Nicole Prüsse: "Im Online-Bereich verwässert vieles"

02.01.2012 - Vivaki, der Media-Zweig der Publicis Groupe, hat 2011 in Deutschland die Gewinne des Vorjahres konsolidieren und in der Gruppe im zweistelligen Prozentbereich wachsen können. Eigentlich könnte sich Nicole Prüsse, Chairman Vivaki, also entspannt zurücklehnen. Doch Prüsse ist mit dem Status quo der deutschen Online-Branche nicht zufrieden. Dienstleister und Anbieter aus dem Online-Marketing sprechen zwar davon, dass in den digitalen Kanälen alles mess-, nachverfolg- und genau aussteuerbar sei. In den Augen der Vivaki-Chefin hängt Online aber bei der Datenqualität anderen Kanälen noch hinterher. ONEtoONE sprach mit der Managerin über das Ergebnis von Vivaki im vergangenen Jahr, die Entwicklung des Media-Geschäfts sowie die Pläne der Agentur für das Jahr 2012.

Besucher der Website von Vivaki werden dort von Logos der einzelnen Agenturen empfangen. Wollen Sie nach der Bündelung unter dem Vivaki-Dach doch wieder die Marken der einzelnen Agenturen stärken?Nicole Prüsse: Die Agenturmarken sind immer schon unser Gesicht zum Kunden, und Vivaki wurde geschaffen, um sie zu stärken, nicht um sie zu bündeln. Die Einzelagenturen müssen in ihrer jeweiligen Positionierung stark sein, damit sie Kunden überzeugen. Unter unseren Agenturen ist etwa Zenith Optimedia eher ROI-getrieben, während sich Starcom Mediavest als "Human Experience"-Agentur versteht. Vivaki stärkt die einzelnen Brands, indem es Ressourcen, Talente und Technologien für sie verfügbar macht.

Wie hat sich dieser Schritt auf ihr Geschäft im abgelaufenen Jahr ausgewirkt?Prüsse: Wir haben es 2011 geschafft, die Gewinne des Vorjahres zu konsolidieren und in der Gruppe im zweistelligen Prozentbreich zu wachsen. Sehr erfreulich war, dass alle Agenturen Neukunden in relevanter Größenordnung integriert und keinen der großen Bestandskunden verloren haben: Optimedia Deutsche Post und Postbank, Zenithmedia O2 und Starcom Glaxo Smith Kline. Vivaki ist damit im relevanten zweistelligen Prozentbereich gewachsen und beschäftigt mittlerweile über 650 Mitarbeiter.

Welche Rolle übernimmt Vivaki nach der Stärkung der Agenturmarken noch? Und was genau ist dabei Ihre Aufgabe?Prüsse: Vivaki fungiert als Enabler für die Agenturen. Wir stellen Ressourcen sowie Kompetenzen zur Verfügung und entwickeln beispielsweise in unserem Nerve Center Technologien, die übergreifend von allen Agenturen genutzt werden. Meine Aufgabe ist die Koordinierung des gesamten Agenturgeschäftes in der D-A-CH-Region. Dazu gehört auch die Entscheidung, welche Agentur aus dem Network im Pitch um Neugeschäft ins Rennen geht. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Wettbewerbskonflikte müssen berücksichtigt werden, ebenso die Kapazitäten der Einzelagenturen, ihr Know-how in bestimmten Branchen. Außerdem bin ich an der Zusammenstellung der Teams beteiligt.

Warum gibt es mit Razorfish eine eigene digitale Kreativagentur unter dem Dach von Vivaki? Sie könnten doch mit Publicis Modem zusammenarbeiten?Prüsse: Die Intention bei der Ansiedelung von Razorfish innerhalb von Vivaki war es, die Mediaagenturen mit einer digitalen Kreativagentur zusammenzubringen. Aus der Perspektive des Kunden teilen sich die möglichen Kommunikationskanäle in "Paid, Owned und Earned Media". "Paid Media" sind bezahlte Werbeplätze, "Owned" sind eigene Medien der Kunden, wie etwa ihre Website, und "Earned" sind Empfehlungen, die beispielsweise User über Social Media abgeben. Unser Kunde muss so aufgestellt sein, dass er in allen drei Bereichen seine Kunden erreichen kann. Vivaki spiegelt dieselbe Dreiteilung. Im Online-Bereich, der ja immer weiter wächst, gibt es zwischen Paid und Owned deutliche Überschneidungen. Die Unterscheidung von Media und Kreation wird in den digitalen Kanälen immer mehr verschwinden. Insofern sind auch wir als Mediaagenturen näher an die Kreation herangerückt.

Wie groß ist der Anteil von Online an ihrem Tagesgeschäft?Prüsse: Unser Geschäft verteilt sich aktuell auf drei Viertel Klassik und ein Viertel Digital, Tendenz steigend.

Wie entwickelt sich ihre Performance-Marketing-Unit Performics?Prüsse: Unser Hauptziel in diesem Jahr war es, Performics in die großen Märkte zu bringen und dort Strukturen aufzubauen. Das haben wir erfolgreich getan. Im kommenden Jahr wollen wir nicht nur Bestandskunden unsere Agenturen im Performance-Marketing betreuen, sondern auch erste externe Kunden für Performics gewinnen.

Wie stehen Sie zum Thema Trading, das 2011 ja viel diskutiert wurde?Prüsse: Trading kann für manche Kunden ausgesprochen sinnvoll sein. Insbesondere wenn es darum geht, auch in schwierigen Zeiten Rabattgarantie zu erhalten und Flexibilität zu gewinnen. Dann kann eine Agentur wie unsere Werbeplätze auf eigene Rechnung kaufen und dem Kunden so das Risiko abzunehmen. Wir betreiben Trading immer kundenindividuell und vollständig transparent. Das sollte auch der Anspruch sein, denn in erster Linie definieren wir uns nicht als Händler, sondern als Berater.

In der Branche wird ja darüber über die Praxis diskutiert, Online-Media-Volumen einzukaufen und durch die "Veredelung" mit mit Zielgruppeninformationen teurer weiterzuverkaufen. Ist es in Deutschland schon möglich, die User so genau zu identifizieren; ist die Datenbasis dafür vorhanden?Prüsse: Deutschland ist da nicht vergleichbar mit den USA. Medienstruktur und Datenschutz werden hierzulande vollständig anders gehandhabt. Das Thema Qualitätsmedien wird in Deutschland viel höher aufgehängt als in den USA.

Spielt Targeting in Deutschland noch eine untergeordnete Rolle?Prüsse: Targeting ist im deutschen Markt durchaus schon ein relevantes Thema. Wir nutzen dafür unsere Audience-on-Demand-Plattform und mit AOS ein spezielles System zur Vermarkter übergreifenden Kontaktklassenoptimierung von Bewegtbildwerbung. Allgemein muss sich die hiesige Praxis im Targeting aber noch an die Strukturen des deutschen Marktes anpassen, etwa in puncto Datenschutz. Es mangelt noch an Marktstandards. Die Werbekunden sind aus dem TV verwöhnt, weil sie dort eine hohe Datensicherheit gewohnt sind - im Online-Bereich verwässert vieles. Deshalb muss hier in die Qualität der Daten noch weiter investiert werden.

Was wird bei Vivaki im Jahr 2012 geschehen?Prüsse: Insbesondere Online-Werbung wird immer stärker von Technologien getrieben. Deshalb werden wir auch das Vivaki Nerve Center in Deutschland deutlich stärker ausbauen. Ein Teil des Geschäfts wird künftig über Realtime-Bidding-Plattformen und DSPs abgewickelt. Wir werden investieren und weitere kompetitive Produkte und Tools entwickeln, die unseren Kunden einen Wettbewerbsvorsprung sichern.

[k](Das Gespräch führte Roland Eisenbrand)[/k]

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