SPD und Union: Bußgeld für unseriöse Call-Center

27.11.2006 - Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD wollen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) nachbessern, um unerlaubte Call-Center-Anrufe effektiver bekämp fen zu können.

"Das gegenwärtige Gesetz ist völlig wirkungslos", sagt die verbraucherpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU). Der Grund: Das Gesetz verbiete zwar, dass Werbetreibende Verbraucher ohne deren vorherige Erlaubnis (Opt-in) anrufen. Allerdings werde dieses Verbot nicht als Ordnungswidrigkeit eingestuft, so dass keine Bußgelder verhängt werden könnten. Der angerufene Kunde habe somit nur die Möglichkeit, über einen Verbraucherschutzverband Klage einzureichen. "Wenn etwas verboten ist, ohne dass es bußgeldbewährt ist, haben Sie kaum Chancen, etwas zu machen", sagt der SPD-Abgeordnete Manfred Zöllmer. Er kündigte einen Vorstoß in Bezug auf die Abschöpfung von so genannten Unrechtsgewinnen an. Das UWG biete zwar schon die Möglichkeit der Gewinn-abschöpfung, allerdings sei sie noch an einen Vorsatz geknüpft. "Wir müssen prüfen, ob wir diese Schwelle deutlich senken können", sagt Zöllmer. Er werde bei den federführenden Juristen darauf drängen, so schnell wie möglich etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Es gebe auch Überlegungen, einen entsprechenden Passus im Telemediengesetz unterzubringen.

Unklar sei auch noch die Höhe des Bußgeldes. "Das muss ein Strafmaß sein, dass diejenigen, die sich nicht um das Verbot kümmern, sehr empfindlich getroffen werden, damit sie sich in Zukunft darum kümmern", sagt Zöllmer. Möglicherweise wird die Summe vom Umsatz des Beklagten abhängig gemacht. Dass solche Bußgelder nur schwer durchzusetzen sind, da die meisten unseriösen Anrufer im Ausland sitzen oder ihre Nummer unterdrücken, bestreitet Zöllmer gar nicht. Die Politik müsse den Bürgern daher ganz klar sagen, dass man "dieses Unwesen nicht völlig ausrotten" könne. "Es ist aber ganz wichtig, erst einmal ein Zeichen zu setzen", so Zöllmer.

Die Opposition sieht den Vorstoß noch skeptisch. Nach Ansicht der FDP sind Selbstverpflichtungen der Werbebranche deutlich wirksamer als ein Bußgeld. "Bevor gesetzliche Maßnahmen erwogen werden, muss erst einmal abgewartet werden, wie Selbstverpflichtungen wirken", sagt der verbraucherpolitische Sprecher Hans-Michael Goldmann. Das Call Center Forum hat gerade einen Ehrenkodex verabschiedet, der festlegt, wann eine Einwilligung vorliegt. Mindestens ebenso wichtig wie eine Selbstverpflichtung ist Goldmanns Ansicht nach eine Aufklärung der Verbraucher: "Es muss jedem klar gemacht werden, dass er unerlaubte Werbeanrufe nicht dulden muss und was er selbst aktiv dagegen tun kann." Außerdem sei es erforderlich, bei den Verbrauchern eine höhere Sensibilität beim Umgang mit persönlichen Daten zu wecken.

Ulrike Höfken von Bündnis 90/Die Grünen geht dagegen über den Ruf nach spürbaren Sanktionen hinaus und fordert ein Recht auf Annullierung von Verträgen, die durch unzulässige Werbung zustande gekommen sind. Zusätzlich sollten die Verbraucher Schadensersatz verlangen können. "Nur dies schafft einen wirksamen Anreiz, auf rechtswidrige Praktiken zu verzichten", sagt Höfken, die dem Ausschuss für Verbraucherschutz vorsitzt. Die Linkspartei verlangt eine Umkehr der Beweislast, da die Bürger mit der Anzeige- und Beweislast im Bußgeldverfahren schnell überfordert seien. "Es muss geprüft werden, ob die Werbetreibenden gegenüber dem Angerufenen verpflichtet werden können, im Voraus ihre Daten zur Rückverfolgbarkeit offenzulegen bzw. während eines Gesprächs die Offenlegung auf Anforderung zu wiederholen", sagt die verbraucherpolitische Sprecherin Dr. Kirstin Tackmann.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen setzt sich dafür ein, dass die im Telekommunikationsgesetz fest gelegten Befugnisse der Bun desnetzagentur auf die Verfolgung unerwünschter Telefonwerbung ausgedehnt werden. "Man sollte der Netzagentur die Möglichkeit geben, wirksame Sanktionen zu verhängen, zum Beispiel durch Rufnummernentzug oder wirtschaftlich spürbare Geldbußen", sagt Michael Bobrows-ki, Telekommunikationsreferent der Verbraucherschutz organisation. Der Deutsche Direktmarketing Ver band (DDV) lehnt Sanktionen dennoch strikt ab. "Ständig neue Gesetze und Bußgelder zu erfinden, die handwerklich falsch und ordnungspolitisch unsinnig sind, ist kontraproduktiv", sagt Vizepräsident Patrick Tapp. Stattdessen sollte die Regierung die europäische UCP-Richtlinie umsetzen, die ganz deutlich belästigende Werbung verbiete. "Anstatt sich für eine einheitliche europäische Richtlinie einzusetzen, wird nun aus populistischen Gründen auf nationaler Ebene nachgefummelt", sagt Tapp. Seiner Meinung nach ist ein Bußgeld mit dem Wettbewerbsrecht gar nicht vereinbar. Begründung: Knüpft man strafrechtliche Sanktionen an das Wettbewerbsrecht, greift das verfassungsrechtliche Bestimmungsgebot. Danach muss der Einzelne die Möglichkeit haben, sein Verhalten auf die Rechtslage einzurichten und die Tragweite des Straftatbestands zu erkennen. "Und daran fehlt es bei der unzumutbaren Belästigung", sagt Tapp. Außerdem bezweifelt der Call-Center-Experte, dass bei Belästigung ein strafwürdiges Unrecht vorliegt.Der DDV setze sich daher nachhaltig für eine Selbstregulierung der Wirtschaft ein.

Das Bundesjustizministerium sieht Selbstregulierungen dagegen kritisch. Derartige Maßnahmen seien nicht geeignet, die Belästigung in Grenzen zu halten, da Telefonmarketing besonders von aggressiv werbenden Unternehmen genutzt werde, die sich von einer Selbstkontrolle kaum beeindrucken ließen. Gleichsam ist es relativ unwahrscheinlich, dass sich das Ministerium der Forderung nach einem Bußgeldkatalog anschließt. Der Grund: Justizministerin Brigitte Zypries ist nach wie vor der Meinung, dass das UWG einen "wirksamen Schutz" gegen Belästigungen aus Call-Centern biete. Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) prüft dagegen die Realisierungschancen von Strafen. brö

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