24.11.2008 - Seit wenigen Tagen ist es amtlich: Erstmals seit fünf Jahren befindet sich die deutsche Wirtschaft wieder in der Rezession.
Investitionen liegen auf Eis. Das gilt auch für einen Großteil der Dialogmarketing-Branche. Dennoch gibt es sie: Unternehmen, die sich - wenn auch manchmal nur in Teilbereichen - antizyklisch verhalten.
Zum Beispiel der Druck- und Mailing-Dienstleister Wirtz im nordrhein-westfälischen Datteln. Die Geschäftsführer Vinzenz und Jürgen Schmidt wollen die Fläche ihres Druckhauses nahezu verdoppeln. Baubeginn ist Anfang 2009. Investitionssumme: 2,5 Millionen Euro. Interessanterweise kommt bei Wirtz das Neugeschäft fast ausschließlich über Mailings.
Oder die Hamburger Interactive-Agentur Sinner Schrader. Matthias Schrader geht fürs nächste Jahr von einem zweistelligen Wachstum aus und sucht händeringend neue Leute.
Nicht zu vergessen der international operierende Otto-Konzern. Auf Initiative des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. Rainer Hillebrand hat die Otto Group die Beteiligungsgesellschaft E-Venture Capital Partners gegründet. Die zur Verfügung stehende Investitionssumme: ein mittlerer zweistelliger Millionen-Euro-Betrag.
"Den antizyklischen Einstieg von E-Venture Capital Partners genau dann, wenn die Banken nicht mehr finanzieren können oder wollen, sehen wir als große Chance", sagt Hillebrand. "Wir treiben den Innovationsprozess auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig und mit großem Nachdruck voran."
Neben internen Initiativen für Neu- und Weiterentwicklungen im operativen Geschäft der einzelnen Unternehmen fördere die Otto Group Innovationen unter anderem durch strategische Beteiligungen oder Joint Ventures: zum Beispiel das Joint Venture Phi-T zum Prognoseverfahren zum Artikelabsatz auf Basis künstlicher neuronaler Netze. Otto testet ferner die konzerninterne Gründung eigenständiger Start-ups wie Smatch.com. Investiert wird auch über Kapitalbeteiligungen in unterschiedlichen Unternehmensphasen, wie zum Beispiel die Frühphasenbeteiligung bei Mytoys.de.
Der Otto-Konzern unternimmt all dies nicht uneigennützig. "Über E-Venture Capital Partners soll vor allem ein Screening erfolgversprechender E-Business-Geschäftsmodelle erfolgen", betont Hillebrand. Wie alle Unternehmen der Branche stünde die Otto Group angesichts der massiven Marktveränderungen vor der Herausforderung, die Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln bzw. neue Marktpotenziale zu erschließen. Was im Umkehrschluss allerdings auch bedeuten kann, dass einzelne (nicht digitale) Unternehmensbereiche - wie aktuell die Hermes Warehousing Solutions - auf den Prüfstand gestellt werden.
Um das digitale Geschäft geht es naturgemäß auch Sinner Schrader. Agenturchef Schrader erwartet zwar wegen der Finanzkrise einen starken generellen Abschwung in den nächs-ten zwölf Monaten. "Für den eigenen Sektor sind wir aber überhaupt nicht pessimis tisch." Das Internet gewinne weiter an Bedeutung, und die dort angesiedelten Budgets würden größer. Klassische Anzeigen und TV-Spots würden zurückgefahren, hat Schrader beobachtet: "Im Online-Bereich ist das nicht der Fall, weil das dort teilweise auch als Vertriebsbudget verbucht wird." Gespräche mit Agenturkunden hätten ergeben, dass die Ausrichtung auf das Direktgeschäft ungebrochen bleibe. Das Web als Vertriebskanal werde wichtiger und bleibe somit Wachstumstreiber. Schrader: "Das Internet könnte Krisengewinner werden."
Die Gebrüder Schmidt hingegen mögen es lieber klassisch. Mit ihrer Erweiterung des Druckzentrums in Datteln auf 2.500 Quadratmeter reagiert der mittelständische Dienstleister Wirtz auf den wachsenden Bedarf in der Mailing-Produktion. "Wir spüren, dass effiziente Werbung weiter wächst", sagt Vinzenz Schmidt. "Und wir wissen, dass genug Bedarf im Markt vorhanden ist." Nach Auskunft von Jürgen Schmidt hat Wirtz 2007 mit Mailing-Aufträgen erstmals mehr umgesetzt als mit anderen Druckaufträgen. Jürgen Schmidt: "Dieses Jahr dürfte der Umsatzanteil der Mailings bei 60 Prozent liegen." Und Bruder Vinzenz ergänzt: "Bei all unseren Neugeschäften geht es inzwischen um Mailings."
Die Fokussierung macht sich für Wirtz offenbar bezahlt. Zu ihren Kunden zählen die Gebrüder Schmidt nach eigenen Angaben Unternehmen wie Tui, Hipp und die Deutsche Post. Und erst vor wenigen Tagen ist Wirtz von der Fachzeitschrift "Druck & Medien" zum Directmail-Drucker des Jahres gewählt worden. Die beiden Brüder erwecken den Eindruck, als könne sie die Rezession auch im nächsten Jahr nicht schrecken. "Nun", sagt Jürgen Schmidt, "wir haben keine Angst vor der Rezession. Aber wir begegnen ihr mit Respekt."
Martin Teschke und Roland Eisenbrand
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de