Agenturkrise: Konjunkturbedingt oder hausgemacht?

28.10.2002 - Es ist traurig, aber nichtsdestoweniger wahr: Die Konjunkturflaute hat auch so manche Agentur erwischt. Sind die zum Teil dramatischen Umsatzrückgänge in einigen Agenturen auf die Konjunktur zurückzuführen oder vielleicht auch darauf, dass sie sich falsch aufgestellt haben?

Fakt ist zunächst einmal, dass die Wirtschaftsflaute nahezu allen Agenturen zu schaffen macht, egal wie gut oder schlecht sie aufgestellt sind. Die zum Teil dramatischen Kürzungen der Werbeausgaben, Insolvenzen und die Investitionszurückhaltung der Unternehmen sind externe Faktoren.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem wie Jens Grunewald, Chef von Greycc in Hamburg, feststellt. Er sagt: "Ich denke, dass die Umsatzrückgänge auf die Konjunktur zurückzuführen sind und auf die Tatsache, dass im Dialogmarketing vor allem Projekte beauftragt werden. So schnell, wie man Projekte platzieren kann, kann man sie natürlich auch canceln oder verschieben."

Doch Fakt ist auch, dass viele Agenturen in den Boom-Jahren keine Rücklagen gebildet haben. Zugleich haben die Dialogmarketer - lange Zeit von zweistelligen Zuwachsraten verwöhnt - auf ungehemmtes Wachstum gesetzt und Mitarbeiter gleich im Dutzend eingestellt. Gerade die Personalkosten bei gleichzeitigem Schrumpfen der Werbebudgets verursachen den Agenturchefs heute Bauchschmerzen.

Georg Schumacher, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Rapp Collins/Direct Friends, bilanziert: "Der Boom der letzten Jahre hat uns glauben gemacht, dass Agenturen automatisch wachsen: mehr Kunden, mehr Projekte, mehr Etats, mehr Umsatz. Viele Agenturen haben Fett angesetzt und zu wenig Rücklagen gebildet." Auch Heinz Raszkowski von der Aachener Raszkowski Werbeagentur sagt: "Es ist eine unangenehme Realität, dass viele Agenturen nicht auf die Krise vorbereitet waren. Nach jahrelangem Rundum-sorglos-Wachstum und jeder Menge Freibier für alle haben sich ineffektive Strukturen gebildet."

So stellt sich die Frage, ob sich die Dialog-Agenturen mit der Ausweitung ihres Leistungsportfolios einen Gefallen getan haben. Mancher glaubt, dass sich heute rächt, die Kernkompetenz "Dialogmarketing" verlassen und "auf die Töpfe der Klassiker geschielt zu haben", denn damit fehlt es heute einigen an einer klaren Positionierung. "Wir als Agenturen müssen uns fragen: Was mache ich besser als die Konkurrenz? Was ist meine Spezialität? Wo ist meine Nische? Die Agentur, die alles kann - diese Agentur gibt es nicht", postuliert Schumacher.

Und Stefan Rüttinger, Chef der Hamburger go!, meint: "Heute verlangt der Markt gnadenlos nach erfolgreichen DM-Konzepten. Eine Disziplin, in der sich einige Agenturen lange Zeit nicht ausreichend geübt haben. Auch nicht üben mussten. Es wurde oft zu schnell umgesetzt und zu wenig hinterfragt. Stattdessen wurde auf Schönheit gesetzt. Heute wollen Auftraggeber erfolgreiche Agenturen mit erfolgreichen Konzepten. Wer das verlernt hat oder nicht bieten kann, der verschwindet vom Markt." Harte Worte.

Schumacher formuliert es sanfter: "Wir als Agenturen müssen wieder lernen: Wer Geld verdienen will, muss hart arbeiten. Und seinen Kunden mehr bieten." Dass das bis zum Überdruss zitierte Bonmot von der "Krise als Chance" wahr ist, bestätigt Raszkowski - er resümiert nach einigen Einschnitten in seiner Agentur: "Jetzt sind wir ein paar Leute weniger, aber alle arbeiten mit erfrischendem Biss und einer tollen Dynamik. Jetzt macht das Arbeiten wieder richtig Spaß." Schön wäre, wenn das bei anderen auch klappt ... vh

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