02.01.2012 - Ein Urteil des Landgerichtes Lüneburg stellt die bisherige Form von unadressierter Werbung per Post juristisch in Frage. Künftig müssen die werbenden Unternehmen die Zustellung solcher Postwurfsendungen unterlassen, wenn der Verbraucher sie unmittelbar dazu auffordert. In der Wahl des Benachrichtigungsmittels sei der Verbraucher frei, ein Aufkleber auf dem Briefkasten nicht zwingend nötig, so das Gericht. ONEtoONE fragte in der Branche nach potenziellen Folgen der Entscheidung: Die Post und der DDV sehen das Urteil als Einzelfall. Rechtsanwalt Ralf Rösler sieht indes möglicherweise "unangenehme Konsequenzen".
Im konkreten Fall (Aktenzeichen 4 S 44/11) hatte ein Anwalt aus Lüneburg gegen die Zustellung von "Einkauf aktuell" geklagt. Der Kläger hatte die Prospektesammlung wiederholt von der Deutschen Post erhalten, obwohl er das Unternehmen mehrfach schriftlich dazu aufgefordert hatte, die Zustellung zu unterlassen. Widersetzt sich die Post künftig dem Urteil des Landgerichts, drohen dem Unternehmen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.
Das Landgericht berief sich in seinem Urteil auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Zustellung von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stelle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, so die Richter.
Das Urteil könnte wegen des drohenden Mehraufwands erhebliche Folgen für die bisher vergleichsweise kostengünstige unadressierte Werbung per Post haben - denn die werbenden Unternehmen müssten persönlich mitgeteilte Wünsche von Werbeverweigerern beachten und diesen durch organisatorische Maßnahmen Rechnung tragen, heißt es in dem Urteil. "Im Hinblick auf die erhebliche Anzahl von Werbeverweigerern wird dies gegebenenfalls dazu führen, dass die bisher bekannte Form der Postwurfsendungen nicht mehr möglich sein wird."
Die Post will beim Kläger die Zustellung von "Einkauf aktuell" künftig unterlassen, sieht aber keinen Anlass, um in Berufung zu gehen. "Das ist eine Einzelfallentscheidung", so ein Sprecher.
"Im besagten Urteil steht der Einzelfall im Vordergrund", sagt auch Paul Nachtsheim, Geschäftsführer des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV). "Ob das Urteil auch Folgen für die Branche hat, ist derzeit nicht abzusehen. Einzelne Verbraucherreklamationen müssen in Zukunft - wie auch bisher - in Abstimmung mit dem Verbraucher geregelt werden."
Der auf Datenschutz spezialisierte Rechtsanwalt Ralf Rösler meint indes, das Gericht habe einen Fehler gemacht, weil es allein das Wettbewerbsrecht angewendet hat, obwohl ein Privatmann geklagt hat. Eine Privatperson sei nicht nach dem UWG klagebefugt. "Die Crux ist: Das Ergebnis ist im vorliegenden Fall falsch, die Begründung aber generell richtig", so Rösler. "Bei gehäuften Klagen eines Mitbewerbers oder eines Wettbewerbsvereins könnte dies in der Tat unangenehme Konsequenzen für die Deutsche Post haben - aber auch für andere Werbetreibende, die Postwurfsendungen nutzen."
In einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung zu "Einkauf aktuell" hat die Deutsche Post zumindest vorerst nichts zu befürchten. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies eine Klage des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) gegen das Postprodukt ab. Die Verlegerverbände hatten sich ebenfalls auf das UWG berufen: Als Unternehmen, das sich zum Teil in Staatsbesitz befindet, dürfe die Deutsche Post keine redaktionellen Beiträge veröffentlichen, weil dies dem Gebot der Staatsferne der Presse zuwider laufe. Der BGH wies die Klage ab, da die Deutsche Post nicht von Bund und Ländern beherrscht werde (I ZR 129/10). (re)
[k]Eine ausführliche Erklärung des Urteils sowie eine Einschätzung möglicher Folgen können Sie in diesem Interview mit Rechtsanwalt Ralf Rösler nachlesen.[/k]
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