20.11.2009 - Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als die Geschäfte um 18 Uhr schlossen? Klingt Ihnen noch der Aufschrei der Gewerkschaften im Ohr, als das Ladenschlussgesetz in Deutschland aufgeweicht wurde? Lang ist's her. Seit dem 1. November 1996 dürfen die Geschäfte in Deutschland werktags bis 20 Uhr und samstags bis 16 Uhr (seit 2003 ebenfalls bis 20 Uhr) öffnen. Das Datum fällt ungefähr in die Gründerzeit des kommerziellen Internets, womit ich dem deutschen Handel jedoch nicht etwa Weitsicht unterstellen möchte.
Eine passende Antwort auf den aufkeimenden E-Commerce hätte sicher anders ausgesehen. Denn letztlich spielt es gar keine so große Rolle, [k]wo [/k]gekauft wird, sondern vor allem [k]warum[/k]. Daher muss die Frage erlaubt sein, ob die Bedürfnisse der Kunden (im Web) von den Händlern richtig erkannt werden und - falls ja - warum nicht angemessen darauf eingegangen wird. Die Rede ist hier nicht von den großen Versandhändlern. Die Rede ist von den stationären Händlern, die Online scheuen wie der sprichwörtliche Beelzebub das Weihwasser. Vor allem weil sie ihre Kunden gefälligst im eigenen Laden sehen möchten. Auch ihnen muss klar sein: Der Ladenschluss wurde 1996 nicht aufgeweicht, er ist gefallen. Und zwar endgültig.
Suchmaschinen-Marketing - wie einfallsreich
13 Jahre und ein bisschen später kauft jeder fünfte Deutsche laut forsa Weihnachtsgeschenke im Internet, wofür nicht allein die Schweinegrippe ursächlich sein dürfte. Wer vor der verschlossenen Ladentür steht, geht ins Internet und besorgt sich dort, was er braucht. Umso wichtiger ist es, nah dran zu sein am Kunden. Das gilt insbesondere für die Vorbereitung von Kaufentscheidungen. Das Bewusstsein, wie Kaufentscheidungen im Web vorbereitet werden, scheint aber noch nicht wirklich geschärft. Immer noch pumpen Marken, Händler und Werbetreibende ihr Geld in Suchmaschinen-Marketing (SEM) und -Optimierung (SEO). Was auf der einen Seite einem regelrechten Wettrüsten gleicht (SEM), beruht auf der anderen Seite (SEO) vor allem auf dem Prinzip der Intransparenz - ganz gleich, was die "seriösen" Anbieter in diesem Segment an Argumenten anführen. Wäre es transparent, könnte Google als Suchmaschine die Pforten schließen... Sei's drum. Google ist nur sehr bedingt hilfreich, wenn es um Kaufentscheidungen geht. Aus Sicht der Händler ist Google vor allem eins: teuer! Die gewünschte Sichtbarkeit hat seinen stolzen Preis.
Suchmaschinen: Über Umwege zum Ziel
Aber wie ist das denn nun mit der Kaufentscheidung und dem vorherigen Abwägen? Hand aufs Herz: Wie ist das denn bei Ihnen? Wen fragen Sie, wenn Sie eine Anschaffung planen? Google? Produkt- oder Preissuchmaschinen? Wohl kaum. Ihre erste Anlaufstelle dürfte doch Ihr direktes Umfeld sein, also Arbeitskollegen, Freunde oder Verwandte. Zumindest mir geht es so. Und wenn man einschlägigen Untersuchungen
glauben darf, spielt die Bewertung und Meinung
von persönlich bekannten (und zu einem gewissen Grade sogar unbekannten
) Menschen
bei Neuanschaffungen
eine tragende Rolle. Daher fällt Google & Co. die Funktion eines Vehikels zu, um zu diesen Bewertungen, Meinungen und Kommentaren vorzudringen. Bei aller Konditionierung: Wirklich nötig ist dieser Umweg in Zeiten der Networks eigentlich nicht. Ein Tweet an die eigenen Follower mit der Bitte um kurze Einschätzungen und Tipps, eine Frage an das eigene Netzwerk bei Xing, Facebook, studi/mein/sonstwasVZ - das alles ist nichts anderes als die beiläufige Frage beim Bier im Freundeskreis oder beim Sonntagskaffee mit der Großfamilie. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der Adressatenkreis größer und so das Meinungsbild differenzierter und umfassender ist.
Sag' mir, wo die Händler sind...
Doch kommen wir nochmal auf den Zusammenhang zwischen stationärem Handel und Web zurück. Der ganz clevere Käufer hat inzwischen längst erkannt: Geht es um eine solide Beratung, so ist der Fachverkäufer immer noch ein guter Ansprechpartner, denn schließlich muss sich der eigene Freundes- und Verwandtenkreis nicht wirklich mit dem gewünschten Produkt auskennen. Da ist guter Rat gefragt! Gekauft wird - zum Frust der stationären Händler - dann beim günstigsten Anbieter im Internet. Preisbewusstsein 2.0. Wer hier etwas entgegensetzen möchte, der muss sich schon etwas einfallen lassen. Im Web. Tut er aber nicht. Von den meisten Händlern, die ich kenne und bei denen ich auch einkaufe, wenn ich es zu den Ladenzeiten noch über die Türschwelle schaffe, habe ich gerade einmal Web- und E-Mail-Adresse.
Zwischen Warteschleifenmusik und Kontaktformular
Ich wage darauf hinzuweisen, dass Kritik zu jedem Produkt dieser Erde überall im Web zu finden ist. Gleiches gilt für den schlechten Service bei Online-Händlern oder miese Beratungen und überteuerte Preise in stationären Geschäften. Jeder findet Meinungen, Kommentare und Bewertungen überall und immer im Web. Und das dank Facebook, Twitter und all der Plattformen, die mit Statusmeldungen und Dialogfunktionen arbeiten auch noch in Echtzeit. Warum, so frage ich mich, finde ich hier eigentlich niemanden, bei dem ich gelegentlich auch einkaufe - und zwar eben nicht online? Der Händler meines Vertrauens kann mir seine Empfehlungen gerne auch auf diesem Wege zukommen lassen - mit dem Effekt, dass es auch gleich noch ein paar andere - möglicherweise ebenfalls interessierte - Menschen mitbekommen. Ich will nicht eine E-Mail schicken, ein Formular ausfüllen müssen oder mich von der Warteschleife der Hotline hinhalten lassen. Übertragen Sie das Bild doch einmal in ein Geschäft. Auf die Frage nach einem Produkt wird einem gesagt "Schreiben Sie es auf, ich beschäftige mich später damit!" oder man bekommt einen Kopfhörer mit Warteschleifenmusik aufgesetzt...
Beratung ist aktiver Dialog
Natürlich ist klar, dass es nicht an sieben Tagen in der Woche eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung geben kann. Doch das erwarten die Kunden ja auch gar nicht. Aber Präsenz dort zu zeigen, wo sich die Kunden online aufhalten und Dialogfunktionen anzubieten, die auch einen wirklichen Dialog ermöglichen (und nicht in einen Call-Center am anderen Ende der Welt durchstellen), das ist eine Erwartung, die Kunden an eine gute Beratungs- und Serviceleistung stellen dürfen. Diesen Erwartungen durch eine gute Verzahnung von Offline-Verkauf und Online-Beratung gerecht zu werden (oder wie es Thomas Knüwer formuliert:das Tante-Emma-Gefühl zurückzubringen
), das ist eine der künftigen Herausforderungen für den stationären Handel.
(Christoph Salzig)
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