02.01.2012 - Die Call-Center-Branche ist in Bewegung. Verschiedene Gesetzesänderungen stehen kurz vor einer Entscheidung - die kostenlose Warteschleife soll kommen, das Telekommunikationsgesetz muss aber noch durch den Vermittlungsausschuss. In der Branche herrscht Uneinigkeit bei Mindestlohn und Beschäftigtendatenschutz.
Das Bundeskabinett beschloss im März dieses Jahres, dass das deutsche Telekommunikationsgesetz (TKG) geändert werden solle. Dabei sollte nicht nur eine Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur erreicht werden, vor allem der Verbraucherschutz stand dabei im Mittelpunkt. Verbraucher sollen künftig davor bewahrt werden, hohe Kosten für Warteschleifen zu bezahlen, ohne eine Leistung dafür zu erhalten. "Es ist uns gelungen, das Problem der kostenpflichtigen Warteschleifen zu lösen", verkündete Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner damals. In den nachfolgenden Monaten formierten sich Unternehmen und Verbände wie der Call Center Verband Deutschland (CCV) und der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV), um Einfluss auf den Gesetzesentwurf zu nehmen. "Kostenlose Warteschleifen zu fordern ist einfach und plakativ. Bei der Umsetzung muss die Politik deutlich nachbessern", sagte CCV-Vizepräsident Manuel Schindler im Juli. Auch der DDV betonte mehrfach, dass die technische Umstellung schwierig sei.
Am 27. Oktober beschloss der Bundestag dann die Änderung des TK-Gesetzes. Die kostenlose Warteschleife bei Servicerufnummern soll kommen. Zur Umsetzung der TKG-Novelle hätten die Unternehmen zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes Zeit (Details dazu finden Sie in unserem Gastbeitrag, siehe unten). Nun hätte das Gesetz im November nur noch den Bundesrat passieren müssen, doch dazu kam es nicht. Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss an (bestehend aus Mitgliedern des Bundestags und des Bundesrats), um mögliche Nachbesserungen zu diskutieren. Eine Entscheidungsfrist gibt es nicht, zum Redaktionsschluss befand sich das Gesetz noch in der Schwebe. Dass es Änderungen geben wird, ist aber entschieden. Laut Bundesrat stehen nur einzelne "Aspekte der Rundfunkfrequenzvergabe in der Kritik, nicht die Verbesserungen des Verbraucherschutzes". ONEtoONE sprach über die Bedeutung der TKG-Novellierung und über weitere geplante gesetzliche Änderungen wie das Beschäftigtendatenschutzgesetz und den Mindestlohn mit CCV-Präsident Manfred Stockmann und Dr. Simon Juraschek, Council-Vorsitzender Telemedien- und Call-Center-Services im DDV.
[f1]"Gegen die kostenlose Warteschleife haben wir nichts einzuwenden, wenn sie denn technisch in dieser Form möglich wäre. So, wie es der jetzige Entwurf vorsieht, werden vor allem kleine und mittelständische Unternehmen unter den zusätzlichen Kosten leiden sowie der Verbraucher selbst", sagt Simon Juraschek. Hierbei zielt er vor allem auf die aufgehobene Bagatellregelung ab. Diese besagte, dass die erste Warteschleife bei einem Anruf mit Weiterleitung weiterhin kostenpflichtig sein dürfe, sofern sie nicht länger als 30 Sekunden dauere. "Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Keller, und Ihre Waschmaschine läuft aus. Sie greifen zum Handy und rufen die Servicenummer an, die auf der Maschine steht. Der Call-Center-Mitarbeiter wird Ihr Problem nicht direkt lösen können. Er könnte aber an jemanden weiterleiten, der weiß, was zu tun ist. Weil die Bagatellregelung gekippt wurde, wird Ihnen der Agent aber nur eine andere Nummer nennen, die Sie anrufen sollen." Oder man käme mit dem Handy gar nicht erst durch, weil bestimmte Nummern mobil nicht mehr erreichbar wären.
CCV-Präsident Stockmann kritisiert ebenfalls: "Das Gesetz, das derzeit im Vermittlungsausschuss behandelt wird, ist bezüglich der Regelungen zur kostenlosen Warteschleife weder verbraucher- noch wirtschaftsfreundlich. Die Bestimmungen zeugen von wenig Weitsicht und machen einen guten Dialog zwischen Kunden und Unternehmen nahezu unmöglich. Insbesondere die Streichung der Bagatellregelung ist aus unserer Sicht ein großes Manko. Wer das Thema elegant - wenn auch nicht unbedingt im Sinne des Gesetzgebers - umgehen will, wird sein Sprachdialogsystem aufrüsten oder statt weiterzuverbinden einfach auf eine andere Rufnummer verweisen. Das ist nun wirklich nicht verbraucherfreundlich." Die Möglichkeiten, kostenlose Warteschleifen zu umgehen, haben wir am Ende des Artikels zusammengefasst.
Also zahlen am Ende doch wieder die Verbraucher drauf? Den Schilderungen der Verbände zufolge ja. Tatsächlich sind die Call-Center-Dienstleister bezüglich der kostenlosen Warteschleife offenbar entspannt. ONEtoONE befragte einige der umsatzstärksten deutschen Dienstleister (Ranking 2011 im "Call-Center Profi"). So sagte zum Beispiel Harry Wassermann, CEO von SNT: "Die kostenlose Warteschleife betrifft eher die Auftraggeber." Ob diese tatsächlich mehr Geld dafür ausgeben werden oder stärker auf andere Kanäle ausweichen (siehe das nachfolgende Social-Media-Special), wird sich erst noch zeigen.
[hl]Datenschutz und Mindestlohn[/hl]Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, in denen sich Call-Center in den vergangenen Jahren bewegten, verändern sich derzeit auch an anderer Stelle radikal. Beschäftigtendatenschutz (betrifft das Mithören von Telefonaten aus Qualitätssicherungsgründen) und Mindestlohn stehen auf der Tagesordnung der Politik. Die Verbände CCV und DDV vertreten in beiden Punkten gegensätzliche Standpunkte. Auf ihrer Herbstkonferenz haben die deutschen Justizminister eine Veränderung im Beschäftigtendatenschutz angestoßen. Die aktuellen Pläne sehen vor, dass Call-Center in ihren Möglichkeiten, die Gespräche ihrer Mitarbeiter abzuhören, eingeschränkt werden. Dadurch soll die Privatsphäre der Mitarbeiter geschützt werden. DDV-Präsident Stockmann sagt: "Die derzeit diskutierte Einschränkung der Aufzeichnungs- und Mithörmöglichkeiten zur Qualitätssicherung ist völlig realitätsfremd. Diese Gespräche sind Hauptbestandteil des Produktionsprozesses Service und keine Privatgespräche. Einerseits fordert der Gesetzgeber zur Beweissicherung in immer mehr Fällen eine lückenlose Dokumentation, wie sie nur durch Aufzeichnung gewährleistet werden kann. Andererseits sollen das Aufzeichnen und auch die Auswertung von Gesprächsdaten aus der Automatic Call Distribution eingeschränkt werden. Dass dies dazu führt, dass die Servicequalität in Deutschland besser wird, ist ein Märchen, an welches selbst die Politiker nicht glauben wollen." Simon Juraschek vom DDV findet hingegen: "Wir verstehen die Wellen nicht, die der CCV schlägt. Natürlich muss man Mitarbeiter und Verbraucher vor dem Aufzeichnen informieren. Was dabei verboten ist, bleibt auch verboten. Wir sehen keine Gefahren für die Qualitätssicherung." Mehr zu den rechtlichen Details finden Sie auch im nachfolgenden Gastbeitrag.
Beim Mindestlohn gehen die beiden Verbände ebenfalls getrennte Wege. Nachdem in der Regierungspartei CDU rund um den Bundesparteitag im November verkündet wurde, branchenspezifische Mindestlöhne zwischen Tarifpartnern zu befürworten, beschloss der CCV die Gründung eines Arbeitgeberverbandes. "Der überwiegende Teil der Arbeitgeber, die wir Anfang 2011 befragt haben, wünscht sich eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze. Damit soll dem Preisdumping auf dem Markt ein Riegel vorgeschoben werden. Der CCV hat darauf reagiert. Die weiteren Verhandlungen wird der neue Arbeitgeberverband mit den Sozialpartnern führen", sagte Manfred Stockmann. Der DDV will diesen Schritt nicht mitgehen. "Wir haben nichts gegen vernünftige Bezahlung", erwidert Simon Juraschek. "Aber wir werden uns keinem Zweckverband anschließen, der keine Aussicht auf Erfolg hat. Denn die größten Call-Center-Dienstleister haben bereits signalisiert, einem solchen Verband nicht beitreten zu wollen. Da dieser mindestens 50 Prozent der circa 100.000 betroffenen Mitarbeiter abde-cken müsste, glauben wir hier an keinen Erfolg." Juraschek betont aber auch: "Hinter vorgehaltener Hand ist keiner gegen den Mindestlohn. Aber es ist nahezu unmöglich, alle einzelnen kleinen Anbieter mit einzusammeln." Somit wäre das Lohndumping nicht wirksam bekämpft. Juraschek setzt weiterhin auf leistungsorientierte Bezahlung. (db)
[k]Drei Wege für Unternehmen, die kostenlose Warteschleife zu umgehen:[/k]
1. IVR aufrüsten. Ein Sprachdialogsystem, das Kunden beispielsweise auffordert, Daten bereitzuhalten, gilt nicht als Warteschleife.
2. Statt teuer zum Experten weiterzuleiten: dem Verbraucher die Telefonnummer nennen, damit dieser selbst dort anruft.
3. Der Weg in die Cloud. Verschiedene Dienstleister bieten bereits Services an, wartende Anrufer (vermeintlich) kostengünstiger in externe Netze auszulagern, bis ein Agent frei ist.
Oder: Sie erobern neue Kanäle. Was Call-Center-Dienstleister nun in Social Media leisten möchten, lesen Sie im vierten Teil des Dossiers.
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