24.02.2009 - Deutschlands Direktmarketing-Dienstleister geben sich in der Auseinandersetzung um das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch nicht geschlagen.
Nach der Berichterstattung in der jüngsten ONEtoONE weist Marko Reiß dezidiert auf die Folgen für Spendenorganisationen hin. Reiß ist Geschäftsführer der Hamburger Dialogmarketing-Agentur Team Go Direct.
Hier sein Autorenbeitrag:
In der Diskussion um die geplante Abschaffung des so genannten Listenprivilegs gelten vor allem die seriösen Direktmarketing treibenden Unternehmen von Handel, Banken, Versicherungen und Verlagen als große Verlierer der vom Gesetzgeber beabsichtigten Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Sie alle fürchten um den Erhalt ihrer Neukunden- bzw. Abonnentenakquisition per adressiertem Mailing. Zugleich trifft der Vorstoß der Legislative aber auch die wichtige Arbeit der Spendenorganisationen. Diese sind zwar formal vom Erfordernis der vorgesehenen Opt-in-Einwilligung ausgenommen. Das bedeutet, dass die Daten potenzieller Spender auch ohne die vorherige Einwilligung derselben weitergegeben und genutzt werden dürfen.
Tatsächlich bedeutet die Abschaffung des Listenprivilegs aber auch für Organisationen wie zum Beispiel Nabu, Bund und SOS-Kinderdörfer einen schmerzhaften Einschnitt. Jeder dieser Vereine ist auf qualitativ hochwertige Adressen kommerzieller Adressunternehmen angewiesen. Und wenn eben diese Unternehmen ab dem 1. Juli 2009 neue Adressdaten nur noch nach dem ebenso zeitaufwendigen wie kostenintensiven Opt-in-Verfahren generieren dürfen, dann werden die Preise für den Erwerb einer Adresse drastisch ansteigen. Zudem wird auch die Quantität aktueller Adresslisten schlagartig sinken. Ein Anstieg verwertbarer, neuer Adressen wird erst dann wieder zu verzeichnen sein, wenn der gesamte, verfügbare Adressbestand auf das Opt-In-Verfahren umgestellt ist. Dieser Vorgang dürfte Jahre dauern und mehr als üppige Investitionen notwendig machen. Folge für die Spendenorganisationen: Ein nicht zu unterschätzender Anteil der Spenden ginge ab Juli 2009 durch den Ankauf teurer, aktueller Adressdaten verloren. Damit wird die direkte Verwendung der Spendengelder für Hilfsprojekte deutlich schwieriger werden.
Zwar sollen alte, nach dem Opt-out-Prinzip gewonnene Adressen für eine Übergangszeit von drei Jahren verwendbar bleiben, doch veralten diese natürlich recht schnell. Umzug, Heirat, Tod und weitere Gründe sorgen für einen raschen Verfall des Werts einer Adresse und machen diese für Mailingaktionen zumindest mittelfristig unbrauchbar.
Völlig unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt übrigens noch, wie eine juristisch zweifelsfrei und damit wasserdicht formulierte Klausel gestaltet sein muss, um eine sichere und problemlose Nutzung einer einmal erteilten Opt-in-Einwilligung auch langfristig zu gewährleisten.
Die geplante Abschaffung des Listenprivilegs wurde offenbar mit glühend heißer Nadel gestrickt und zeigt wenig Weitsicht. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit seinem Entwurf zumindest mittelbar die überragend wichtige Arbeit der Spendenorganisationen einschränkt und damit die Belange hilfsbedürftiger Menschen schlichtweg ignoriert, ist eine nahezu beispiellose, politische Farce. Wird der Entwurf in seiner aktuellen Form Gesetz, würden die Volksvertreter die vielfältigen sozialen "Kollateralschäden", die sie damit anrichten, billigend in Kauf nehmen. Und das kann kaum im Interesse der Bevölkerung liegen.
Der Gesetzgeber wollte mit der geplanten BDSG-Novelle ursprünglich für mehr Transparenz und Datensicherheit sorgen. Im Grundsatz geht es dabei um die Berufsfreiheit der Direktmarketer einerseits und um das Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (potenzieller) Kunden, denen Mailings zugesandt werden sollen, andererseits. Sieht man einmal davon ab, dass ein Grundrecht im ursprünglichen Sinne ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat (und gerade nicht gegen private Unternehmen) darstellt und ein kritischer Mailingadressat sich daher vorliegend allenfalls auf die sogenannte "Drittwirkung" der Grundrechte zwischen Privaten berufen könnte, so bleibt eines ganz klar: Weder die Berufsfreiheit noch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht werden schrankenlos gewährleistet. Das heißt, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer Abwägung feststellen muss, welches Recht er für schutzwürdiger hält.
Nachdem der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Sebastian Edathy, die Verabschiedung (zumindest des Kerns) der BDSG-Novelle bei der Berliner Datenschutzrunde im Januar 2009 eindeutig befürwortet hatte, hat am 13. Februar auch der Bundesrat die geplanten Neuerungen gebilligt. Am gleichen Tag ist der Vizepräsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes, Patrick Tapp, zurückgetreten und hat seine ehrenamtlichen Ämter in der Organisation niedergelegt. Grund: Der erhebliche Arbeitsaufwand für die Lobbyarbeit insbesondere im Zusammenhang mit dem Bundesdatenschutzgesetz. Die Aussichten für den Fortbestand des Listenprivilegs sind also als eher trübe einzustufen. Im März berät der Bundestag über den Gesetzentwurf. Bis dahin bleibt die Zukunft der Arbeit der Spendenorganisationen, und der Direktmarketer in wichtigen Wirtschaftszweigen wie Handel, Finanzdienstleistungen und Medien weiter ungewiss. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gesetzgeber entscheiden wird. Lehnt er den Erhalt des Listenprivilegs ab, würde dies in der Folge zweifelsohne zum Wiederaufkeimen der ungeliebten Haustürgeschäfte führen. Und während ein seriöses Mailing den Adressaten in keiner Weise unter Druck setzt, kann die Anbahnung eines Haustürgeschäfts leicht zum belästigenden Faktor werden. Auch über diese Konsequenz wird der Bundestag im März zu beraten haben.
Marko Reiß
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