17.06.2014 - In unserem letzten Freiraum-Beitrag hinterfragte Detlef Rump (Rumpdialog) die Sinnhaftigkeit von Werbung und plädierte dafür, den eigentlichen Auftrag nicht aus den Augen zu verlieren. Roland Potthoff (Keuscher Mayer-Network) antwortet nun in einem Leserbrief.
Lieber Detlef Rump,
und ich darf sicher Detlef sagen, denn du warst mein erster "Text-Vater", als ich mit einem Praktikum bei Lehr & Brose 1991 den ersten Fuß in dieses Dings, dieses Direktmarketing gesetzt habe.
Schon damals waren wir es, die Dialogorientierten - in den 90ern hier und da sogar noch als "Underdogs" bekichert - die den Erfolg und die Sinnhaftigkeit der großen klassischen Etats in Frage gestellt haben. Auch seinerzeit ging es um den Standpunkt, ob Lacher gleichzustellen seien mit positivem Markenimage. Ich erinnere mich an Kino-Spots, in denen Camel lustige Höckertiere aus Ufos aussteigen und pfeifend durch die Wüste tippeln ließ. Und ganz viel anderen Trash. Und schon damals wurde relativ klar belegt, dass weder gestützte noch ungestützte Bekanntheit von Marken allein durch Schenkelklopfer signifikant erhöht wurde.
Wir waren damals so stolz, dass "unsere" Art zu werben messbar war. Jede harte D-Mark, die in Direktmarketing-Massnahmen floss, konnte auf dem Prüfstand Erfolg oder Misserfolg symbolisieren. Das sah man an den Antwortkarten, die zurück kamen. Oder den eingelösten Coupons. Oder auch Anruf-Aufkommen im Call-Center, wenn ein DRTV-Spot zur richtigen Uhrzeit auf die richtige Zielgruppe traf. Weil etwa das schnurlose Telefon beim Talkshow Wahnsinn am Vormittag mit auf dem Bügelbrett stand.
Tja, und dann ging es los, mit den kanalübergreifenden, verzahnten Kampagnen. Multi-Channel, adaptierbare Konzepte, crossmedial. Werbung sollte plötzlich eins sein, denn jeder Verbraucher-Kontakt zahlt auf das Markenkonto ein - egal, ob via TV, Mailing, Plakat oder Promotion-Aktion. Man, wie oft habe ich das in Powerpoint-Präsentationen geschrieben...
Und ehe man dabei war, die integrierte Kommunikation zu verinnerlichen und wirklich überzeugend abzubilden, wurde "Werbung" von Communities gemacht. Und Social Media Begriffe wie "Owned Properties, Paid Media, Earned Media" & Co. waren zu lernen. Und spätestens hier habe ich begonnen, die Scheunentore von Kopf, Herz und Neugier ganz einfach weit zu öffnen und weiter zu lernen. Durch beobachten, hören, scrollen, posten und so weiter.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Ich liebe sie, die überraschende Anarchie. Ich finde sie sehr, sehr geil. Manchmal supergeil. Und ich mag den Spot mit Futureman von Ahoj Brause. Vieles erfindet sich momentan über Nacht neu. Früher sprachen wir über Reichweite und Kontakte. Wieviele Citylight-Plakate man wohl auf dem Weg zur Arbeit wahrnehmen würde. Heute schauen wir alle sechs Minuten zusätzlich aufs Smartphone. Durchschnittlich, versteht sich. Das Gespräch auf Augenhöhe, dass du erwähnst, verliert sich oft in der Schnelllebigkeit. Und die Verbraucher wollen es wenn schon selbst initiieren. Mehr und mehr und mehr. Bei Unterhaltungen mag ich es persönlich, wenn sie fröhlich sind, statt belehrend.
Ich lache lieber, als dass ich gähne. Wir alle sind Kommunikations-Freaks. Manchmal, als einer der Old-School-Profis, sehe ich die jungen Kreativen und komme mir vor wie der Papi, der seine 13-Jährige Tochter mit dem ersten Alkopop-Getränk erwischt. Aber weisst du was? Da muss ich durch. Und wenn ich richtig doll cool wäre (bin ich aber nicht), müsste ich ihr sogar ein Kondom zustecken. Denn so sind die Zeiten. Ich habe Professor Vögele gelernt und noch Seminare von Herschell Groden Lewis besucht. Ich habe doppelt unterstrichen und Response-Verstärker ohne Ende unter die Menschheit gekloppt. Aber eins bin ich immer geblieben: offen... Du, lieber Detlef, bist einer von den richtig Guten! Und darum lass uns doch einfach zusehen, den "Leiter Werbung" nach zwölf Monaten bei seinem Vorstand eben auch richtig gut aussehen zu lassen. Und sei es dadurch, dass der Vorstand sagt: "Meyer, ´ne Spitzenagentur haben Sie ausgesucht. Wir haben Deutschland zum Lachen gebracht. Ist schwerer, als noch mehr Produkte zu verkaufen. Good Job!"
Liebe Grüße vom Text-Prakti Roland.
Roland Potthoff
Geschäftsführer Keuscher Mayer-Network GmbH
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