28.11.2006 - Rainer Hillebrand sieht im Distanzhandel enormes Potenzial. Das habe der Versandhandelskongress einmal mehr gezeigt. ONEtoONE sprachmit dem Otto-Vorstand Vertrieb, Marketing und E-Commerce.
Herr Dr. Hillebrand, sind Sie enttäuscht, dass Otto nicht auch Versender des Jahres geworden ist?Nein, das ist vielmehr ein Ansporn, beim nächsten Versandhandelskongress Versender des Jahres zu werden. Nebenbei: Der Katalog des Jahres stammt diesmal aus dem Hause Otto. Zudem halte ich es für eine gute Wahl, dass in unserer Branche auch ungewöhnliche Geschäftsideen prämiert werden. Wie zum Beispiel der Whisky Store: ein Unternehmen, das ich zugegebenerweise vorher gar nicht kannte. Whisky Store verdeutlicht, wie erfolgreich eine hochgradige Spezialisierung sein kann. Und auch die Leistung von Globetrotter kann man nur voll und ganz anerkennen. Globetrotter setzt übrigens auf Multichannel-Vertrieb - genau wie die Otto Group. Darin liegt die Zukunft.
Kann sich die Otto Group von vergleichsweise kleinen Versendern noch eine Scheibe abschneiden? Die Produktbewertung, die Otto vor kurzem online eingeführt hat, wird beispielsweise von Globetrotter schon seit Jahren angeboten ...Man kann Otto und Globetrotter nur schlecht miteinander vergleichen. Globetrotter ist ein sehr spezialisiertes Unternehmen, dem die Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden leichter fällt. Globetrotter-Kunden sind Community-affiner. Trotzdem sind die Elemente, die Globetrotter in den Markt gebracht hat, auch für Otto ein zentrales Thema. Auch wir glauben, dass virtuelle Communitys in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.
Verdrängen solche Entwicklungen traditionelle Vertriebsformen wie zum Beispiel die Sammelbesteller?Das Sammelbesteller-System in seiner heutigen tradierten Form wird sicherlich nicht auf Dauer Bestand haben. Aber es wird neue Formen geben, die die Grundidee des gemeinsamen Einkaufens vorantreiben. Das Internet ist dafür sicher ein Motor.
Und welche Rolle wird Otto dabei spielen? Was neue Online-Features angeht, ist Otto doch äußerst zurückhaltend.Das stimmt nicht. Im Rahmen unserer Initiative E-Shopping 2.0 sind wir die Ersten am Markt, bei denen eine Online-Bewertung von Bekleidung möglich ist. Das werden wir weiter vorantreiben. Jetzt denken wir zum Beispiel darüber nach, zu bestimmten Themen Blogs zu kreieren. Die Kunden haben das Bedürfnis, sich auszutauschen. Diesem Bedürfnis wollen wir nachkommen.
Die Kunden üben sich aber auch in Kaufzurückhaltung. Der Versandhandel gilt nach wie vor als Branche in der Flaute. Lag diese Stimmung auch über dem Kongress in Wiesbaden?Nein. Ich habe persönlich den Eindruck gewonnen, dass von dem Versandhandelskongress 2006 ein Aufbruchssignal ausgegangen ist. Es ist deutlich gemacht worden, dass der Distanzhandel eine Einkaufsform der Zukunft mit großen Wachstumspotenzialen ist. Die entscheidende Frage wird sein, mit welchen Konzepten und veränderten Marktmodellen man an dem Wachstum partizipieren kann. Klar ist, dass digitale Medien für diese Branche eine hohe Bedeutung haben werden. Es kommt aber auch darauf an, den Kunden besser als der Wettbewerber zu verstehen und mit einzubeziehen. Und wir werden sicher auch Veränderungen in den Unternehmensprozessen haben. Wir sind im Umbruch - aber die Branche ist mit einer positiven Grundstimmung aus dem Kongress herausgegangen.
Können auch Dienstleister von dieser Aufbruchstimmung profitieren? Zumindest deuten die Zahlen doch darauf hin, dass von den Sparprogrammen der Versender nicht zuletzt die Dienstleister betroffen sind.An der Aufbruchstimmung partizipieren auch die Dienstleister. Zudem können sie die Entwicklung selber auch beeinflussen. Große wie kleine Versender brauchen starke Dienstleister mit innovativen Ideen sowie markt- und kundenorientierten Konzepten. Wenn solche Ideen und Konzepte vorliegen, beflügeln sie auch die Branche.
Ihr Kollege Mark Sommer von Karstadt Quelle hat in Wiesbaden sehr offen Fehler eingestanden - etwa bei der Einschätzung neuer Technologien, der Entwicklung der Marken und der Geschäftsmodelle. Sind diese Fehler behoben? Und ist der Versandhandel dagegen gefeit, bei nächster Gelegenheit nicht neue Fehler zu machen?Ich will die Fehler, die die Karstadt Quelle Gruppe nach eigenem Bekunden in der Vergangenheit gemacht hat, nicht kommentieren.Herr Sommer hat nicht nur von Fehlern des eigenen Hauses gesprochen.Ich halte nichts von derartigen Verallgemeinerungen. Es gibt viele Unternehmen in unserer Branche, die das Thema Internet und den Einfluss der digitalen Medien sehr frühzeitig erkannt haben. Wenn es in dem einen oder anderen Unternehmen eine andere Entwicklung gegeben hat, dann war das eine Fehlentscheidung. Wichtig wird immer sein, die Hand am Puls der Zeit zu haben und absehbare Entwicklungen für sich selbst zu bewerten. Wenn man Szenarien verfolgt, kann man auch mal bei einem Szenario danebenliegen. Davor ist kein Unternehmen geschützt. Uns war sehr, sehr früh klar, dass das Internet eine überragende Bedeutung haben wird. Wenn es das Internet nicht gäbe, hätte der Versandhandel es erfinden müssen.
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