31.03.2008 - Mehr als zehn Jahre nach dem Start des Teleshoppings in Deutschland steckt das Format offenbar in einer Flaute.
Haben sich die zum Teil skurrilen Verkaufsshows aus dem Flimmerkasten überlebt? Die Branche widerspricht zwar energisch: Teleshopping sei weiter auf Wachstumskurs. Die Zahlen deuten jedoch auf einen anderen Sachverhalt hin.
Mit Ausnahme der Arcandor-Tochter HSE24 müssen die Großen der Branche kämpfen. Marktführer QVC hat im vergangenen Jahr einen Rückgang bei Umsatz und Gewinn hinnehmen müssen. Der Umsatz lag mit 634 Millionen Euro rund 6 Prozent unter dem des Vorjahres; der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) rutschte um 21 Prozent auf 103 Millionen Euro - was aber immer noch einer zweistelligen Umsatzrendite entspricht. Zweites Beispiel: Der Bertelsmann-Konzern sucht für seinen Verlustbringer RTL-Shop einen Käufer. RTL sei kein Handelsunternehmen, heißt es aus dem Konzern, deshalb sei ein Rückzug aus dem Einkaufsfernsehen strategisch richtig. Und 1-2-3-TV, der Auktionssender aus München, hat es trotz wiederholter Ankündigung auch 2007 nicht geschafft, schwarze Zahlen zu schreiben. Nun fangen die ersten Teleshopping-Sender an umzusteuern.
QVC ist über zehn Jahre lang sehr schnell gewachsen. Ein solches Wachstum lässt sich nicht uneingeschränkt fortsetzen", räumt CEO Dr. Ulrich Flatten ein. QVC habe sich deshalb im zurückliegenden Jahr bewusst auf den Ausbau der Infrastrukturen und Serviceeinheiten konzentriert, um die Basis für weiteres Wachstum zu legen. "Parallel dazu wurden wir im vergangenen Jahr vom Ablauf des Lebenszyklus` einiger Produkte getroffen", sagt Flatten. "Dies ist ein normaler Vorgang im Teleshopping, der nicht exakt planbar ist."
QVC will gegensteuern. "Unser Fokus liegt in einer Stärkung unseres Produktsortiments durch neue Eigen- und Fremdmarken in allen Bereichen", kündigt der CEO an. Und: "Für die optimale Präsentation von Mode steht uns nach dem Umbau der Studios nun ein Laufsteg zur Verfügung." Daneben setze QVC auf Event-Programme wie den Mode-Trend-Event Anfang März. QVC präsentierte die Ware in einer Modenschau auf der Messe Düsseldorf zugleich den Kunden vor Ort und live on air.
Auch 1-2-3-TV justiert nach. "Wir wollten in der Tat schon im vergangenen Jahr schwarze Zahlen schreiben", sagt 1-2-3-TV-Gründer Dr. Andreas Büchelhofer. "Die Ursachen dafür sind schnell erzählt: Zum einen wurde unser ProSieben-Auktionsfenster nicht fortgesetzt. Und wie Sie wissen, hat Premiere 14,4 Prozent der Anteile von 1-2-3-TV übernommen." Dies habe der Sender zur Erhöhung der Reichweite genutzt und sechs Millionen Euro ins Marketing investiert. Zwei Drittel der Kosten gingen in Direct-Mail-Aktionen. 1-2-3-TV hat im vergangenen Jahr zweimal jeweils 1,7 Millionen Haushalte angeschrieben. Hinzu kamen TV-Spots im Premiere-Umfeld. Büchelhofer: "Dieses Jahr werden wir die Marketingaufwendungen extrem zurückfahren und erstmals schwarze Zahlen schreiben."
Grund für den Optimismus: "Der Fernsehkonsum wächst nach wie vor. Und das hängt nicht zuletzt mit der Digitalisierung zusammen", meint Büchelhofer. Die Zukunft liege im Zusammenwachsen von TV und Web. Der Bewegtbildtrend habe gerade erst begonnen. 1-2-3-TV hat 2007 etwa 15 bis 20 Prozent des Umsatzes über das Internet generiert; dieses Jahr sollen es bis zu 25 Prozent werden.
Richard Reitzner, Chef des profitablen Senders HSE24, sieht das ähnlich. "Der Teleshoppingmarkt birgt nach wie vor Potenzial für Wachstum im mindestens einstelligen Prozentbereich", sagt Reitzner. Nicht zu vernachlässigen seien die neuen Spezialanbieter, die in den vergangenen Jahren durch die fortschreitende Digitalisierung hinzugekommen seien. Auch sie fänden mit ihrem Nischenprogramm ihre Kunden und bereicherten den Teleshoppingmarkt.Wie lange noch? Dr. André Wiegand, zweiter Geschäftsführer des Marktforschers Goldmedia, ist wie Reitzner der Meinung, dass Teleshopping in den nächsten Jahren Wachstumspotenzial habe. Er sieht die Möglichkeiten aber zeitlich begrenzt. Nachteilig für Deutschland sei der Free-TV-Markt, der das Entstehen neuer Sender behindere. In Großbritannien, das über einen funktionierenden Pay-TV-Markt verfüge, gebe es beispielsweise rund 40 Shopping-Kanäle.
Goldmedia sieht die Zukunft im E-Commerce-TV, also in der Verbindung von Fernsehen und Internet. Durch den Einsatz von Bewegtbild im E-Commerce könnten alle Player in den nächsten fünf Jahren 1,5 Milliarden Euro mehr Umsatz generieren.
Mit klassischem Teleshopping hat das allerdings nicht mehr viel zu tun. Bezeichnend ist vielleicht, was der Otto-Konzern zum Teleshopping meint. In der Wirtschaftspresse wird Otto hin und wieder als möglicher Käufer des RTL-Shops gehandelt. "Die Otto Group setzt strategisch auf die Chancen, die sich durch das interaktive Teleshopping ergeben", sagt Kommunikationsdirektor Thomas Voigt. Klassisches Teleshopping werde von manchen Firmen der Otto Group zwar als Marketing- und Vertriebstool genutzt, der Konzern werde aber in dieses Geschäftsfeld auf absehbare Zeit nicht investieren. "Aus diesem Grund entbehren Gerüchte, die Otto Group wolle sich an RTL-Shop beteiligen oder diesen übernehmen, jeder Grundlage."
Martin Teschke
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