Uneinigkeit der EU bremst die Postliberalisierung aus

15.03.2001 - Die Liberalisierung der europäischen Postdienste stößt im Europäischen Parlament und einigen Mitgliedstaaten auf Widerstand - und damit wird auch das Monopol der Deutschen Post wohl auf längere Zeit bestehen bleiben.

Anfang Februar erklärte Wirtschaftsminister Werner Müller in Bonn, dass die Regierung die für Anfang 2003 vorgesehene völlige Liberalisierung des deutschen Postmarktes auf "einen späteren Zeitpunkt" verschieben will. Hierzu muss das deutsche Postgesetz geändert werden. "Im Postsektor zeichnet sich ab, dass die große Mehrheit unserer Partner innerhalb der Europäischen Union den wettbewerbsfreundlichen Kurs, den wir in Deutschland einschlagen wollten, nicht mitgeht", begründet Müller die Verschiebung.
Sprich: Deutschland ist vorgeprescht und muss nun auf die anderen warten, um "Chancengleichheit" herzustellen, wie der Minister betont.
Die Entscheidung von Müller, so Christof Riegert, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Postdienstleister in Bonn, sei nachvollziehbar. Allerdings fordert er klare Zeitvorgaben, ab wann das Monopol denn nun auch in Deutschland fallen werde. Das wiederum konnte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums nicht beantworten, gab aber zu bedenken, dass neben dem Porto, wie angekündigt, auch die Gewichtsgrenzen durchaus gesenkt werden könnten.
Sollte das Postgesetz tatsächlich abgeändert werden, wäre dies Ausdruck des europäischen Streits um die Fortführung der Post-Liberalisierung. Kern des Anstoßes ist die Ablösung der bestehenden EU-Richtlinie 97/67, auf der auch das deutsche Postgesetz beruht. Die Richtlinie schließt alle Massensendungen bis zur Gewichtsgrenze von 350 Gramm vom freien Wettbewerb aus, verlangt allerdings zu einem späteren Zeitpunkt die Aufhebung dieses Monopols.
Daraufhin präsentierte die EU-Kommission im Sommer 2000 einen entsprechenden Reformvorschlag. Er sieht u.a. die völlige Freigabe des Briefverkehrs oberhalb der 50-Gramm-Gewichtsgrenze sowie des grenzüberschreitenden Briefverkehrs vor.
Doch dem Europäischen Parlament ging dies zu weit, es schwächte das Reformpaket erheblich ab (ONEtoONE berichtete). Das Parlament wünscht sich einen behutsameren und langsameren Übergang in die rauhe Welt des Wettbewerbs. Nicht so sehr der Druck der Ex-Monopolisten, vielmehr die Sorge um mögliche Arbeitsplatzverluste und der Wegfall einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Postdiensten bewog die Abgeordneten zu ihrer Haltung - so zumindest die offizielle Variante.
Auch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind sich uneins. In Europa ticken trotz aller Bekräftigungen zur Europäischen Einheit noch nicht alle nationalen Uhren im gleichen Takt, Deutschland beschränkte das Monopol weitaus stärker als Frankreich und Großbritannien. Von daher verwundert es nicht, dass der EU-Ministerrat für Telekommunikation nach dem Parlamentsdebakel zu keiner Einigung hinsichtlich des Kommissions-vorschlages kam: Und solange Europa nicht an einem Strang zieht, wird Müller auch nicht das Monopol der Deutschen Post antasten.
Das Projekt liege EU-weit auf Eis, so eine Sprecherin des für die Liberalisierung zuständigen EU-Kommissars Frits Bolkestein in Brüssel. Riegert glaubt daher nicht mehr so recht an die Umsetzung der Kommissionsvorschläge, doch Bolkestein - "ich bleibe optimistisch" - will hart bleiben.
By the way: Auch der neue EU-Vorschlag lässt Mailings bis 50 Gramm in den Händen der Ex-Monopolisten. Die völlige Liberalisierung - auch weiterhin nur ein Zukunftstraum? mac

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