26.11.2009 - Heute rief mich der Telefonvertrieb einer renommierten, seit kurzem im modernen Tabloid-Format erhältlichen Wirtschaftszeitung an, um meine Zufriedenheit mit dem Testabo abzufragen und höflich ein Neuabo anzutragen. Ich verneinte. Auf die Frage nach den Gründen, wurde ihr schnell klar, dass sie diese Frage jedem Unbeteiligten stellen darf, nicht aber mir. Und so geriet ich ein weiteres Mal ins Philosophieren, in welcher Form Inhalte die Zahlung eines regelmäßigen Beitrags rechtfertigen.
Sie war nicht die Erste, der ich mein Leid geklagt hatte. Nachdem in den letzten Wochen vor allem drei Nachrichten aus der großen, weiten Welt der Verleger reichlich Medienrauschen verursacht hatten, fühlte ich mich bemüßigt ebenso fieberhaft wie erfolglos nach der Nummer der Telefonseelsorge zu fahnden, die ich für den Fall, mal wieder meine Idealvorstellung von kostenpflichtigen, redaktionellen Inhalten zu thematisieren, griffbereit glaubte. Hätte ich wie der Urheber der drei Nachrichtenanlässe, Rupert Murdoch
, Einfluss auf geschätzte zwei Prozent aller global vertriebenen Medien, hätte ich darauf wie auch auf diesen Beitrag getrost verzichten können.
Die missglückte Premiere Generalprobe
Da war zunächst die Ankündigung des 78-jährigen, ständigen Unruheherds, der in Deutschland vor allem wegen seiner verzweifelten Rettungsversuche des Bezahlangebots Premiere Sky bekannt ist, sein Nachrichtenangebot im Internet künftig nicht mehr kostenfrei
zur Verfügung zu stellen. Nun ist Murdoch nicht gerade als Leisetreter seiner Zunft bekannt. Auch die Tatsache, dass diese Ankündigung bei einer Pressekonferenz gemacht wurde, die dem Medienmilliardär die Präsentation einer katastrophalen Bilanz
abverlangte, ließen zunächst durchaus Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens aufkommen. Zumal viele Experten sogenannten Paid Content im Nachrichtengeschäft für schlicht unmöglich halten, solange sich nicht alle Verleger
an einem solchen Modell beteiligen. Nur: Rein werbefinanzierte Nachrichteninhalte haben es mindestens genauso schwer. Das belegt das baldige Ende der Netzeitung
, die nicht - wie die Online-Ableger der Printprodukte - durch Erlöse aus anderen Medienkanälen subventioniert wird. Dass es für den Niedergang noch andere Gründe
gibt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Festzuhalten bleibt zunächst einmal, dass Werbeerlöse allein nicht ausreichen
, um ein "einfaches" Nachrichtenangebot im Web betreiben zu können.
Feindbild Google: Nicht einmal ignorieren...
Es folgte nur wenige Wochen später die Ankündigung
des australischen Medienmoguls, Google aussperren zu wollen. Anders formuliert: Die Nachrichtenwebseiten für Google nicht mehr auffindbar zu machen und die direkten Links so aus dem Suchindex der mit Abstand beliebtesten Suchmaschine zu entfernen. Wäre Murdoch Politiker, würde man ihm an dieser Stelle wohl blanken Populismus unterstellen. In jedem Fall aber dürften beide Ansagen wie eine Adrenalinspritze auf Verlegerherzen alten Schlages
(man beachte bitte den wunderbaren Wortwitz) gewirkt haben. Das ganze roch nach einer Qualitätsoffensive, bei der unglücklicherweise das Nachrichtenangebot selbst außen vor geblieben ist, denn eine Ankündigung, zusätzliche, multimedia-affine Journalisten einstellen zu wollen, gab es nicht oder ist unbemerkt an mir vorbeigerauscht. Experten
wie Jeff Jarvis äußerten dementsprechend ihr Unverständnis
.
Verleger-Bing(o)
Seine dritte Ankündigung
, gemeinsame Sache mit Microsoft, genauer: mit Microsofts Suchmaschine Bing, machen zu wollen, ist gemäß Murdochschem Weltbild die logische Folge. Denn auch Microsoft soll die Inhalte seiner Nachrichtenwebseiten nicht kostenlos bekommen. Und wer könnte für ein derartiges Ansinnen mehr Verständnis haben als der ebenso traditionelle wie proprietäre Softwareriese aus Redmond? Murdoch, dem Google wie vielen anderen Verlegern
auch ein echter Dorn im Auge ist, sieht hier offenbar die Chance, den Suchmaschinengiganten zu disziplinieren. Man darf es ihm durchaus anrechnen, dass er seinen eigenen Weg gewählt hat - ohne nach staatlicher Regulierung via Leistungsschutzrecht zu schreien. Allein: Er wird scheitern.
Google ohne Nachrichten? Wie soll das gehen?
Die Inhalte werden weiterhin bei Google zu finden sein - wenn auch "nur" indirekt und nur über einen zusätzlichen Klick erreichbar. Inhaltlich ist der Unterschied zwischen der Web-
, News-
und Blogsuche
bei Google bei den Suchbegriffen "Murdoch Google Microsoft" kaum spürbar. Natürlich kommentiert die Blogsphäre die Nachricht stärker, referenziert aber die gleichen Quellen, in der Regel Nachrichtensites. Mit der in wenigen Monaten verfügbaren "Social Search" wird die Google-Suche um den Faktor "persönliches Netzwerk" erweitert. Schon jetzt lassen Newsaggregatoren wie digg
oder Rivva
die User Nachrichtenquellen und -inhalte bewerten und stellen sie strukturiert zur Verfügung. Weder Google noch Bing sind hierfür wirklich nötig, wie auch das aktuelle
Projekt
der Huffington Post zeigt. Letztlich alles eine Frage der Konditionierung. Google hat sich den Internetnutzer auch binnen weniger Jahre "erzogen", was aber nicht heißt, dass Google unverzichtbar sein muss.
(Noch) kein Angebot fürs Geld
Hinzu kommt, dass Murdoch eine nicht wirklich nachvollziehbare Doppelstrategie gewählt hat, einerseits also den Leser zur Kasse zu bitten und andererseits auch gleich noch den Leserbeschaffer, in diesem Fall Microsofts Bing. Wie die Werbekunden darüber denken, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen. Denn beide Strategien dürften Reichweite kosten. Wie das kompensiert werden soll und auch wie das Nachrichtenangebot medien-, also internetgerecht aufbereitet werden soll - darüber lässt sich nichts Substanzielles finden. Aber genau das ist der Kern: Nachrichtenangebote können nur dann reüssieren
, wenn sie eine entsprechende Qualität haben, wenn sie unverwechselbar und nicht einen Klick entfernt kostenfrei
zu haben sind. Das weiß sogar der Konzerngeschäftsführer "Public Affairs" der Axel Springer AG und ehemalige Chefredakteur des Keeseblatts der Welt am Sonntag, Christoph Keese
. Die neue Konkurrenz heißt dann vielleicht nicht mehr Netzeitung, sondern ARD und ZDF - die nächsten "Opfer", auf die sich die Verleger hierzulande gerade einschießen (wo waren sie eigentlich, als die GEZ-Gebühr auf internetfähige (Firmen-)PCs und Handys ausgedehnt wurden?).
Mehr Angebote fürs Geld
Der Weg, mit Nachrichten Geld zu verdienen, führt nicht über Micropayments für (vorzugsweise rein textbasierte) Online-Beiträge oder mobil verfügbare Inhalte, die beide möglicherweise auch noch mit dem Printartikel des nächsten Tages identisch sind. Ich bin jedenfalls nicht bereit für derartige Angebote einfach, zweifach oder mehrfach zur Kasse gebeten zu werden. Ich würde mich vielleicht noch darauf einlassen, verschiedene Produkte eines Verlags, die sinnvoll und medienadäquat über verschiedene Kanäle zu einem raisonablen Gesamtpreis zur Verfügung gestellt werden, käuflich zu erwerben. Solange jedoch an tradierten Abo-Modellen festgehalten wird, sehe ich dafür unter normalen Umständen keine Chance. Solange die Möglichkeiten der interaktiven Medien nicht wirklich ausgeschöpft werden, sehe ich indes überhaupt keine Chance. Auch das neue elektronische Magazin (eMag)
der Welt am Sonntag
ist bei aller Ambitioniertheit halbherzig, wie Thomas Knüwer
zurecht anmerkt.
Noch mehr Angebote fürs Geld
Gesetzt den Fall, dass solche verlagstitelübergreifenden Multi-Channel-Abo-Angebote geschaffen würden - es würde (mir) kaum reichen. Der nächste Schritt muss aus meiner Sicht sein, journalistische Inhalte frei vom Proporzdenken der Verleger zusammenbauen zu können. Das Projekt niuu
zielt prinzipiell
in die richtige Richtung
, hat nur leider den entscheidenden Nachteil
, dass es sich bei den Inhalten um Nachrichten von gestern handelt - Online und Mobile fehlen hier komplett. Das Web auszudrucken (ein wenig erinnert die Qualität des Produktes daran) entspricht zudem eher der Attitüde mittelständischer Manager im Vorruhestand denn einer jüngeren Generation, die sich von Printangeboten mehr und mehr abwendet
.
Wider die Pauschalabgabe
Ein solches Abo-Modell würde den Verlegern natürlich abverlangen, sich über ein Verfahren, dass die Ausschüttungen regelt, zu verständigen. Unmöglich? Mitnichten! Was die Verteilung von Clippings in der PR-Branche angeht, so hat man für die verlegereigene Presse-Monitor Gesellschaft (PMG) schließlich auch eine Lösung finden können. Warum also sollte das nicht auch für die Mediennutzung selbst möglich sein? Hier schließe ich mich dem Weckruf von Werbeikone Bernd M. Michael an, den er unlängst an die Printszene gerichtet hat: "Quäl Dich, Du Sau*!"
Auch möchte ich Matthias Döpfner seine Worte
im Mund herumdrehen, denn nicht nur der Autor, vor allem der Verleger muss sich quälen, will er ökonomisch überleben. Und vor allem: Meide die Worte Leistungsschutzrecht
und Kulturflatrate
!
Wie geil ist das denn?
Zum Abschluss noch etwas Versöhnliches. Dieser wirklich unterhaltsame Clip, der bei einem Auftritt von Mitgliedern des Düsseldorfer "Kommödchens" anlässlich der "Print wirkt!"-Kampagne (man muss einfach nur ganz fest daran glauben;-) entstanden ist, zeigt nicht nur die bisher völlig unterschätzten und nahezu unerkannten Vorteile von Tageszeitungen, sondern sicher auch ein wenig die Distanz zwischen den digitalen Grabrednern auf der einen und den angestaubten Medienmachern auf der anderen Seite. Viel Spaß!
*Dieser Satz prangt als Titel auf der Autobiografie
des ehemaligen Radrennprofis Udo Bölts, der sich diesem Motto verschrieben hatte und damit nichts anderes sagt als, dass alles eine Frage des Willens ist. Vor allem diese Deutungsweise hat mich bewogen, diesen Spruch aufzugreifen.
Weitere interessante Meinungen zum Thema, die nicht im Beitrag verlinkt wurden, finden sich bei
- Horizont
- Björn Sievers (carta.info)
- DonAlphonso in der Blogbar
- ibusiness.de
Update, 4.12.2009: Inzwischen haben gleich zwei Microsoft Manager dementiert, Murdochs News Corp. Geld für die exklusive Verfügbarkeit von Inhalten zu bezahlen. Yus Mehdi (Senior Vice President für Online Audiences) betonte gar, dass man keinen Inhalteanbieter dafür bezahlen wolle, wenn er die Konkurrenz "aussperren" würde.
(Christoph Salzig)
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