30.11.2009 - Der Handel über das Internet ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit insgesamt rund 15,4 Milliarden Euro erwirtschaftet der Versandhandel in diesem Jahr erstmals mehr als 50 Prozent (53,0 Prozent) seiner Erlöse übers Internet (siehe Seite 16). Kein Wunder, bietet doch das Netz dem Verbraucher große Vorteile: eine unendliche Vielfalt an Waren, jederzeit verfügbar und die Chance, sich die gewünschte Ware zum günstigsten Preis zu sichern.
Ein Nachteil gegenüber dem stationären Handel bleibt jedoch: Im Laden kann der Verbraucher die Ware anfassen und von allen Seiten begutachten. Im Internet fehlt ein Teil der sinnlichen Komponente des Kaufs. Onlineshop-Betreiber versuchen, diesen Makel durch ausführliche Produktpräsentationen wettzumachen. Denn: Das Auge kauft mit. Laut einer Studie des Stuttgarter E-Business-Dienstleisters Digital Media Center (DMC) sind die Bilder und Informationen zu den Produkten für die Verbraucher das "A und O" beim Kauf im Onlineshop. Bei einer exemplarischen Untersuchung des Segments Weiße Ware nannten 83,3 Prozent der Befragten umfangreiche Produktbeschreibungen und 71,2 Prozent das Produktbild als entscheidend für ihren Kauf. Im Modebereich lag das Produktbild mit 75,2 Prozent bei den entscheidenden Kriterien sogar ganz vorn.
Die Onlineshop-Betreiber reagieren und entwickeln immer raffiniertere Methoden, um den Verbrauchern ihre Sortimente nahezubringen: optisch ansprechende Storefronts, ausgefeilte Produktfotografie und -inszenierung mit Fotos und Videos und Verkaufserfahrungen, die nahe am Kauf im Laden liegen sollen.
Besonders großen Aufwand betreibt der Shopping Club Vente-Privée in der Darstellung seiner Waren. Der Händler verkauft Restposten von Markenkleidung über eine Art Club, für den die Nutzer sich registrieren müssen. Firmenchef Jacques-Antoine Granjon, gerade von der Beratungsfirma Booz & Co. zu einem der drei Marketingmanager des Jahres gekürt, versteht sich als Dienstleister für die Markenhersteller. Damit deren Image kein Schaden nehme, verkauft er die Vorsaisonware für Suchmaschinen unauffindbar hinter verschlossenen Türen, zeitlich limitiert und markengerecht inszeniert. Vor dem Verkauf einer Kollektion werden die Produkte mit aufwändigen Filmtrailern und Bildern angekündigt. 18 Fotostudios, fünf Video- und fünf Tonstudios betreibt das in allen großen europäischen Märkten tätige Unternehmen dafür. Isabell Schell, PR-Manager Europe von Vente-Privée, kündigt die Eröffnung weiterer 30 Studios für die nahe Zukunft an. "Die Produktpräsentation ist ein entscheidendes Kriterium in unserer Unternehmensphilosophie", sagt Schell. Im Sommer hat die Firma ihre Website überarbeitet. Als die wichtigste Neuerung nennt Granjon ganz simpel: "Wir zeigen mehr und größere Fotos, die die Produkte noch besser zur Geltung bringen." Das Rezept ist erfolgreich: Im Jahr 2008 erzielte das Unternehmen nach eigenen Angaben insgesamt 510 Millionen Euro Umsatz, davon 21 Millionen Euro in Deutschland.
[f1]Der Versandhandelsriese Otto experimentiert mit neuen Arten der Produktfotografie: Das Otto-Fotostudio verfügt über einen so genannten Matrix-Ring, auf dem bis zu 36 Kameras installiert sind, die ein Produkt von allen Seiten aufnehmen können. Die Technik ermöglicht ähnlich wie im gleichnamigen Hollywood-Blockbuster eine 360-Grad-Darstellung ohne optische Sprünge. Der Verbraucher kann sich ein so aufgenommenes Produkt also von allen Seiten und mit einer Zoomstufe bis zu 400 Prozent ansehen. Das ist nicht die einzige Innovation des Studios: Die Produktion eines so genannten Catwalk-Clips macht die Darstellung von Mode in Bewegung und von allen Seiten möglich. Nicht nur Otto und zu dem Konzern gehörende Unternehmen wie Sport Scheck greifen auf solche Techniken zu. Zuletzt hat das Studio eine neue Kollektion von Fankleidung des FC St. Pauli für dessen Onlineshop in Szene gesetzt.
Aber auch kleinere Marktvertreter überzeugen mit originellen Ideen. Der kleine Verlag Hermann Schmitz Mainz bietet im Web Bücher zu Typografie und Grafikdesign an. Damit die bibliophil gestalteten Werke nicht hinter einer Standard-Shop-Oberfläche verkümmern, werden die Cover der Neuerscheinungen gleich auf der Startseite präsentiert. Besuchern von Typografie.de präsentiert sich dort eine Art virtueller Schmökertisch, der zum Stöbern anregen soll. Die Agentur Mediaman erhielt für die Entwicklung des Shops eine Nominierung für den Deutschen Multimedia Award. Zudem habe sich die Anzahl der Bestellungen seit dem Relaunch mehr als verdoppelt, so die Verleger.
Das Unternehmen Freitag stellt Taschen aus alten Lkw-Planen her. "Das Konzept unseres Onlineshops leitet sich vom Verhalten unserer Kunden in den physischen Shops ab", erklärt Marketingmanager Olivier Perruchoud: "Wir haben beobachtet, dass die Kunden als Erstes die ganze Produktpalette betrachten (= Shop-entry auf Freitag.ch), dann wählen die Kunden eine Familie aus (= Klick auf ein Shopentry-Bild), dann wählen sie ein konkretes Produkt (5 x 5-Ansicht). Die Kunden schauen sich die verschiedenen Farben und Designs eines Taschenmodells an und legen die schönsten Taschen auf die Seite (= Meine Favoriten), anschließend werden die Taschen nebeneinander ausgelegt (= Compare-Funktion), und Freunde werden um Rat gefragt (= Tell a friend). Die Kunden eliminieren so Schritt für Schritt einzelne Taschen, damit am Schluss nur noch eine Tasche übrig ist." Außerdem sehen die Surfer online wie im Laden, ob sich jemand anders für das gleiche Produkt interessiert, wodurch ein gewisser Kaufdruck entsteht. Nicht weiter erstaunlich also, dass Freitag nach Angaben des verantwortlichen Dienstleisters Hybris seinen Online-Umsatz mit dem neuen Shop um 65 Prozent erhöhen konnte. Außerdem wurden 70 Prozent weniger Rücksendungen verzeichnet.
Weitet man den Blick auf den globalen E-Commerce, lassen sich natürlich noch innovativere Konzepte ausmachen. Das japanische Modelabel Uniqlo etwa, das auch online verkauft, stellt seine neue Kollektion in Form eines interaktiven Films vor. Auf einer Microsite laufen etwa 30 Models nonstop über einen kreuzförmigen Catwalk. Klickt der Nutzer eins der Modelle an, werden alle anderen Mannequins ausgeblendet, und das gewählte Model läuft allein weiter. Dazu gibt es Close-up-Aufnahmen, die Details des Outfits ebenso anzeigen wie genauere Infos über die Kleidung. Mit einem weiteren Klick wechselt der Film wieder zum Anfang.
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