26.02.2007 - Agenturen positionieren sich angesichts digitaler Medien, selbstbewusster Verbraucher und veränderter Kundenwünsche neu.
Der Dialog über alle Medien verändert sich - schneller als es vielleicht so manchem Unternehmen oder so mancher Agentur lieb ist. "Wir sehen eine Entwicklung von der klassischen Outbound-Kommunikation, also zum Beispiel dem Versenden von Mailings, hin zur Inbound-Kommunikation", sagt OgilvyOne-CEO Thomas Strerath. Marken müssten den Konsumenten heute um Erlaubnis bitten. Der Kunde bestimme, wann er was konsumiere. "Deshalb steht nicht mehr der Begriff des Dialogmarketings im Vordergrund", so Strerath, "sondern vielmehr der des Relationship-Marketings."
Für Strerath geht es nicht mehr nur darum, den Dialog mit dem Einzelnen zu suchen, sondern den Dialog der Kunden untereinander zu fördern. "Diese Entwicklung wird extrem getrieben von der Digitalisierung", sagt er. OgilvyOne könne in diesem Bereich sogar noch schneller wachsen. "Schließlich sind die Konsumenten dem Marketing hier ein gutes Stück voraus." Man dürfe aber nicht den Fehler machen, zwischen Offline- und Online-Bereich zu trennen. "Klar, die Kommunikation verschiebt sich. Aber viel wichtiger muss es für uns sein, wie sich die neuen Medien auf die alten auswirken", betont Strerath.
Abkehr von der SpezialagenturStefan Schraps hat daraus klare Konsequenzen gezogen. "Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Marketingdisziplinen haben sich massiv aufgelöst", sagt der Vorstand von Faktor 3. "Ich halte es heute nicht mehr für sinnvoll, ausschließlich eine Spezialagentur für Dialogmarketing zu sein." Wichtig sei es aber, Spezialisten im Team zu haben, die etwa Response-Techniken beherrschten. Der Konsument habe gelernt, selektiv Informationen zu finden. Er sei nicht mehr passiv, sondern aktiver Teil der Kommunikation. Schraps: "Dem guten alten Mailing fällt dabei die Rolle zu, vor allem Hochwertigkeit zu transportieren." Das massenhafte Billig-Mailing bekomme zunehmend Probleme, während das Online-Marketing in den vergangenen ein bis drei Jahren enorm zugenommen habe. "Letzten Endes bedeutet diese Entwicklung auch, dass Mailings längst nicht mehr so hohe Response-Raten haben wie früher", so der Faktor-3-Vorstand. Der Konsument schaue sich ein Mailing an und vergleiche dann gleich online - falls ihn das Angebot überhaupt interessiere - das beworbene Produkt mit dem der Konkurrenz.
Das sieht Thomas Aichelmann, Geschäftsführer von Serviceplan Dia-log, ähnlich. "Anders als noch in der ersten Internetphase bringen die digitalen Medien jetzt unheimlich viel Schwung ins gesamte Dialogmarketing", sagt er. Durch den gezielten Einsatz von Online-Mechaniken ließen sich ganz andere Kommunikationsstrecken aufbauen. Dadurch könne man mit Zielgruppen den Dialog führen, die bislang völlig unrentabel gewesen seien. "Man kann also durchaus sagen, dass der Online-Dialog den traditionellen Offline-Dialog pusht", so Aichelmann. "Dialogmarketing gewinnt an Bedeutung." Besonders wichtig dabei sei die Verzahnung mit anderen Kommunikationswegen: das Multi-Channel-Marketing. Wichtig ist für Aichelmann, ob der Dialog zum Aufbau des Markenbildes beiträgt, wie der Vertrieb unterstützt und messbare Ergebnisse produzierten werden können.Christian Schwarm, Geschäftsführer und Kreativchef von Dorten, meint zwar auch, dass der Dialog mit den Endkunden eine immer größere Rolle spielt. "Wir denken aber nicht mehr in Disziplinen oder Kanälen", sagt er. "Stattdessen orientieren wir uns ausschließlich an den übergeordneten Marketingzielen, die uns ein Unternehmen in einem Projekt vorgibt. Und ich glaube, dass klassisches Dialogmarketing nicht immer das beste Instrument ist, um diesen Zielen auch gerecht zu werden." Natürlich hätten Dialog-Agenturen viel wertvolles Spezialwissen, so Schwarm. "Allerdings führt dieses spezielle Know-how dann oft dazu, dass die eingefahrenen Instrumente kaum mehr in Frage gestellt werden." Der Dorten-Chef begründet seine kritischen Anmerkungen auch: Die Kreativität von klassischen Werbern fließe in Doppelseiten oder TV-Spots, die von Dialogmarketern in Mailings oder Online-Kampagnen. "In beiden Fällen wird oft übersehen, was wirklich dabei hilft, die Menschen da draußen überhaupt noch zu erreichen: eine großartige Idee oder Story, die schon aus sich heraus kommuniziert und die erst im zweiten Schritt über ausgewählte Kanäle kommuniziert und gepusht wird." Schwarm ist deshalb der Meinung: "Wer sich Dialog-Agentur nennt, läuft langfristig Gefahr, Spezialdienstleister für organisatorische oder technische Versand- und Onlineprozesse zu werden."Die Frage, ob die Bezeichnung Dialogmarketing-Agentur überhaupt noch zeitgemäß ist, beantwortet der Geschäftsführer von Das Goldene Vlies mit einem klaren Nein. "Das ist irgendwie eine Art ,Web 1.0`, sagt Hansjörg Zimmermann. "Die Dima heißt ja heute auch OMD. Heute sind Dialogkomponenten sehr viel komplexer, und viele Auftraggeber vermuten hinter einer Dialogmarketing-Agentur gelbe Telefonzellen und Postkutschen." Aber es gebe durchaus Kunden, die mit Postkutschen ihre Zielgruppen erfolgreich erreichten.
Bekenntnis zum MailingSolche Sätze provozieren naturgemäß Widerspruch. "Es gibt nach wie vor einen Bedarf an Printwerbung, die täglich in unsere Briefkästen wandert", sagt Matthias Berger, Managing Partner von Berger Baader Hermes. "Das gilt keinesfalls nur für ältere Zielgruppen oder spezielle Branchen wie den Versandhandel. Vielleicht erleben wir bald sogar eine Renaissance des Mailings - wer weiß ..." Wenn Newsletter die E-Mail-Accounts überschwemmten und nicht mehr von Spam unterscheidbar seien, könne sich das Mailing durchaus lohnen. "Ich jedenfalls freue mich über gut gemachte Mailings aus der Automobilbranche oder aufwändige Kundenmagazine", sagt Berger. Im Dialog-Mix gehöre gutes Dialogmarketing einfach dazu. Ein Dialog-Mailing gebe dem Konsumenten das Gefühl einer rea-len, anfassbaren Beziehung.Allerdings ist auch Berger der festen Überzeugung, dass sich Dialog-Agenturen mehr in Richtung Multi-Channel-Kommunikation ausrichten müssten. "Denn heute können wir wesentlich komplexere Interaktionen möglich machen, ja ganze Markenphilosophien mit Leben füllen." Große Kampagnen könne man nur durchführen, wenn man alle Kanäle ins strategische Kalkül einbeziehe. Berger: "Seit mehr als einem Jahrzehnt wissen wir, dass dem Dialog die Zukunft gehört. Aber erst mit den elektronischen Medien erfüllt sich die se Hoffnung."Ulrich Brüggemann, geschäftsführender Gesellschafter von Brüggemann & Freunde, kann diese Entwicklung an seiner eigenen, wie er betont, "reinen Dialogmarketing-Agentur" sehr gut nachvollziehen. 2005 hätten»die Online-Aufträge 20 Prozent des Honorarvolumens ausgemacht, im vergangenen Jahr seien es schon 36 Prozent gewesen. Brüggemann will deshalb eine Online-Unit gründen.
Dem Agentur-Chef ist durchaus klar, dass bestimmte Marken kein Dialogmarketing benötigen, aber er schwört auf die Existenzberechtigung einer Spezialagentur. "Dialog-Agenturen braucht man, wenn man etwas verkaufen will, das sich nicht von selbst verkauft", sagt Brüggemann - nicht ohne Anspielung auf klassische Werbeagenturen. "Die klassischen Werber wollen ja immer den Leadpart spielen und klassische Kommunikation über Mailings machen." Das laufe oftmals schief, zum Beispiel in der Automobilbranche. Brüggemann sieht sich hier als eine Art Korrektiv. Für ihn steht nicht das Marketing im Vordergrund, sondern der Vertrieb: "Und wenn es um das Verhältnis von Aufwand und Gewinn geht, liegt nun einmal das Dialogmarketing vorn."
Diffizile KundenwünscheBrüggemann bietet auch integrierte Kommunikation an - nicht zuletzt weil die Kunden das verlangen. Ohnehin stehen die Positionierungen der einzelnen Agenturen in unmittelbarem Zusammenhang mit den steigenden Anforderungen der Kunden."Es lohnt sich, ein Spezialist zu sein, weil die Unternehmen so strukturiert sind", ist Brüggemann überzeugt. Viele Unternehmen würden die unterschiedlichen Marketingdisziplinen noch trennen. Wer zu Brüggemann & Freunde kommt, hat in der Regel konkrete Vorstellungen vom Kommunikationsweg; die Kreativen ergänzen diese Vorstellungen dann zumeist.Brüggemann legt Wert darauf, den kompletten Produktionsweg eines Mailings managen zu können. Dieses Angebot wird aber nur von kleineren Kunden in Anspruch genommen. "Früher war es selbstverständlich, dass wir uns um die komplette Abwicklung kümmerten", sagt der Agentur-Chef. Allerdings hätten viele Agenturen diese Leistung zu teuer verkauft. "Das haben die großen Kunden dann irgendwann nicht mehr mitgemacht."Oftmals - so scheint es - sind die Agenturen ihren Kunden ein Stück voraus. "Es gibt doch noch viele Unternehmen, die aus unserer Sicht nicht optimal organisiert sind", sagt Michael Schipper, Managing Partner von Proximity Germany. "Viele sind fraktionär aufgestellt. Sie trennen strikt zwischen klassischer Werbung, Dialogmarketing und digitalem Dialog. Da herrscht mancherorts ein Silo-Denken."Am liebsten sind ihm Kunden, die Proximity die Aufgabe stellen, Absatzprobleme zu lösen - unabhängig in welchem Kanal. "Unser Ziel ist es, Verhaltensänderungen auszulösen", sagt Schipper. Das funktioniere über die Kanäle Offline im Handels- und Direktmarketing, Online und zunehmend über Mobile Marketing. So geschehen bei Smart. Für diesen Kunden hat Proximity ein umfassendes Multi-Kanal-Marketing umgesetzt.Integrierte Kommunikation, Multi-Channel-Marketing - Florian Schültke bevorzugt den Begriff Marketing Services, unter dem er sämtliche nicht klassischen Disziplinen bündelt. Der Geschäftsführer und Sprecher des Publicis Dialog Board of Marketing Services Germany setzt auf international aufgestellte Kunden. "Eine Internationalisierung der Vergabe von nicht klassischen Etats pusht die Agenturnetworks, auch internationale Marketing Services Brands zu etablieren", sagt der Publicis-Mann. "Diese Entwicklung zerstört die Existenzgrundlage lokaler Dialog-Agenturen."
Dabei dringe Publicis in Bereiche vor, in denen Agenturen laut Schültke früher nicht präsent waren, etwa mit ihrem Consulting-Angebot. So ist das Agenturnetzwerk beispielsweise bei der Kommunikation eines Großformatdruckers von Hewlett Packard (HP) sehr frühzeitig eingebunden worden, hat mit HP-Verantwortlichen über Budgets und Ziele gesprochen.Was Schültke in der Meinung bestärkt: "Wenn die Agenturen sich in Sachen Consulting nicht weiterentwickeln, sehe ich große Probleme auf sie zukommen. Eine ausschließlich auf Dialog spezialisierte Agentur kann das gar nicht leisten."
Bunte VielfaltEin Beispiel: Der Großformatdrucker von HP ist vor allem für künstlerisch aktive Gruppen interessant. Schültke: "Dort kann man mit klassischer Werbung nichts ausrichten." Beworben hat die Agentur den Drucker dann in Zusammenarbeit mit allen deutschen Publicis-Standorten über die Kanäle Print, Online, Indoor (Postkarten in Szene-Cafés), Outdoor (Plakate an Bauzäunen und Litfaßsäulen, Infoscreens, Street Promotion), Virales Marketing, Presse-Events sowie PR- begleitende Maßnahmen. Bunte Vielfalt also.Auch bei Saint Elmo`s. "Dialog ist in Deutschland noch immer stark von den traditionellen Direktmarketing-Agenturen belegt", sagt Feodor von Wedel, geschäftsführender Gesellschafter von Saint Elmo`s. "Zu 80 Prozent machen diese ihr Geschäft im Printbereich, haben aber versäumt, Online-Kompetenz aufzubauen. Für mich sind die meisten Dialog-Agenturen daher nach wie vor leider Direct-Marketing-Agenturen." Die Zukunft liege hingegen in der intelligenten Verknüpfung von On- und Offline. Saint Elmo`s nennt das Multi-Channel-Creativity. Die Agentur bietet den Kunden mit der Unit Interaction reine Dialogkompetenz und mit der Unit Campaign integrierte Maßnahmen.Für die gemeinnützige Organisation Children for a better world zum Beispiel war Saint Elmo`s ganzheitlich tätig. Dazu gehörten das Logo, die Geschäftsausstattung, Druckschriften, ein Messeauftritt, der Geschäftsbericht, Anzeigen, ein TV-Spot und - natürlich - Mailings.
Ende der Dialog-Agenturen?Wohin man auch blickt, die Bezeichnung Dialogmarketing-Agentur scheint aus der Mode gekommen zu sein. "Unsere Kommunikation ist sehr stark one-to-one-getrieben", sagt Andreas Gahlert, Geschäftsführer von Neue Digitale. Die Agentur generiert Kundendaten, stärkt die Kundenbindung, entwickelt Kundenprofile über Gewohnheiten und Wünsche, relauncht Websites, personalisiert Inhalte und entwickelt Loyalty-Programme. Neue Digitale geht dabei aber nicht bis ins tiefste Backend. Bei der Auswahl eines Adressdienstleisters oder eines Call-Centers berät sie nur. Dialog-Agentur möchte sich die Neue Digitale aber nicht nennen. "Wir sind eine digitale Fullservice-Agentur", sagt Gahlert. Und das scheint zu funktionieren. Neue Digitale beschäftigt mittlerweile 80 Mitarbeiter, 30 weitere werden gesucht. Verstärkt werden soll nicht zuletzt die Marketinganalyse, Schwerpunkt Relationship-Marketing.Dieses Relationship-Marketing hat sich ja bekanntlich auch OgilvyOne auf die Fahne geschrieben. "Ein gutes Beispiel für Relationship-Marketing ist unsere Kampagne für Dove", sagt Agentur-Chef Strerath. "Wir haben die Verbraucher in die Kampagne eingebunden." Dieses Prinzip hat OgilvyOne bis auf die Banner heruntergebrochen. Konsumenten haben eigene Fotos eingeschickt und sind auf diese Weise Teil der Werbung geworden.Letztlich geht es im Dialogbereich immer um Effizienz. "Die Kunden wollen von uns wissen, wie sie ihren Marketing-Euro am besten ausgeben sollen", sagt OgilvyOne-Chef Strerath. "Wir entwickeln Landkarten, wann und wo Kommunikation angebracht werden muss. Wir bieten den Fullservice Erfolgsmessung."
Wichtig ist offenbar in jedem Fall, die Dialog-Spezialisten mit am Tisch sitzen zu haben - egal ob Offliner oder Onliner. "Es gibt heute kein klassisches Dialogmarketing, also kein Mailing mehr, bei dem ich nicht auch über die Online-Kommunikation nachdenke", sagt Stefan Schraps von Faktor 3. Sein Beispiel: Für die Nutzfahrzeugsparte von Citroën hat Faktor 3 nicht nur ein Mailing entworfen, sondern über Zugriffscodes auch ein Online-Spiel für die Zielgruppe Schornsteinfeger entwickelt. Einfache Mittel, große Wirkung. Mittlerweile beträgt der Marktanteil der Nutzfahrzeuge von Citroën bei Schornsteinfegern laut Schraps mehr als 30 Prozent."Mit steigender Kundennachfrage wächst seit Jahren auch der Stellenwert des Dialogmarketings", bringt es Roland Bös, Deputy Managing Director der Scholz & Friends Dialog Group, auf den Punkt. "Nach meiner Einschätzung verwenden bereits heute nahezu alle Markenkampagnen dialogistische Elemente." Diese Entwicklung werde sich auch mit neuen technologischen Möglichkeiten weiter verstärken. "Für Dialog-Agenturen bietet dies die Chance, sich neben ihrer essenziellen Kompetenz bei den Themen Response und Sales als Schrittmacher für ganzheitliche konsumenten-orientierte Konzepte zu etablieren."
Alles unter einem DachUnd wieder geht es in erster Linie um die Wünsche der Auftraggeber, nicht um den Agenturnamen. "Kunden erwarten von einem Agenturpartner vor allem ab einer gewissen Größe zu Recht, dass unter seinem Dach alle relevanten Kommunikationsmaßnahmen in guten Händen sind", sagt Bös. "Egal, nach welchem Wind sich gerade dessen Bezeichnung dreht."Zum Beispiel das langfristig angelegte Investor-Relation-Konzept für Deutschland als Land der Ideen. "Mit Claudia Schiffer, nur gehüllt in einen Hauch von Schwarz-Rot-Gold, haben wir zur Weltmeisterschaft die letztlich für alle überraschende Stimmung der Deutschen glücklicherweise vorhergesehen und auf eine nachhaltige Art und Weise weltweit auf die Schreibtische von Standort- und Investitionsentscheidern transportiert", sagt Bös. "Am sensationellen Abschneiden der deutschen Fußballer hatten wir aber bis auf die Unterstützung vor den Fernsehern unserer Agentur keinen Anteil ..." martin.teschke@jsdialog.de
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