02.07.2001 - Das Thema private Altersvorsorge birgt Riesenpotenzial für Dialogmarketer.
Nach langen Diskussionen wurde am 11. Mai die "Riester-Rente" vom Bundesrat verabschiedet. Sie soll dazu dienen, die Absenkung des Rentenniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2002 durch eine steuerlich geförderte private Vorsorge auszugleichen. Voraussetzung dafür ist, dass die entsprechenden Finanzdienstleistungs-Produkte von einer staatlichen Instanz zertifiziert sind. Da diese Behörde bisher noch nicht einmal ihre Arbeit aufgenommen hat und allen Produkten gleichzeitig das Zertifikat erteilen will, wird es wohl vor Jahresende keine offiziell zugelassenen Angebote geben.
Holger Albers, Geschäftsführer des DDV, betrachtet die "Riester-Rente" als "riesigen Kuchen", an dem immerhin 26 Millionen Menschen beteiligt sind, - "und das Direktmarketing ist das Messer, um ihn zu schneiden". Es handele sich, so Albers, um einen völlig neuen Markt. Und dieser neue Markt wird heiß umkämpft sein - für die Finanzdienstleister kommt es darauf an, ihren Vorsprung auszuspielen, den sie aufgrund ihrer bereits vorhandenen Kundendaten haben. Die Versicherer haben einen Wettbewerbsvorteil, weil sie bereits jetzt primär auf Sicherheit angelegte Produkte verkaufen. Die Fondsgesellschaften müssen sich indes erst auf die neuen Anforderungen einstellen und laufen Gefahr, zu spät zu kommen.
Beim Marketing für die "Riester-Produkte" muss, so Albers, Dialogmarketing fast zwingend das wichtigste Instrument sein. Die neuen gesetzlichen Regelungen erfordern eine intensive Beratung, um festzustellen, für wen welche Anlageform im Einzelfall die richtige ist. Selbst in der derzeit noch unsicheren Situation hält Albers es für falsch, wenn sich die Anbieter aus Furcht vor Abmahnungen zurückhalten und nicht versuchen, auf ihre Kunden zuzugehen. Sie soll- ten schon jetzt über die neuen Bestimmungen und die darauf zugeschnittenen Produkte des Unternehmens informieren, denn "es besteht ein hohes Infopotenzial beim Verbraucher", so Albers.
Genau so macht man es beim Branchenführer Allianz Lebensversicherung. Laut Dr. Christoph John, innerhalb der Unternehmenskommunikation zuständig für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen, wird Allianz ab 1. Juli "Riester-fähige" Produkte anbieten, die Schulung der Außendienstmitarbeiter dafür läuft auf Hochtouren.
Die Abmahnung verschiedener Versicherungsunternehmen durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist aus seiner Sicht kein Problem, immerhin seien die neuen Regelungen ja nicht vom Himmel gefallen, sondern in einem Diskussionsprozess auch gemeinsam mit den Versicherern entwickelt worden. "Wir sind sehr, sehr optimistisch, dass wir die Kriterien richtig verstehen", so Dr. John.
Hans Spängler, Marketingleiter der Allianz Lebensversicherung, ist etwas weniger offensiv, was die kommunikative Umsetzung angeht. Die noch bestehenden rechtlichen Einschränkungen in Bezug auf den ungewissen Zeitpunkt der Zertifizierung bürden dem Marktführer aus seiner Sicht eine besondere Verantwortung auf - "wir bewegen uns noch auf glattem Eis", meint Spängler. Er stellt deshalb den Informationscharakter der Werbung in den Vordergrund. Im Sommer soll eine entsprechende Mailing-Kampagne anlaufen.
Mit ihren Fonds-Angeboten wird die Allianz nicht vor Jahresende auf den Markt kommen, so Thomas Groffmann vom Allianz Asset Management. Dies entspricht dem Verhalten der meisten anderen Fondsgesellschaften - sie konzentrieren sich darauf, über bestehende Informationskanäle wie Newsletter ihre Vermittler zu informieren, die Verbraucher werden erst dann angesprochen, wenn die Produkte zertifiziert sind.
Die Direktbanken wie comdirect oder Advance Bank haben ebenfalls noch keine fertigen Produkte in der Schublade, nutzen aber die Situation dazu, Beratung anzubieten. Im Juli will die Advance Bank laut Pressesprecher Timo Sheil ihre Kunden anschreiben und auch per Internetauftritt auf den gestiegenen Beratungsbedarf bei der Altersvorsorge hinweisen.
comdirect-Pressesprecher Mathias Hajek erwartet für August/September das erste Angebot aus seinem Hause. Darüber werden die Kunden dann per Mailing und E-Mail informiert. Bisher wurde das Dialogmarketing inhouse gestaltet, die comdirect bank will aber ihr CRM ausweiten und ist darüber mit mehreren Agenturen im Gespräch, - das Mailing dürfte dann die erste Aufgabe sein. Die klassische Werbekampagne wird weiterhin von Böning & Haube gestaltet.
Vorsicht bestimmt das Verhalten einer Reihe von Versicherern wie der HDI-Tochter Aspecta Lebensversicherung. Eingeschüchtert durch die aktuellen Abmahnungen konzentriert man sich einstweilen auf die Information und Schulung der Vertriebspartner via Newsletter und Intranet/ Internet.
Dort, wo man wie bei der Axa Colonia schon "Riester-Produkte" anbietet, setzt man dezidiert auf Beratung statt auf Produktinformation. In einem ersten inhouse gestalteten Mailing wurden Mitte Mai die bestehenden Kunden über die neuen Bestimmungen informiert und zur Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Berater aufgefordert. Die Resonanz darauf war sehr positiv, so Fabian Rupp- recht, Leiter Produktmanagement Leben. Zum Jahresende wird wohl ein zweites Mailing mit genaueren Informationen folgen.
Auch die Direktversicherer halten es so: Bei Cosmos Direct verfügt man zwar bereits seit März über ein "Riester-fähiges" Produkt, wird es aber erst in der Herbstausgabe des zweimal jährlich an alle Kunden geschickten Mailing offiziell bekannt machen. Über die neuen Entwicklungen werden die Kunden im monatlich erscheinenden Newsletter informiert. Das Mailing wird in Zusammenarbeit mit RTS Rieger Team gestaltet. Die Quelle Versicherungen bieten ebenfalls bereits ein Produkt an, das ab Mitte Juni den Kunden in inhouse gestalteten Mailings vorgestellt wird.
Für den Verbraucher heißt es jetzt vor allem, sich umfassend zu informieren - das Angebot ist da. Ob es allerdings sinnvoll ist, jetzt schon einen Vertrag mit Zertifizierungsvorbehalt abzuschließen, ist fraglich: Eile ist ja noch nicht geboten, da es vor 2002 ohnehin keine staatliche Förderung gibt. Richtig munter wird der Markt wohl erst gegen Jahresende, wenn alle zertifizierten Produkte angeboten werden - dann dürfte zurückhaltende Information wohl nicht mehr reichen. Fazit: Für die Dialogmarketing-Branche wird es ein heißer Winter werden ... gös
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de