Weblogs: Ergänzung oder Ersatz des E-Mail-Marketings?

28.12.2003 - Branche diskutiert Einsatzmöglichkeiten privater Nachrichten-Feeds

"E-Mail-Marketing ist tot. Es lebe das Weblog!" Mit dieser provokanten These erschreckt der Newsletter-Pionier Chris Pirillo derzeit die US-amerikanische E-Mail-Marketing-Branche. Nahrung bekommt er täglich durch Meldungen über immer perfidere Spam- und Virus-Wellen, die dazu führen, dass viele Internetnutzer ihre E-Mail-Adressen nicht mehr herausrücken und 17 bis 38 Prozent der abonnierten US-Newsletter entweder in Spam-Filtern hängen bleiben oder im Wust unerwünschter Mails untergehen. Einer Gartner-Studie zufolge werden 2008 sogar mehr als 80 Prozent der weltweiten E-Mail-Marketing-Mails Opfer von Spam-Filtern. Zurzeit seien 50 Prozent aller Mails weltweit Spam, Mitte 2004 werden es dem Marktforscher zufolge 60 Prozent sein.

Pirillo, der 1996 den US-Newsletter-Dienst Lockergnose gründete, setzt daher auf einen neuen Werbekanal: Weblogs in Verbindung mit dem Nachrichtenaustauschformat RSS (Real Simple Syndication). Die Bedienung ist denkbar einfach: Der Nutzer legt sich im Netz einen Weblog-Account an, zum Beispiel unter www.bloglines.com, und trägt dann die XML-Adresse des Website-Anbieters ein. Daraufhin laufen die Meldungen und Informationen wie bei einem Nachrichten-Feed nach dem Pull-Prinzip ein. Der User kann infolge-dessen seinen Nachrichtenstrom voll und ganz kontrollieren. Gefällt ihm der Feed nicht, kann er die Quelle kurzerhand aus seinem RSS-Reader entfernen, während sich E-Mail-Newsletter-Abmeldungen häufig verkomplizieren, etwa wenn sich die eigene E-Mail-Adresse geändert hat. Außerdem muss der Nutzer nicht mehr seine E-Mail-Adresse herausgeben und ist automatisch vor Viren geschützt.

Doch auch für Newsletter-Anbieter bieten Weblogs Vorteile: "Es ist sehr viel günstiger, 100.000 RSS-Abonnnenten zu haben als dieselbe Anzahl von E-Mail-Abonnenten", rechnet der deutsche Weblog-Experte und E-Mail-Marketing-Berater Klaus Eck vor. Zudem seien Weblogs eine recht einfache Lösung, um Spam-Filter auszuhebeln. Schließlich koste es viel Zeit und Nerven, auf die White Lists der Provider zu kommen. Allerdings ist Eck mit seiner Meinung noch ziemlich allein auf dem deutschen Markt. Während in den USA viele Medien bereits eifrig über ein mögliches Ende des klassischen E-Mail-Marketings diskutieren, RSS-Reader boomen und fast alle großen Medienhäuser inzwischen RSS-Feeds anbieten, stehen die deutschen E-Mail-Marketer der neuen Technologie noch eher abweisend gegenüber.

Ihrer Meinung nach sind Weblogs viel zu kompliziert und ohnehin nur ein Thema für Techno-Freaks. Sie verweisen dabei auf die mehr als bescheidene Verbreitung von Weblogs. Selbst in den USA haben laut Forrester Research erst 21 Prozent der Online-Haushalte jemals etwas von der neuen Technik gehört. Außerdem ist der Großteil der deutschen E-Marketer davon überzeugt, dass die Spam-Problematik bei uns längst nicht so schlimm wie in den USA ist und durch Maßnahmen wie Selbstverpflichtung, staatliche Regulierung und technische Schranken früher oder später in den Griff zu kriegen ist. Insofern werden die Weblogs von den meisten E-Mail-Marketern allenfalls als eine Ergänzung der elektronischen Werbung angesehen.

An einen großen Erfolg glaubt hier zu Lande kaum jemand. Nach Meinung von Peter Wartelsteiner vom Weblog-Anbieter djuma haben die deutschen E-Mail-Marketer aber gar keine andere Wahl als sich auf das Experiment Weblog einzulassen. Begründung: Wer keinen RSS-Feed anbietet, verliert den Kunden womöglich ganz, da dieser aufgrund der Spam-Flut nicht mehr bereit sei, seine E-Mail-Adresse herauszugeben. RSS-Feed-Anbieter in Deutschland sind unter anderem Spiegel Online, tagesschau.de und Welt.de. brö


Rolf Anweiler, Leiter Marketing Communications von eCircle:
RSS stellt mittelfristig mit Sicherheit keine Gefahr für das klassische E-Mail-Marketing dar. Es ist aber eine technologische Ergänzung, die - eine entsprechende Verbreitung hier in Europa vorausgesetzt - auch die E-Mail-Marketer in ihr Produktportfolio mit aufnehmen werden.

Martin Aschoff, Vorstand und Gründer von Agnitas:
Spannend wird RSS, sobald populäre E-Mail-Programme wie Outlook RSS-Feeds standardmäßig lesen können, das heißt ohne Plug-ins, die nachinstalliert werden müssen. Erst dann kann RSS für breite Nutzerkreise eine Alternative zum E-Mail-Empfang werden.

Jan Bussiek, Sprecher des Forums E-Mail-Marketing im DDV:
Ich glaube nicht, dass diese Form des Permission-Marketings eine kritische Masse entwickeln wird. Ich persönlich würde mein Geld in andere Technologien investieren. Außerdem erledigt sich das Thema der Belästigung Spam früher oder später. Es wird zurzeit völlig überschätzt. Gleichzeitig werden die Filter immer intelligenter und einfacher bedienbar. Das heißt: Spam wird zum Nischenthema.

Martin Bucher, Geschäftsführer von inxnet:
RSS-Feeds sind unpersonalisiert und anonym. Der Betreiber eines Feed weiß nicht, welche Themen wirklich relevant waren. Er kann die Empfänger nicht persönlich anschreiben. Das ist ein Rückschritt in die Steinzeit des E-Marketings!

Klaus Eck, Geschäftsführer von econcon:
Künftig wird erfolgreiches One-to-one-Marketing nur noch möglich sein, wenn der Empfänger die Marketing-Informationen anfordert. Durch die Anforderung wird der Empfänger vollständig Herr des Verfahrens. Denn er bestimmt, wie oft und was er erhalten möchte. So wird das Permission-Marketing in vielen Bereichen durch ein Pull-Marketing abgelöst.

Wolf Osthaus, Bereichsleiter Telekommunikations- und Medienpolitik des Branchenverbands BITKOM:
Weblogs scheinen mir wirklich eine Alternative zu sein, gerade wenn man gezielt auf Kundenbedürfnisse reagieren will.

Robert Holzapfel, Geschäftsführer von adjoli:
Wenn es nicht gelingt - durch welche Maßnahmen auch immer - die sich ausweitende Spam-Problematik einzudämmen, dann verliert das Geschäftsmodell E-Mail-Marketing an Attraktivität. Ob an dessen Stelle Weblogs treten, wird sich zeigen.

Thomas Striegl, CEO von mission one:
Was wurde nicht schon alles für tot erklärt: das Radio, das Telefon, das Fernsehen, das Internet und jetzt die E-Mail. Alle Medien leben munter weiter und mit allen diesen Medien wird ebenso munter weiter Marketing gemacht. Weblogs sind eine ganz spezielle Anwendung für eine spezielle Art der Informationsvermittlung. Damit gibt es einen weiteren Kanal mehr zum Kunden. Nicht mehr und nicht weniger.

Werner Riess, Geschäftsführer von E-Mail Vision Deutschland:
Das ist so wie UMTS: ein Hype in der Szene. Lieschen Müller kann heutzutage nicht einmal die Fernbedienung eines Videorekorders programmieren.

Marion Schanzer, Pressesprecherin von GMX:
Weblogs werden E-Mail-Marketing auf absehbare Zeit nicht ersetzen. RSS-Weblogs könnten eine interessante Ergänzung zu klassischen Newslettern sein. Jedoch ist die Bedienung noch weit davon entfernt, massentauglich zu sein. Bei erwünschten Produktinfos und anderen News werden Nutzer die E-Mail auch künftig vorziehen.

Alexander Schwarz, E-Marketing Manager von Koop Direktmarketing:
Der Hauptgrund, warum ich mittelfristig keine Gefahr darin sehe, ist die Popularität von E-Mail-Marketing. Ich sehe im Thema Weblogs eher einen neuen, besser einen weiteren Werbe-kanal. Wird die Technik innerhalb der nächsten zwei Jahre intelligent und User-freundlich in die Web-Landschaft integriert, so sehe ich langfristig ernsthafte Chancen für Weblogs und Gefahren für das E-Mail-Marketing, wie es heute funktioniert.

Dr. Torsten Schwarz, Geschäftsführer von Absolit:
RSS wird kein Massenphänomen werden, weil es die einfache Zweiteilung nur kompliziert. Selbst bei Aldi und Lidl findet sich schon der Knopf für den Newsletter und jeder weiß, was das ist und dass man diesen bequem wieder abbestellen kann.

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