23.10.2001 - Kundenkarten im Versandhandel: Eine Karte muss sinnvoll eingesetzt werden
go Kundenkarten sind ein teures Unterfangen für ein Unternehmen. Sie sollen sich so schnell wie möglich rentieren, daher sind es natürlich die Topkunden, die mit den Mehrwert-Plastikkarten gebunden werden sollen. Der Versandhandel ist eigentlich prädestiniert für die Einführung von Kundenkarten, da er von Haus aus über hervorragende Kunden-Datenbanken verfügt. Dennoch will sich die Karte im Versandhandel nicht recht durchsetzen. ONEtoONE sprach mit Robert Möstl, Inhaber der neu gegründeten DM C & C (Direct Marketing, Consulting & Coaching) in Hennef über die Gründe - und darüber, wann eine Kundenkarte Sinn macht, und wann nicht.
ONEtoONE: Welchen Nutzen bringt eine Kundenkarte dem Unternehmen und dem Kunden?
Robert Möstl: Die Kundenkarte, im Rahmen einer CRM-Strategie eingesetzt, kann helfen, die besten Kunden ans Unternehmen zu binden. Die Kunden sollten echte Vorteile durch die Karte erhalten - ein einfaches Stück Plastik mit Telefon- und Kundennummer reicht nicht. Kundenkarten sollten in ein Gesamtkonzept eingebettet sein und müssen einen Nutzen bieten, der mit den Kernleistungen des Unternehmens zu tun hat. Versicherungen könnten etwa einen Schlüsselfund-Service anbieten oder eine Gesundheitsberatung, Versandhäuser ein verlängertes Umtauschrecht.
OtO: Bieten nicht viele Versandhäuser auch Tickets für Musicals oder Zeitschriften-Abos an?
Möstl: Ja, das ist durchaus sinnvoll, je nach Zielgruppe. Der Heine Kundenclub, der sich an eine höherwertige Zielgruppe richtet, bietet zum Beispiel auch Angebote im Bereich Versicherungen und Strom.
OtO: Warum nutzt der Versandhandel die Kundenkarten bislang so wenig?
Möstl: Kundenkarten haben nur dann Sinn, wenn sie mit stationärem Handel verknüpft sind und dem Karteninhaber auch Angebote und Vergünstigungen am Point of Sale bieten. Dazu müssen die Versandhändler Kooperationen mit stationären Händlern eingehen und entsprechend Personal abstellen. Ein Business-Plan muss ergeben, wie Erlöse erwirtschaftet werden können. Wird das Geld über die Provisionen von Händlern verdient oder über mehr Bestellungen? Oder über die höhere Kundenbindung? Planung und Strategie sind das A und O, viele Unternehmen schrecken vor diesem Aufwand zurück.
OtO: Schrecken die Unternehmen auch vor den Kosten zurück?
Möstl: Natürlich. Die Plastikkarte kostet in der Herstellung pro Kunde etwa eine Mark. Dazu kommen aber der Aufwand für Kooperationen, das Kundenkartenmanagement, ein Call-Center-Team, die Prozessabwicklung, und - nicht zu vergessen - die Rabatte und Boni, die dem Unternehmen zunächst ein Minus bescheren. In Großbritannien werden die Karten teils schon wieder vom Markt genommen, weil die Kosten für Rabatte und Processing zu hoch waren. Dort konkurrieren die Unternehmen über die Höhe der Rabatte und nicht über die Kundenbindung, so dass es ein Bonus-Hopping unter den Kunden gibt.
OtO: Also sollte man eher auf Kundenbindung setzen?
Möstl: Ja. Aber man sollte die richtigen Kunden binden. Es geht immer wieder um die gute alte Pyramide, ganz oben die kleine Anzahl der Kunden, mit denen ein Unternehmen die meisten Umsätze erzielt. Ich kenne Versender, die mit einem Prozent der besten Kunden zehn Prozent der Umsätze erzielen. Diese Topkunden haben bereits ihre Affinität zum Unternehmen bewiesen, gerade bei ihnen ist eine Kundenkarte zur noch stärkeren Bindung sinnvoll. Sie erhalten echten Mehrwert, indem sie Bonuspunkte für Umsätze erhalten, die sie gegen Prämien eintauschen können, sowie Spezialangebote. Auch der Clubcharakter spielt eine Rolle. Die Karteninhaber erhalten ein Clubmagazin, haben Zugang zu Clubveranstaltungen und einem eigenen Clubsekretariat und erhalten bevorzugte Beratung in einem Call Center. Über das Internet kann man Leistungsinfos, Prämienlisten und Punktekonten abrufen, wobei es einen Schnupperbereich und einen geschlossenen Bereich für Mitglieder geben sollte.
OtO: Kostet die Mitgliedschaft in solchen Clubs etwas?
Möstl: Ja, im Schnitt 25 Mark im Jahr. Das lockt nur die wirklich interessierten Kunden an, die anderen springen ab.
OtO: Aber 25 Mark sind doch nicht so viel?
Möstl: Alte Dialogmarketing-Regel: Sobald auch nur ein geringer Betrag bezahlt werden muss, sinkt das Interesse erheblich. Mitgliedsbeiträge sind also gleichzeitig Response-Filter und Qualitätsverstärker.
OtO: Bieten die meisten Unternehmen nur Prämien oder auch Bargeld?
Möstl: Prämien sind zunächst wesentlich günstiger für das Unternehmen. Der Versender bezahlt nur den Warenwert und spart so rund 50 Prozent im Vergleich zu Barauszahlungen.
OtO: Welche Kundenkarten-Anbieter werden sich durchsetzen?
Möstl: Ich gehe davon aus, dass bei branchenübergreifenden Systemen nicht mehr als drei große Anbieter überleben werden, nämlich Payback, Karstadt/Quelle und vielleich der neue Wetten-Dass-Club. Der deutsche Bürger wird vermutlich nicht mehr als drei Karten im Portemonnaie mit sich herumtragen wollen.
OtO: Würden Sie Unternehmen grundsätzlich zur Kundenkarte raten?
Möstl: Ich rate zu einer Kundenmanagement-Strategie, nicht zur "Insellösung Kundenkarte". Eine Karte muss sinnvoll eingesetzt werden, und zwar nur zur Bindung von guten Bestandskunden. Zur Neukundengewinnung taugen Gutscheine mehr. Versender, vor allem auch Spezialversender, haben den Vorteil, über Adress-Splits den Erfolg von Kundenkarten über bestimmte Zeiträume hinweg testen zu können. Plastikkarten verschicken kann jeder. Die Herausforderung ist, dass sie langfristig zu Ertragssteigerungen beitragen.
Robert Möstl (41) ist Inhaber der DM C & C, Direct Marketing, Consulting & Coaching, in Hennef bei Bonn. Er berät unter anderen die Deutsche Post, die Klingel Gruppe und das Direktreisebüro Follow Me. Möstl machte sich im April 2001 selbstständig. Zuvor war er unter anderem Leiter Neukundenwerbung bei Quelle in Fürth und Marketingdirektor bei der DBV-Winterthur Gruppe in Bonn und Wiesbaden. Zuletzt war er Geschäftsführer der Unternehmensberatung für Kundenbindung ConCept Card (BSW) in Bayreuth.
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