Kampagnen, Konkurrenzkampf und chaotische Politik

30.07.2007 - Die Postliberalisierung gilt zwar als sicher, aber um die Bedingungen wird heftig gerungen.

Die Deutsche Post gibt sich so selbstbewusst und offensiv wie selten zuvor. "Die Pins und TNTs dieser Welt müssen erst einmal beweisen, dass das, was sie ankündigen, auch funktioniert", sagt Ingo Bohlken, Mitglied des Bereichsvorstands Brief und dort verantwortlich für das Marketing. Die Deutsche Post demonstriert dieser Tage nur allzu gern, dass sie nicht bereit ist, sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Sie investiert allein in diesem Jahr bis zu 20 Millionen Euro in eine bislang beispiellose Imagekampagne, die bis 2010 laufen soll.

Hintergrund ist der für Ende dieses Jahres geplante Wegfall des Restmonopols auf die Beförderung von Briefen bis 50 Gramm. Ein Markt, der es in sich hat. Allein im Monopolbereich des deutschen Briefmarktes sind 2006 nach Angaben der Bundesnetzagentur 4,9 Milliarden Euro umgesetzt worden. Insgesamt umfasst der deutsche Briefmarkt knapp zehn Milliarden Euro.Das weckt natürlich Begehrlichkeiten.

Wenn man sich anschaut, was die Wettbewerber im Zusammenhang mit der Liberalisierung alles auf die Beine stellen, wird auch klar, welche Motive die Deutsche Post mit ihrer Imageoffensive verfolgt. Ein TV-Spot, Printanzeigen, Plakate, Online-Werbung und ein dreistufiges Mailing mit einer Auflage von mehr als 35 Millionen sollen die Kunden umwerben, die Mitarbeiter motivieren und ein Signal in Richtung Politik senden. Dieses Signal lautet: Nur der riesige Apparat der Deutschen Post kann den Universaldienst garantieren. Und das hat seinen Preis.

Um dies zu verstehen, hilft ein kurzer Blick nach Brüssel. Dort hat das Europäische Parlament Mitte Juli entschieden, dass die Postmonopole in den 27 Mitgliedsstaaten bis Ende 2010 fallen müssen. Wie das geregelt wird, bleibt den Ländern überlassen.

Die eigenständige Ausgestaltung der Postliberalisierung gilt natürlich auch für Deutschland. Im Kern geht es darum, sicherzustellen, wer denn die Briefe auch dann zustellt, wenn es eigentlich unrentabel ist. Dafür hat das Europäische Parlament den einzelnen Ländern die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen eingeräumt, ohne genau zu definieren, was damit gemeint ist. Und genau hier beginnt das Chaos in der deutschen Politik.

Während die Union ohne Wenn und Aber zur Liberalisierung ab 2008 steht, äußert die SPD bei jeder Gelegenheit massive Bedenken und verweist auf die spätere Marktöffnung in Europa. Um vermeintliche Nachteile für die Deutsche Post aufzufangen, fordert Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) Mindestlöhne für die gesamte Branche. Dies wiederum lehnt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für dieses Jahr ab. Die Postbranche könne wie alle anderen Branchen auch bis März 2008 einen entsprechenden Antrag stellen, sagte sie dem "Handelsblatt". Darauf müssten sich die verschiedenen Wettbewerber untereinander aber erst einmal einigen.

Dabei ist die Einführung eines Mindestlohns nicht der einzige strittige Punkt. So soll die Deutsche Post nach einem Bericht des "Spiegel" auch nach dem Fall des Restmonopols keine Steuern auf die Umsätze aus dem Briefgeschäft zahlen müssen. Eine Benachteiligung für die Konkurrenz sei damit nicht verbunden, argumentiert demnach das SPD-geführte Finanzministerium. Die Wettbewerber müssten zwar Mehrwertsteuer entrichten, könnten sich aber an Lieferanten gezahlte Vorsteuern vom Staat zurückholen. Dies sei der Deutschen Post nicht erlaubt. Die Liberalisierungsbefürworter in der Union dürften von dieser Argumentationskette nicht gerade begeistert sein.

Den betroffenen Dienstleistern geht das Hin und Her in der Politik schon länger auf die Nerven. Frank Iden zum Beispiel hält bislang diskutierte Kompromissvorschläge wie die Befreiung privater Postdienste von der Umsatzsteuer oder eine Reduzierung der Steuer für "blanke Augenwischerei". Der Geschäftsführer von Prime Mail, dem Joint Venture von Hermes und Swiss Post: "Was auf den ersten Blick vielleicht als gute Lösung erscheint, würde in der Praxis lediglich zu weiteren Nachteilen der privaten Postanbieter führen."

Denn wer keine Umsatzsteuer berechne, dürfe im Gegenzug auch keine Vorsteuer abziehen, sagt Iden. "Dadurch entstehen Kosten, die kein privater Anbieter mittelfristig decken oder an seine Auftraggeber weitergeben kann." Er spricht sich für eine generelle Umsatzsteuerpflicht für Postdienstleistungen aus.

Einmal abgesehen von den Schaukämpfen in der politischen Arena, bereitet sich natürlich nicht nur die Deutsche Post massiv auf den Stichtag 1. Januar 2008 vor. Die beiden größten alternativen Briefdienstleister, die luxemburgische Pin Group und die niederländische TNT, wollen in den nächsten Jahren einen Marktanteil von jeweils zehn Prozent für sich erobern. Bis dahin haben sie allerdings noch einen weiten Weg vor sich.

"Ein Schwerpunkt unserer Marketing-Aktivitäten liegt neben dem Aufbau der Marke Pin Mail auf der Integration der Tochterunternehmen", sagt Pin-Chef Günter Thiel gegenüber ONEtoONE. Dazu gehörten Branding-Aktivitäten wie die Umstellung der Geschäftsausstattung, der Firmenflotte oder der Zustelleruniformen auf das einheitliche Pin-Mail-Design. "Ein weiterer Fokus liegt auf dem Ausbau unserer Aktivitäten im Privatkundenbereich, das heißt, dem Aufbau und der Verdichtung unseres Briefkasten- und Filialnetzes", so Thiel. Diese Aktivitäten beinhalteten auch die bundesweit gültigen Briefmarkenkollektionen. Hinzu kämen zahlreiche Marketing- und PR-Aktivitäten mit dem Ziel, die Bekanntheit der Marke Pin Mail zu steigern. Der Pin-Chef: "Neben Medienarbeit sind dies beispielsweise vertriebsunterstützende Maßnahmen wie Mailing-Aktionen, Anzeigenwerbung, Messen und Events."

Erst vor Kurzem hat die Axel Springer AG für 510 Millionen Euro die Mehrheit an der Pin Group übernommen. Springer will seinen Anteil von 23,5 Prozent auf 71,6 Prozent erhöhen. Weitere Regionalzeitungsverlage sollen ihre Briefgeschäfte einbringen. "Wir wollen gemeinsam mit den Altgesellschaftern und künftigen Neugesellschaftern von der weiteren Liberalisierung des Postgeschäfts profitieren", sagt Springer-Chef Dr. Mathias Döpfner. "Dieses Geschäft wollen wir mit unserer Vertriebskompetenz neben dem Inhaltegeschäft in Print und Online zu einer weiteren starken Säule von Axel Springer entwickeln."

TNT konzentriert sich ebenfalls auf den Ausbau des Netzes. Das Unternehmen hat Anfang Juli 25,1 Prozent der Anteile an Nordwest-Mail ("Weser Kurier", "Bremer Nachrichten") übernommen. Kurz zuvor hatte sich der Postdienstleister mit der Ippen-Gruppe ("Münchner Merkur", "TZ") und dem Süddeutschen Verlag ("Süddeutsche Zeitung") auf eine strategische Partnerschaft geeinigt und 25,1 Prozent an dem von beiden Verlagen gemeinsam betriebenen Münchner Briefdienst Ecoflash gekauft.

Martin Teschke

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