31.03.2004 - Interview mit Christian Gründig und Jochen Hahn von den argonauten360° über Trends und Potenzialen in der Reisebranche
"Die schöne neue Multikanalwelt wird im Touristikmarkt nicht gelebt", sagt Christian Gründig, Director Consulting von der Hamburger Agentur- und Beratungsgruppe argonauten360°. Dem Internet als Buchungsmaschine für das Wohnzimmer fehlt es an Beratungsqualität. Und Reisemittler unterstützen den abschlussorientierten Reisevertrieb zu wenig. Zu diesem Ergebnis kommen die argonauten-Berater in ihrer neuen Studie "Reiseweltmeister auf Buchungsabenteuer". Im Fokus steht die Qualität des Interessentenmanagements von Touristikunternehmen in Deutschland. Die Consultants erkundigten sich bei 13 Reiseveranstaltern und 17 Reisemittlern über verschiedene Kanäle insgesamt 264-mal über eine Reise in die Dominikanische Republik. Untersucht haben sie die Qualität der Kommunikationskanäle (Web, Telefon, Reisebüro und Katalog) sowie die Effizienz der Vertriebsprozesse. Ergebnis: Die Reiseanbieter bleiben deutlich hinter den Erwartungen der Interessenten zurück. Die Prozesse sind lückenhaft, die Beratung ist mangelhaft, und Kundenpotenziale bleiben ungenutzt. ONEtoONE hat Christian Gründig und Jochen Hahn, Managing Director der argonauten360°, nach Trends und Potenzialen in der Reisebranche gefragt.
ONEtoONE: Hat Sie das Ergebnis der Studie überrascht? Jochen Hahn: Dass Reisebüros aus Interessentensicht Defizite aufweisen, war uns im Vorwege klar und Teil unserer These. Der DRV, Verband der Reisemittler und -veranstalter, argumentiert, dass Reisebüros im Kundenbindungsprozedere sehr gut abschneiden, weil viele Kunden wiederkommen. Doch gerade bei der Voraussetzung, der Kundenakquise, sehen wir Defizite.
Christian Gründig: Es liegt am Gesamtprozedere. Wir stellten 60 E-Mail-Anfragen an Reiseveranstalter und Reisemittler und bekamen nur 35 Antworten. Der Rest blieb im Regen stehen. Bei zentralen Hotlines haben wir eine recht gute Produktkenntnis über Reisezielgebiete festgestellt. Im Test fragten jedoch nur 21 Prozent der Agents nach speziellen Interessen, zum Beispiel zur Freizeitgestaltung vor Ort. Die Chance, Bedürfnisse zu erfragen, wurde nicht genutzt.
Die Defizite betreffen aber auch Kleinigkeiten. Klassischer Fall: Beim Friseur ist Kaffee, der für eine angenehme Beratungsatmosphäre sorgt, obligatorisch. Im Reisebüro haben wir das bei nur vier Prozent festgestellt. Schlechte Zensur für die aktive Gestaltung angenehmer Beratungssituationen. Die Vertriebsorientierung ist ebenso mangelhaft: Nach 84 Reisebürobesuchen fassten nur sechs Reiseexpedienten aktiv nach.
OtO: Was raten Sie Veranstaltern und Mittlern hinsichtlich Service- und Vertriebspolitik? Hahn: Es sind verschiedene Ansätze nötig, um alles hundertprozentig zum Laufen zu bringen. Uns fällt auf, dass sehr wenig Daten über Interessenten erhoben werden, sodass Reisemittler gar nicht nachfassen können. Die Datenqualität an den verschiedenen Kontaktpunkten war bei unseren Tests branchenübergreifend völlig unterschiedlich. Fazit: Es fehlt an Stringenz, die Response-Mechanismen müssen mit Hilfe von Leitfäden standardisiert werden, um die Qualität sicherzustellen. Eine kanalübergreifende Vernetzung, zum Beispiel zur Weiterleitung von Informationen, existiert kaum.
OtO: Woran liegt das?[/f
] Hahn: Die Reisebüros arbeiten in der Regel anbieterübergreifend. Wenn der Veranstalter einen Kunden an ein Reisebüro weiterleitet, ist es nicht sicher, ob das Reisebüro diesem Kunden wirklich eine Reise dieses Tourismuskonzerns verkauft. Insofern müssen auf Veranstalterseite Call-Center und Internet vertriebsorientiert ausgerichtet sein. Bevor ein Kontakt abbricht, muss dieser umgewandelt werden. Auf der Reisemittlerseite müssen Web, Call-Center und Reisebüros miteinander vernetzt sowie der Datenfluss trainiert und gelernt werden. Zum Beispiel indem das Call-Center notiert, dass Herr X in den nächsten Tagen in der Filiale erscheint, um sich über die Dominikanische Republik zu informieren. So können passende Angebote vorbereitet und Nachfassaktionen organisiert werden. Dazu ist jedoch ein sehr großer Schulungsaufwand nötig.
Gründig: Reisemittler sollten das Konzert der Kommunikationskanäle besser spielen können. Sie leiden darunter, "Katalogverteilstelle" der Reisemarken zu sein, ergreifen aber laut Test nicht die Chance, den besten und teuersten, weil persönlichsten Kontakt aus Direktmarketingsicht, für den Verkauf zu nutzen. Wenn dort kein Geschäft abgeschlossen wird, wo dann? Zögert der Kunde, ist es gut, auch andere Kanäle bereitzustellen, um zum Zuge zu kommen. Es gilt, aktiv im Prozess nachzufassen und ihn zu Ende zu führen. Doch am Markt ist diesbezüglich keine Bereitschaft oder Fähigkeit abzusehen.
[b]OtO: Welche Zukunft ist der Filiale beschieden? Hahn: Aufgrund des Marktdrucks in der Tourismusbranche wird es zu einem Umbruch im Reisevertrieb kommen müssen. Das heißt, dass die, die überleben wollen, vertriebsstärker werden müssen. Zum Beispiel beim Erkennen von Potenzialen und bei der Gesprächssteuerung. Auf der systemischen Seite müssen Strukturen aufgebaut werden, die ein Interessentenmanagement ermöglichen. Dabei geht es darum, dass Daten stringent erfasst, Bedürfnisse erkannt, Kontakte geknüpft und Expedienten sensibilisiert werden, den Nachfass Permission- basiert zu organisieren. www.argonauten360.de
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