03.06.2011 - Der Autor hat´s gut. Weiß er nicht, was schreiben, schließt er das leere Dokument einfach wieder. Der Firmenchef hingegen ist arm dran. Er herrscht über endlos Fläche, die sich nicht einfach so zum Verschwinden bringen lässt; Firmengebäude, Fahrzeuge, Verpackungen, und überall muss etwas hingeschrieben werden - ein Freiraum-Beitrag von Thomas Meyer, Texter und Inhaber der Zürcher Werbeagentur Meyer Werbung.
Die Ergebnisse klingen zwar professionell, sagen aber nichts aus. Beliebt sind Formulierungen wie "maßgeschneiderte Lösungen", "individuell wie Sie" und "kundenorientierte Strategie". Auch der emotionale Imperativ ist ein populäres Werkzeug: "Technik, die begeistert", rufen einem die Kleinbetriebe im Chor von ihren Lieferwagen zu, als löste diese Aussage oder gar die Sanitärinstallation, auf welche sie sich bezieht, tatsächliche Begeisterung aus.
Auch die Schweizer Post war ratlos: "Zur richtigen Zeit am richtigen Ort" steht auf ihren Lastwagen. Das ist wohl löblich, aber die Post sollte schon in der Lage sein, die ihr anvertrauten Gegenstände an jener Adresse abzuliefern, mit der sie etikettiert sind. Oder würden Sie sich einem Spital anvertrauen, das sich damit rühmt, steriles Besteck zu benutzen?
Dabei sind das noch kleine Ärgernisse. Weitaus verstörender sind die Springfluten an Belanglosigkeiten, welche Unternehmen ihren Kunden auf Websites und in Prospekten zumuten. Da wütet eine Geschwätzigkeit von grauenvoller Banalität; kleinstgedruckt und in astronomische Länge gezerrt, weil die Firmenkommunikation tödlich daran krankt, dass sie jeweils von mindestens fünf Personen verantwortet wird, die sich der Reihe nach dazu berufen fühlen, immer wieder einen neuen Aspekt herauszustreichen.
Nirgendwo sind Texte liebloser und stümperhafter geschrieben als in dieser Sparte, was nur teilweise darauf zurückzuführen ist, dass viele Leute, die für ihre Texte Geld bekommen, eigentlich Schläge kassieren müssten. Das Problem liegt vielmehr darin, dass Unternehmen oft von Menschen geführt werden, die keine Ahnung haben, was sie über ihre Firma sagen könnten, und dann eben von anderen abschreiben, die wiederum denselben Kampf mit sich ausfechten - eine Technik, die begeistert.
Und als wäre das alles nicht arg genug, werden diese Nullbotschaften konsequent mit Bildern
lachender Menschen versehen, was ebenfalls überhaupt keine Aussage darstellt, im Verbund jedoch wie ein Kommunikationskonzept wirkt oder wenigstens von einer schamlosen Agentur als solches verkauft worden ist.
Dennoch sind die meisten Unternehmen unglaublich stolz auf den Qualm, den sie verbreiten: Darauf hingewiesen, dass sie einem mit ihren Texten nichts Wissenswertes erzählen, reagieren sie durchwegs beleidigt und verweisen auf die "vielen positiven Reaktionen, die wir auf unsere Werbung erhalten", was das Entsetzen schlagartig verdoppelt, denn offenbar kann das Volk schlechte Schriften nicht von guten unterscheiden und auch nicht kluge Reklame von bescheuerter.
Das ist aus zwei Gründen kein Wunder: Erstens ist die Wahrnehmung der Menschen bei dieser Masse an Werbebotschaften längst völlig abgewetzt, und zweitens leben wir in einer Kultur, in welcher das Mittelmaß mangels echter Qualität gern zur Spitzenklasse emporgejubelt wird. Und das ist das Traurigste an dieser Angelegenheit: Egal, wie schlecht ein Text sein mag - es findet sich immer einer, der ihn richtig, richtig gut findet.
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