29.12.2005 - Das Bundesjustizministerium äußerst sich über die Begrenzung des Telefonmarketings, eine Neuregelung des UWG und unlautere Geschäftspraktiken.
Viele Call-Center-Betreiber wollen eine Liberalisierung des Wettbewerbsrechts erreichen. Ihre Hoffnungen richten sich vor allem auf die neue schwarz-rote Bundesregierung. Sind diese Hoffnungen berechtigt? Drei Fragen an das Bundesjustizministerium. te
Publikumsmedien berichten immer wieder von Belästigungen durch Anrufe aus einem Call-Center. Benötigen wir in Deutschland mehr Schutz, um in der Freizeit nicht mit Werbeanrufen genervt zu werden?
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bietet einen wirksamen Schutz gegen die genannten Werbeanrufe. Paragraf 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verbietet Werbung mit Telefonanrufen, ohne dass der Adressat vorher sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht hat (so genannte Opt-in-Lösung).Weil die Telefonwerbung gegen über Privatpersonen einen erheblichen Eingriff in die Individualsphäre darstellt, hat die Rechtsprechung schon lange vor der Reform des deutschen UWG solche Anrufe für unzulässig gehalten. Denn der Adressat der Werbung wird veranlasst, das Gespräch zunächst anzunehmen und wegen der Ungewissheit über den Zweck des Anrufs meist genöti gt, sich auf das Gespräch einzulassen, bevor er überhaupt entscheiden kann, ob er das Gespräch fortsetzen will oder nicht. Gerade weil sich der Anschlussinhaber gegen das Eindringen in seine Privatsphäre nicht von vornherein wehren kann, ist schon das Anrufen als solches wegen der damit verbundenen Belästigung unzulässig. Bei einer Freigabe solcher Anrufe könnten sich die Angerufenen nicht wirkungsvoll zur Wehr setzen, insbesondere wenn sie mehrmals am Tag von ganz verschiedenen Firmen solche Anrufe erhalten. Denn der gegenüber einem Unternehmen erklärte Wille, nicht mehr angerufen werden zu wollen, könnte gegenüber anderen Unternehmen keine Bindungswirkung entfalten. Maßnahmen der Selbstregulierung erscheinen nicht geeignet, die Belästigungen in Grenzen zu halten, da das Telefonmarketing erfahrungsgemäß gerade auch von Unternehmen mit sehr aggressiven Werbemethoden genutzt wird, die sich von einer Selbstkontrolle kaum beeindrucken lassen würden.
Interessenverbände fürchten, dass hierzulande mehr als 100.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Sie fordern deshalb die Anpassung des deutschen Rechts an eine EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Wann soll denn die verbindliche UCP-Richtlinie in Deutschland umgesetzt werden?
Schon im Vorfeld der letzten UWG-Reform wurde von der Werbewirtschaft gefordert, die Telefonwerbung völlig freizugeben. Sie sollte nur noch dann unzulässig sein, wenn sie gegen den erklärten Willen des Adressaten erfolgt (Opt-out-Lösung). Diesem Anliegen ist der Gesetzgeber aus den vorgenannten Gründen mit Recht nicht gefolgt. Der zu befürchtende Arbeitsplatzabbau wurde damals mit 40.000 Arbeitsplätzen beziffert. Nach dem Inkrafttreten des neuen UWG hat es hierzu aber weder Beschwerden gegeben, noch sind irgendwelche Fakten bekannt geworden, die eine derartige Schlussfolgerung rechtfertigen würden.Auch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die bis zum 12. Juni 2007 umzusetzen ist, gibt zu einer Änderung des UWG in diesem Punkt keinen Anlass. Wie schon erwähnt, enthält das UWG in Paragraf 7 Abs. 2 Nr. 2 bereits ein Verbot der unverlangten Telefonwerbung im Sinne einer Opt-in-Lösung (Zulässigkeit der Telefonwerbung allein bei vorheriger Einwilligung des Adressaten).Die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation räumt den EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf die Telefonwerbung ausdrücklich ein Wahlrecht zwischen der Opt-in-Lösung und der Opt-out-Lösung ein (Unzulässigkeit der Telefonwerbung erst, wenn der Adressat seinen entgegenstehenden Willen erklärt). Dieses Wahlrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird durch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht angetastet.
In der rot-grünen Bundesregierung galten die Grünen in der Öffentlichkeit als jene, die in Wettbewerbsfragen - also beim Abwägen zwischen Verbraucherschutz und der Schaffung von Arbeitsplätzen - eher zum Verbraucherschutz tendierten. Die Union hingegen hatte sich im Jahr 2004 für ein liberaleres UWG stark gemacht. Wird es nun mit der schwarz-roten Regierung einen neuen Kurs im Bundesjustizministerium geben?
Die in Europa vorbildliche Liberalisierung des Lauterkeitsrechts durch das am 8. Juli 2004 in Kraft getretene neue UWG hat sich voll bewährt. Als nächster gesetzgeberischer Schritt steht - wie schon in der letzten Legislaturperiode geplant - die fristgemäße Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht an.
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