09.06.2009 - Die Medien- und Agentur-Landschaft befindet sich zwar schon in einem Umwälzungsprozess, sieht aber noch tiefgreifenderen Veränderungen entgegen - das ist eines der Fazits des Deutschen Multimedia Kongresses (DMMK), der heute in Berlin zu Ende geht.
Besonders Amir Kassaei, Kreativchef der Multichannel-Agentur DDB und Vorstandssprecher des Kreativverbands Art Directors Club Germany (ADC), fand deutliche Worte. Laut Kassaei befindet sich die werbetreibende Wirtschaft in einer "Systemkrise": "Es hat sich eine Marketingblase gebildet, die bald platzen wird", so Kassaei in der zweiten Keynote des DMMK. Im Gespräch mit ONEtoONE spitzte Kassaei seine Ansicht auf die These "Wer braucht eigentlich noch Werbung?!" zu. Die Werbetreibenden würden die Konsumenten überladen und wollten lediglich Aufmerksamkeit ("Awareness") generieren. "Das ist, als ob man sich abends in einer Kneipe auf den Tisch stellt und permanent die Leute anschreit: `Ich bin der Tollste!`" Werbung nach diesem, alten Modell funktioniert nach Ansicht von Kassaei nicht mehr. "Awareness ist tot!", so Kassaei. Der Kreative verglich teure TV-Spots mit Zertifikaten der Investmentbank Lehman Brothers, die sich in der Wirtschaftskrise als wertlos heraus gestellt hatten.
Stattdessen müssten die Unternehmen den Verbrauchern Orientierung und Relevanz bieten: "Werbung funktioniert nur noch, wenn sie nicht als Werbung daher kommt." Interessanter und für den Verbraucher relevanter Content verbreite sich von selber. Wenn ein Produkt oder eine Marke nicht für die Kunden relevant sind, solle man sie verändern und nicht versuchen, diesen Missstand in und mit der Kommunikation zu kompensieren. Die Werbeagenturen müssten sich auf diese veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation einstellen und beispielsweise bei den Kunden in die Produktentwicklung mit eingebunden werden. "Wir machen das gerade für Reebok", so Kassaei, der wegen dieses Auftrags zurzeit stetig zwischen den Kontinenten hin und her pendelt. Licht am Horizont sieht der ADC-Sprecher für die Branche in der nahen Zukunft erst einmal nicht: "2010 wird das wahre Krisenjahr für die Agenturen", so Kassaei gegenüber ONEtoONE.
Vor Kassaeis Keynote hatte Arndt Groth, Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), den DMMK mit einer positiv gestimmten Ansprache eröffnet. Laut Groth gehe es der Online-Branche gut. Der Adconion-Manager ist sich sicher: "Die Digitale Wirtschaft geht als Gewinner aus der Krise hervor." Danach sprach Clay Shirky über Veränderungen in der Medienlandschaft. Im Internet sei erstmals Kommunikation von "Many to Many" möglich, so der US-Buchautor ("Here comes everybody"). Dort habe sich die Logik von "Wieso sollte man dies veröffentlichen?" zu "Wieso sollte man dies nicht veröffentlichen?" verändert.
Die aktuellen Veränderungsprozesse spiegelten sich auch in den Themen der anderen Panels des DMMK wider, in denen Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien Entwicklungen wie "Bewegtbild-Portale erobern das Internet", "Kampf um den Mobile Desktop - Wer holt die Pole Position?" und "Social Media - Der Einfluss der Konsumenten auf die Markenführung" diskutierten. Gleichzeitig präsentierte ein "Innovation Hub" den gesamten Tag über innovative Start-Up-Ideen. Der DMMK, der in diesem Jahr erstmals am neuen Veranstaltungsort E-Werk stattfand, war gut besucht. Der Veranstalter MFG Baden-Württemberg sprach von 800 ausgegebenen Tickets.
Als Höhepunkt des DMMK wird heute Abend der Deutsche Multimedia Award verliehen. In zehn Kategorien sind 51 Kampagnen für die "Oscars der Interactive-Branche" nominiert. Die DMMK-Besucher konnten sich mit einem eigens eingerichteten "Walk of Fame" auf großformatigen Touchscreen-Displays mit den nominierten Kampagnen vertraut machen. ONEtoONE wird direkt nach der Preisverleihung die Gewinner bekannt geben. Alle DMMA-Nominierten werden zudem im Jahrbuch Interaktive Trends 2009/2010 dokumentiert, das im ONEtoONE-Verlag J&S Dialog-Medien GmbH erscheint. (re)
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