02.08.2005 - Kommentar zum Scheitern der Software-Patent-Richtlinie
Das Votum der EU-Abgeordneten war deutlich: 648 von 732 Parlamentariern stimmten am 6. Juli gegen die EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, besser bekannt als Software-Patentrichtlinie. Damit ist das Ende 2002 von der Europäischen Kommission angestoßene Gesetzesvorhaben gescheitert.
Zwischen "computerimplementierten Erfindungen" und Software besteht ein entscheidender Unterschied: Erstere sind wirkliche Erfindungen auf computergesteuerten Maschinen, Letztere Computerprogramme, die aus täglich weiterentwickelten Rechenregeln, Algorithmen und logischen Abläufen mit nur wenigen Neuerungen bestehen. Ob Erfindungen im Software-Bereich, Datenformate oder Anwendungen wie die Empfehlungsfunktion in Online-Shops oder der Download an sich künftig patentierbar sind, hängt somit in Europa weiterhin von der Einzelfallbeurteilung des Europäischen Patentamts ab.
Viele der anerkannten europäischen Software-Patente leisten bisher keinen erkennbaren Beitrag zur Innovationskraft der betroffenen Branchen, sind dafür aber mit erheblichen Rechtsrisiken behaftet. Schnelle Reaktionen auf Kundenwünsche und Wettbewerbsveränderungen müssten - etwa von der digitalen Wirtschaft - teuer erkauft werden. Die Produktauswahl dürfte zurückgehen; bei betroffenen Branchen, Angeboten und Services wäre wohl mit Preissteigerungen zu rechnen. Es ist davon auszugehen, dass primär außereuropäische Unternehmen - in Form von Monopolen und Einnahmen aus Lizenzgebühren in Europa - von der geplanten Richtlinie profitieren würden.
Eines muss man deshalb dem EU-Parlament zugute halten: Statt wieder eine undurchdachte und halb gare Regelung in die Welt zu setzen, haben sich die Parlamentarier diesmal darauf verständigt, dass erst mal alles so bleibt, wie es ist. Es sei dahingestellt, ob die Beschäftigung in Europa oder der Hochtechnologiestandort tatsächlich in Gefahr sind: Lieber gar keine Richtlinie als eine schlechte. Hier sind sogar Befürworter und Gegner der Software-Patente derselben Meinung.
Frank Naujoks, IT-Berater und Analyst bei Naujoks & Collegen
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