Warten auf den Anpfiff

29.09.2005 - Wie sich die Dialog-Agenturen auf die WM 2006 vorbereiten

Eigentlich sollte die Republik dem Fußballfieber schon längst verfallen sein. "Die WM 2006 ist für Deutschland das einschneidendste und am positivsten besetzte Erlebnis der nächsten Monate", sagt Udo Klein-Bölting, CEO von BBDO Consulting. Obwohl jedes dritte deutsche Unternehmen laut BBDO-Studie bereits WM-Kampagnen verabschiedet hat, unterschätzen die Werbestrategen seiner Meinung nach den Effekt auf "Zustand und Image" des Gastgeberlandes. Doch das Mega-Event hat auch seine Tücken: Die Sponsoren sind gut gedeckt, und einfach nur dabei sein führt im Zweifelsfall zu nichts. "Der Dialog hat es in dem Umfeld nicht leicht", meint DNS-Gesellschafter Mathew Davis. Insbesondere der Mittelstand wird alle Register der Absatzförderung ziehen.

Fußball ist das, was man in der Branche einen "absoluten Werbeträger" nennt. Das Thema lässt nur wenige kalt und setzt Millionen in Bewegung. Der Studie "WM 2006 und Medien" von media.net berlinbrandenburg zufolge kann die deutsche Fußball-WM 2006 weltweit bis zu 2,5 Milliarden Euro Umsatzerlöse erzielen. Allein die Tourismusbranche rechnet mit drei Milliarden Euro mehr Umsatz. "Mindestens die Hälfte aller Promotions und Gewinnspiele zur Saison wird sich um Fußball drehen", schätzt Andreas Tautz, der eine eigene WM-Unit ins Leben gerufen hat. "Das Thema inspiriert unsere Kunden und Kreativen sehr - vor allem die männlichen", berichtet Andreas Romanowski von Brüggemann & Freunde.

Fest steht allerdings auch, dass der Löwenanteil der Werbe-Spendings auf die Sponsoren und großen Markenartikler entfällt. Die anderen werden das Turnier wohl primär für Promotions und VkF ausschlachten.

Nachteil des Rummels: Auffallen wird schwierig. Rudolph Jahns von Jahns and Friends rät vielen Kunden wegen des erhöhten Lärmpegels kategorisch ab: "Außer den Top-Sponsoren wird es kaum einem anderen Markenartikler gelingen, aufzufallen", so der Agenturchef. "Spezielle Zielgruppen mit ausgetüftelten Mehrwertideen zu ködern - das kann ich sonst auch."

Nils Klupp von der Hamburger Agentur Tequila war schon im Wahlkampf gelangweilt von zahllosen Plakaten mit Wahlzetteln und -kreuzen: "Der 75. Grill-Anlass zum Fußball und das 15. Torwartschießen im Internet werden nicht auffallen." Zur WM hätten nur besondere Ideen eine Chance.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: BBDO Germany hat ein Rundum-Sorglos-Paket für Unternehmen geschnürt, die ihre Kunden mit Fußball unterhalten wollen. Das informelle Netzwerk kümmert sich um Kartenbeschaffung, Logistik und Merchandising-Fragen über das Rahmen- programm bis hin zum Controlling. Das Angebot richtet sich laut Geschäftsführer Martin Nitsche an Nichtsponsoren, die "100 bis 200 Karten gekauft haben - oder auch nicht".

Eine ähnliche Idee hatte der Guerilla-Spezialist Andreas Tautz. Mit seiner Agentur Die Zwei und neun weiteren Vertretern der Bereiche Recht und Medienwissenschaften, klassisches, Guerilla- und Online Marketing sowie Promotions und PR will er insbesondere mittelständische Unternehmen durch die WM begleiten.

Die Hamburger Agentur Tequila arbeitet unter anderem für die Royal Bank of Scotland, die derzeit eine MasterCard launcht. Da MasterCard offiziell die FIFA sponsert, will die Bank gezielt Angebote im WM-Kontext kommunizieren.

Auch Brüggemann & Freunde in Borken betreuen einen offiziellen Sponsor. Zwei fertige Kampagnen liegen bereits zur Freigabe beim Kunden. Weitere sollen folgen.

Glücklich, wer Sponsoren betreut?

DNS arbeitet seit Jahresbeginn an der konvergenten Kampagne für einen Kunden im Food-Bereich. Geplant sind Gewinnspiele, die das Thema WM auf der Verpackung aufgreifen. Und ein Finanzdienstleister unter den DNS-Kunden ordnete im Hinblick auf die WM ein Fußball-affines Re-Naming etablierter Produkte an.

Verstärkt treten zudem die DM-Dienstleister mit kompletten Mailing-Konzepten an die Agenturen heran: So stellte Wirtz schon auf den Nürnberger Mailingtagen im Juli das Volltreffer-Mailing mit fliegendem Fußball vor, das seinen Kunden mit Schubmechanismus und ausklappbaren Karten inklusive Postkarte bis zu 5.000 Quadratzentimetern Platz bietet. Und die Georg-Kohl-Tochter DirektCom hat bereits jede Menge Fußball-affine Tools im Angebot - angefangen mit Promotion-Artikeln und Bierdeckeln über so genannte Fun Cards für Gewinnspiele bis hin zu Neckholdern, die man Bierflaschen um den Hals hängen kann.

Romanowski warnt dennoch vor allzu großer Euphorie. "Man darf sein Produkt nicht einfach mit der WM schmücken, sondern man muss auch passende Angebote auf den Markt werfen." Zum Beipiel für Fußball als Kommunikationsanlasss: 40 Prozent aller Datenkommunikationsumsätze bei T-Mobile fallen allein beim Thema Fußball an. Auch die Pharmabranche sollte angesichts der allgegenwärtigen Verletzungsgefahr leicht zu mobilisieren sein. "Wer bei der WM mitspielen will, muss relevante Ideen für bestimmte Zielgruppen definieren können", meint Harald Kling von gkk.

Wer fußballbegeisterte Kunden hat, dem bietet das Thema reichlich Spielraum für Services mit Verwöhnaroma - selbst im B-to-B-Bereich, meint Tautz. "Was spricht dagegen, seine Kunden mit dem WM-Home-Kit inklusive Chips und Caipirinha für die Begegnung Deutschland-Brasilien zu überraschen?" In die Weltmeisterschaft spielen noch ganz andere Gefühle hinein, die das Zeug zum emotionalen Trigger haben - "etwa die Sache mit dem Nationalgefühl", meint Mathew Davis von DNS. Selbst Fußballmuffel bieten, als solche betrachtet, eine offene Flanke.

Übrigens auch Frauen: "Mit dem Erfolg der deutschen Mannschaft steigt das weibliche Interesse am Thema", weiß Andreas Romanowski. Mitbewerber gkk entwickelte deshalb das Konzept Fußball als Familienerlebnis. Die Agentur will Familien-Camps veranstalten, geplant sind Lehrgänge mit Fußball-Promis und Väter-gegen-Söhne-Turniere. "Dabei werden Mütter in ihrer Diplomatenrolle eingebunden", erläutert Kling. "Nicht dass wir Frauen massenhaft in die Fußballvereine bringen wollen, aber wir schaffen eine emotionale Plattform, auf der wir auch diese Zielgruppe ansprechen können."

Wo das alles nicht funktioniert, heißt es wohl: besser draußen bleiben. Eine Alternative, die viele Unternehmen schon wegen der heiklen Rechtslage in Betracht ziehen. Der Konflikt zwischen dem Süßwarenkonzern Ferrero und und der FIFA über die Vermarktung von Schokoriegeln mit Sammelbildern der deutschen Fußballelf gibt möglicherweise einen Vorgeschmack auf die kommende Saison.

Immerhin hat das Bundespatentamt infolge der Ferrero-Klage die Begriffe "WM 2006", "WM Deutschland 2006" und "Fußball-WM Deutschland" aus dem FIFA-Markenregister gelöscht. Weil die FIFA dagegen Beschwerde einlegte, gelten diese Marken jedoch bis auf Weiteres als geschützt.

Unsicherheit lastet auf dem Event

Zur WM 2002 hat die FIFA mehr als 1.881 Markenrechtsverletzungen recherchiert und zur Anzeige gebracht - in 90 Prozent aller Fälle mit Erfolg. Derzeit ist der Verband bereits in über 330 Fällen aktiv. Im günstigen Fall drohen Unterlassungs- und Auskunftsansprüche, grobe Fouls werden mit Schadensersatz- und Vernichtungsansprüchen verfolgt. Für die Agenturen gilt es deshalb, alle Risikofaktoren im Vorfeld auszuschalten. "Selbst unberechtigte Interventionen bedeuten Stress, den Unternehmen berechtigterweise vermeiden wollen", weiß Tautz.

Doch im Grunde sei es gar nicht so schwierig. Die Konsumenten seien hoch sensibilisiert, viele Dinge würden im nächsten Jahr automatisch mit Fußball assoziiert, so der Guerilla-Spezialist: "Nennen Sie ihr Waldmeister-Brausepulver einfach Wäldmeister - schon sind Sie im Spiel." asc

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