken wird die SMS schon jetzt genutzt.
OtO: Sie beziehen sich dabei aber nur auf einen Kanal: die SMS. Wie realisierbar ist denn das Potenzial anderer Übertragungstechniken?
Wichmann: WAP ist noch immer nicht weit verbreitet, und es ist schwer, darüber Aussagen zu machen, weil sein Erfolg von zu vielen Faktoren abhängt. Nicht nur die Übertragungsgeschwindigkeit, sondern auch die Preise der Telcos spielen da eine große Rolle. Bei WAP wurde bislang der Fehler gemacht, es als Internet auf dem Handy zu vermarkten. Das stimmt natürlich nicht, man muss speziell geeignete Dienste dafür kreieren.
i-mode könnte bald interessant werden. Es ist zwar ein ambitioniertes Unterfangen, dass ein kleiner Netzbetreiber diesen Dienst auf dem mittlerweile schon ziemlich gesättigten Mobilfunkmarkt einführen will, dennoch könnte ich mir vorstellen, dass i-mode einen Ruck in der Mobilfunkszene bewirken wird. Denn diese Technologie ist leicht nutzbar, ermöglicht farbige Darstellungen, schnelle Übertragungen und zeichnet sich, zumindest in Japan, durch hohe Qualitätsstandards aus. Außerdem ist i-mode in Japan, gemessen an GPRS in Deutschland, vergleichsweise preisgünstig.
OtO: Dass sich WAP bei seinem Start nicht durchsetzen konnte, wurde zunächst mit dem unkomfortablen GSM-Netz, das nur eine geringe Datenübertragungsrate zulässt, erklärt. Es hieß, alle Welt warte nur auf den schnelleren Übertragungsstandard GPRS. Doch auch der findet wenig Beachtung - denn nun steht schon UMTS vor der Tür. Bremst sich die Branche durch ihre dauernden technischen Erneuerungen selbst aus?
Wichmann: Sind wir mal realistisch: Vor 2004 oder 2005 wird UMTS voraussichtlich nicht auf dem Markt verbreitet sein. Ende dieses Jahres werden wir allenfalls eine Pilotphase von UMTS zu sehen bekommen. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, sich bis dahin mit anderen, leichter realisierbaren Technologien zu befassen. Ich denke, dass es eine langsame Migration von den SMS-Services hin zu den Technologien EMS (Enhanced Massaging Service) und MMS (Multimedia Messaging Service) geben wird. EMS erlaubt den Versand längerer Textnachrichten, den Aufbau von Tonfolgen und animierten Bildern und ist für Ende dieses Jahres angekündigt. MMS ermöglicht den Versand multimedialer Botschaften, ist aber komplizierter zu realisieren, weil es viele Anpassungen in der Netzstruktur erfordert. Doch in diesem Jahr wird Mobile Marketing sicherlich nach wie vor via SMS umgesetzt werden.
OtO: Und wie stehen die Chancen für UMTS?
Wichmann: UMTS wird immer als die Erlösung dargestellt! Viele Erwartungen kann es aber gar nicht erfüllen. Zwar wird die Datenübertragung damit schneller, doch ein technischer Quantensprung wird erstmal nicht erreicht. Massenvideoübertragungen werden beispielsweise zunächst nicht funktionieren. Denn jede Mobilfunkzelle verfügt nur über begrenzte Kapazitäten, die sich nicht einfach erweitern lassen. Deshalb kann immer nur eine bestimmte Menge von Leuten solche Anwendungen nutzen. Man könnte zwar die Funkzellen verkleinern, um einen besseren Zugriff auf die Anwendungen zu ermöglichen, das würde den ganzen UMTS-Dienst aber deutlich teurer machen. Aber die Konsumenten interessieren sich nicht für diese technische Diskussion, und deshalb werden im Zusammenhang mit UMTS oft falsche Erwartungen geweckt.
OtO: Die Etablierung mobiler Services und mobiler Marketingstrategien hängt aber nicht nur von der Technik ab, sondern auch von der Akzeptanz der Konsumenten. Ist die denn überhaupt vorhanden?
Wichmann: Generell ist die Akzeptanz des Mobiltelefons schon da. Aber es gibt noch immer recht wenige Services. Das liegt daran, dass man damit bislang kein Geld verdienen konnte. Deshalb müssen die Netzbetreiber Abrechnungslösungen bereitstellen, damit zumindest einige Dienste kostenpflichtig angeboten werden können. Aber es gibt auch sinnvolle kostenlose Dienste, die man etwa durch Sponsoring finanzieren kann. Ein Beispiel wäre der Jever-Seewetter-Service. Hier hat sowohl der Kunde einen Nutzen als auch das werbungtreibende Unternehmen, das in diesem Kontext einmal mehr sein friesisch-herbes Image präsentieren kann.
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