Adresshandel - der große Verlierer

11.12.2008 - Rechtsanwalt Ralf Rösler hat für ONEtoONE die Auswirkungen der vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz zusammengefasst. Zu den größten Verlierern - das ist jetzt klar - zählt der Adresshandel. Die Inhaber von Kundendatenbanken bleiben weitgehend unangetastet. Eine Analyse, die auch für Nicht-Juristen verständlich ist.

Das Bundeskabinett hat am 10.12.2008 den Regierungsentwurf zur Änderung des BDSG beschlossen. Auf den ersten Blick hat sich an den bereits Anfang September auf dem Datenschutzgipfel verkündeten Eckpunkten nichts geändert: es gibt ein generelles Werbe-Opt-In mit Abschaffung des Listenprivilegs, ein Kopplungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen, eine Erweiterung der Bußgeldtatbestände mit Möglichkeit der Gewinnabschöpfung und die Schaffung eines Auditgesetzes.

Auf den zweiten Blick bemerkt man aber: die Inhaber von Kundendatenbanken bleiben im wesentlichen unangetastet, die Grundlagen des selbständigen Adresshandels werden dagegen empfindlich getroffen. Der Adresshandel soll grundsätzlich nur noch mit auf Einwilligung gegründeten Datenbeständen erfolgen. Allein in Teilbereichen wird er weiterhin als notwendiges Übel vom Gesetzgeber geduldet, etwa bei der Spendenwerbung.

Das vom DDV verfolgte Datenschutzsiegel kommt - allerdings auf freiwilliger Basis, im Rahmen eines permanenten Kontrollprozesses (wie beim Bio-Siegel) und ohne dass damit rechtliche Vorteile verbunden wären. Der werbewirksame Einsatz des Auditsiegels dürfte zumindest Vorteile im Wettbewerb bringen. Auditverfahren sollen ab dem 01.07.2010 durchgeführt werden.

Der betriebliche Datenschutzbeauftragte wird durch den Gesetzentwurf erheblich aufgewertet. Er erhält den Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds. Das gilt allerdings nur, sofern eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung besteht (also mindestens 10 Mitarbeiter automatisiert Daten verarbeiten oder Adresshandel betrieben wird). Die verantwortliche Stelle muss ihren Datenschutzbeauftragten an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen lassen und die Kosten hierfür übernehmen.

Das Listenprivileg (§ 28 (3) 1 Nr. 3 BDSG) wird zwar gestrichen, die Listendaten finden sich im Rahmen der Erlaubnistatbestände (§ 28 (3) BDSG-E) aber weiterhin. Neu geschaffen wird so ein "Listendatenprivileg": fehlt eine Einwilligung in die Datennutzung für Zwecke des Adresshandels, der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung, so ist doch eine Bewerbung eigener Angebote, Werbung gegenüber Freiberuflern und gewerblich tätigen Personen an deren Geschäftsadresse sowie Spendenwerbung gestattet, wenn dafür Listendaten verarbeitet und genutzt werden. Wie bisher sind das ein gemeinsames Listenmerkmal, die Berufs-/ Branchen-/ Geschäftsbezeichnung, der Name, Titel und akademische Grad, die Anschrift und das Geburtsjahr des Betroffenen. In allen Fällen dürfen keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Diese Korrekturmöglichkeit im Einzelfall bleibt also bestehen, das sah im Referentenentwurf noch anders aus.

Die verantwortliche Stelle darf für ihr Werbescoring andere legal erhobene Daten hinzuspeichern und als Selektionskriterien nutzen. Bei der Eigenwerbung mit eigenen Kundendaten ist aber zu beachten, dass nur die unmittelbar beim Betroffenen erhobenen Adressdaten hierfür verwendet werden dürfen. Es ist zwar weiterhin möglich, dass ein Unternehmen bei Begründung eines Schuldverhältnisses etwa den Namen und die Emailadresse beim Betroffenen erhebt und später dessen Anschrift aus einer allgemein zugänglichen Quelle hinzuspeichert. Der Betroffene darf dann aber unter dieser Anschrift nicht für eigene Werbezwecke angeschrieben werden.

Zum Zwecke der Geschäftswerbung gegenüber Freiberuflern und gewerblich tätigen Personen sowie der Spendenwerbung gemeinnütziger Organisationen, Kirchen und Parteien bleibt ein Ankauf von Listendaten erlaubt.

Die Beilage fremder Werbung zu eigenen Katalogen, Paketen und Werbesendungen (Beipackwerbung) ist weiterhin möglich.

Ansonsten soll eine werbliche Nutzung personenbezogener Daten nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen gestattet sein. Diese kann schriftlich oder elektronisch erklärt werden, sie kann nach den Umständen auch in anderer Form erfolgen, bedarf dann aber der schriftlichen Gegenbestätigung. Eine zusammen mit anderen Erklärungen erteilte Einwilligung muss durch Ankreuzen, eine gesonderte Unterschrift oder ein anderes, ausschließlich auf eine Werbeeinwilligung bezogenes, Tun erfolgen.

Der Vertragsschluss darf nicht von der Einwilligung in eine Werbenutzung der Kundendaten abhängig gemacht werden (Koppelungsverbot), wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist. Sollten sich die marktbeteiligten Unternehmen, welche jeweils keine marktbeherrschende Stellung besitzen, absprechen und damit für den Betroffenen marktweit kein Zugang ohne Einwilligung möglich sein, greift das Kopplungsverbot. Diese Regelung gilt jetzt auch für Telemedienanbieter, zudem wird das TKG entsprechend angepasst.

Der Gesetzgeber lehnt es in der Begründung ausdrücklich ab, Hilfestellung bei Abfassung einer gerichtsfesten Einwilligungserklärung der Betroffenen in eine Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten für fremde Werbezwecke zu leisten. Es bleibt abzuwarten, ob die zu den Sonderwerbeformen (Telefon, Email etc.) ergangene restriktive Rechtsprechung, wonach jede in Formularverträgen enthaltene Weitergabeklausel unwirksam ist, welche die Empfänger nicht genau bezeichnet oder für den Betroffenen nicht zumindest bestimmbar macht, auf den Bereich der Briefwerbung übertragen wird.

Der Bußgeldrahmen wird erweitert und mehrere Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen das Datenschutzrecht neu geschaffen, etwa für eine unzureichend erteilte Auftragsdatenverarbeitung. Outsourcingverträge sind daher zukünftig noch genauer zu prüfen. Eigentlich nicht neu ist die Möglichkeit zur Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne aus einer gesetzwidrigen Datenverwendung, denn das hätte bereits nach § 17 (4) OWiG erfolgen können. Das OWiG ist auf alle Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht anwendbar, also auch auf solche nach dem BDSG.

Im BDSG, TMG und TKG werden Informationspflichten bei Datenpannen geschaffen. Die Benachrichtigung der Betroffenen darf in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht gegen den Benachrichtigungspflichtigen verwendet werden.

Das Gesetz soll zum 01.07.2009 in Kraft treten, die Übergangszeit für bis dahin erhobene Daten immerhin drei Jahre betragen. Eine Übergangsregelung ist allerdings nur für § 28 BDSG in der geltenden Fassung vorgesehen. Müssen Adresshändler im Rahmen des für sie geltenden § 29 BDSG also bereits ab Inkrafttreten des Gesetzes die neuen Anforderungen beachten? Nein, da in § 28 (3) BDSG-E erstmals auch der Adresshandel erwähnt wird, dürfte es sich nur um ein Redaktionsversehen handeln.

Ralf Rösler

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