"Interaktives Fernsehen leidet an der Henne-Ei-Problematik"

28.09.2005 - Der Flensburger Medienwissenschaftler Prof. Dr. Mike Fredrichsen zu den Chancen interaktiven Fernsehens in Deutschland

Professor Dr. Mike Friedrichsen lehrt Medienmanagement an der Universität Flensburg. Zu seinen Forschungssschwerpunkten zählt die Zukunft des Mediensystems. fb

Seit Jahren wird von iTV geredet. Passiert ist wenig. Woran liegt das? Dass sich das digitale interaktive Fernsehen bisher nicht durchsetzen konnte, hängt mit dem Kabelfernsehmarkt zusammen. Es muss noch eine hohe technische Reichweite verwirklicht werden. Das bedeutet, dass sich der digitale Empfang durchsetzen muss und dass die Haushalte mit iTV-fähigen Receivern ausgestattet werden. An dieser Stelle sind die Netzbetreiber und Gerätehersteller gefordert, einen kostengünstigen Zugang zu ermöglichen. Die Einführung von interaktivem Fernsehen leidet an der Henne-Ei-Problematik. Insbesondere die Kabelnetzbetreiber sehen keinen Anlass, in die Infrastruktur zu investieren, solange die Verbreitung der für den iTV-Empfang benötigten Set-Top-Boxen noch nicht ausreichend ist. Dazu müssen günstige iTV-Receiver auf den Markt. Die Endgerätehersteller brauchen dagegen eine gewisse Absatzmenge, um billig produzieren zu können. Die Verbraucher wiederum verspüren keinen Bedarf an iTV-fähigen Set-Top-Boxen, wenn nicht genug attraktive Inhalte angeboten werden. Aber die Sender wollen und können aus wirtschaftlichen Gründen keine Angebote produzieren, die nur eine Minderheit empfangen kann.

Wer könnte von iTV profitieren? Die Einführung von iTV-Killerapplikationen muss nicht nur auf Interesse bei den Konsumenten stoßen, sondern auch für Anbieter finanziell attraktiv sein. Die Industrie braucht lebensfähige Geschäftsmodelle zur Refinanzierung von iTV-Angeboten. Dies ist vor dem Hintergrund der hohen Investitionen, die bei der Umstellung von analog auf digital entstehen, von großer Bedeutung. Wie und in welcher Geschwindigkeit sich iTV in Deutschland entwickelt, hängt auch von den Medien- und Telekommunikationsunternehmen ab, von deren Investitionsbereitschaft, Kreativität und Mut zum Neuen. Gegenwärtig ist jedoch davon auszugehen, dass die Entwicklung weiterhin langsam vorangehen wird, da die Unternehmen vorsichtig sind. Von Seiten der Konsumenten ist kein Impuls zu erwarten. Sie haben bisher keine genaue Vorstellung von iTV, so dass der Markt voraussichtlich über die Angebotsseite gesteuert werden muss.

Gibt es eine reale Perspektive? Sobald MHP sich etabliert, die Angebote bedienungsfreundlich sind und für die Verbraucher ein entscheidender Zusatznutzen erkennbar ist, wird sich iTV durchsetzen. Diese Entwicklung würde beschleunigt, wenn die Mehrheit der Zuschauer als auch der Content- und Infrastruktur-Provider vom Erfolg überzeugt werden könnte. Der Mechanismus der Self-Fulfilling-Prophecy könnte für den Prozess nutzbar gemacht werden. Dies setzt voraus, dass bei der Gestaltung der Angebote die Fernsehzuschauer und nicht die technischen Möglichkeiten im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. In naher Zukunft wird iTV jedoch in erster Linie auf einer geschickten Verknüpfung verschiedener Medien basieren. Gerade die Einbindung von Telefon und SMS hat den Vorteil, dass an dieser Stelle eine gewisse Zahlungsbereitschaft beim Kunden vorhanden ist.

Wollen die Zuschauer überhaupt interaktiv sein? Die Anbieter müssen sich der Herausforderung stellen, dass manche Nutzer nicht über ausreichende Medienkompetenz verfügen. Die Angebote müssen intuitiv bedienbar sein. Die Hemmschwelle kann auch durch einheitliche Bedienungsstandards gesenkt werden, etwa den Start multimedialer Dienste durch einen grünen Knopf. Selbst Computerlaien müssen die Angebote problemlos nutzen können.

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