Zauberwort Offshoring? Oder: Aldi ist nicht überall

03.02.2005 - Gute Dienstleistung hat auch im Call-Center-Business ihren Preis

Qualität ist das beste Rezept: Das alte Credo hat seine Bedeutung nach und nach eingebüßt und wurde langsam aber sicher durch "Geiz-ist-geil" ersetzt. Die Unternehmen wollen, müssen sparen und übertragen diesen Kostendruck unmittelbar auf ihre Dienstleister. Das Dilemma ist nur, dass diese Evolution nach unten irgendwann nicht mehr praktikabel ist, denn auch die Dienstleister haben keine vollständig variable Kostenstruktur.

Die Krux ist, dass Referenzen und Qualitätsstandards dabei mehr und mehr ins Hintertreffen geraten, weswegen die Tendenz zur Verlagerung von Geschäftsbereichen ins Ausland geht. Offshoring ist in aller Munde. Immer mehr Unternehmen emigrieren ins Ausland. Das hat die Call-Center-Branche abgeschaut. Untersuchungen zufolge sollen bald 50 Prozent des Call-Center-Geschäfts ins Ausland verlagert werden.

Sprache ist mehr als Sprache

Doch was verbirgt sich hinter diesen Hoffnungen? Sind sie berechtigt? Auch wenn es bereits viele Unternehmen gibt, die den Sprung geschafft haben, steckt das Call-Center-Offshoring immer noch in den Kinderschuhen. Kulturelle Differenzen und sprachliche Barrieren sind in anderen Branchen zwar nicht vollkommen indifferent, spielen aber letztlich eine eher untergeordnete Rolle. Genau hier unterscheidet sich das Call-Center-Geschäft frappierend von anderen Branchen, denn Sprache und Kommunikation sind hier existenziell.

Auf den ersten Blick scheint alles sehr einfach zu sein: Ein Standort wird gefunden, und Offhore-Partnerschaften gibt es viele. Die Herausforderung sind Faktoren, die sich nicht so schnell eruieren lassen. Zum einen sind da die sprachlichen Barrieren. Dabei bleibt zu bedenken, dass Sprache mehr ist als nur Sprache. Sie ist zugleich eine Lebensform, ein Weltbild, mit Hilfe dessen wir denken und handeln. Für einfache Informationsdienstleistungen mag das relativ unerheblich sein. Für anspruchsvollere Tätigkeiten hingegen kann es sich zu einem veritablen Problem auswachsen.

Hinzu kommt: Während es in Ballungszentren relativ einfach ist, Mitarbeiter zu rekrutieren, sieht dies in osteuropäischen Ländern schon wieder ganz anders aus.

Aus diesem Grund hat Sykes spezielle Zertifizierungen entwickelt. So nimmt das Unternehmen, bevor ein neues Call-Center aufgebaut wird, dezidierte Standort- und Infrastrukturanalysen vor. Wenn Deutsch die gewünschte Sprache ist, ist es das A und O, dass es vor Ort genug Menschen gibt, die mindestens gutes bis sehr gutes Deutsch sprechen. Auch wenn die Tätigkeiten relativ einfach auszuführen sind, ist ein radebrechender Agent für uns absolut indiskutabel. Außerdem finden Sprachschulungen statt, in denen Fachtermini und kulturelle Eigenarten vermittelt werden. Diese unmittelbar auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Schulungen kosten Geld. Mit anderen Worten: Der Stundenlohn ist nur die halbe Wahrheit. Sykes betreibt seit 1994 Offshoring - angefangen in Indien, dann ging es über die Philippinen und China bis nach Mittelamerika. "In diesen zehn Jahren haben wir eine Vielzahl sehr unterschiedlicher und interessanter Er- fahrungen gesammelt. Wir haben die Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten hautnah erlebt, die sich aus der Verlagerung ergaben. Flexibilität, damit auf Änderungswünsche kurzfristig reagiert werden kann, ein effizientes Controlling sowie ein professionelles Management vor Ort sind ebenso wichtig für einen nachhaltigen Erfolg, wie die Qualifikation der Agents", berichtet Dirk Zils, Director Business Development bei Sykes.

Jedes Land hat seine Eigenarten

Das indische Weltbild zum Beispiel ist weit entfernt von der amerikanischen Alltagskultur und dem allgemeinen Verständnis von Arbeit. Zu Zeiten des Indien-Booms sind überdies in Bangalore regelrechte Call-Center-Ballungszentren entstanden. Aufgrund dieser verstärkten Nachfrage sind die Mitarbeiterkosten in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig gab es eine recht hohe Agenten-Fluktuation, denn die gingen dort hin, wo man ihnen das meiste Geld bot. Somit hatte sich die Kostenersparnis bald relativiert.

Jede Branche sollte sich prospektiv nicht nur mit den Chancen, sondern zugleich mit den Risiken des Offshorings auseinander setzen. Eine Off-shore-Lösung, die vor fünf Jahren großartig war, muss es nun nicht mehr sein. Denn auch hier gilt: Der Wandel allein ist das Beständige. Und Stagnation ist Rückschritt.

Frauke Luise Küsgen ist Kommunikationswissenschaftlerin und Business Development Manager bei Sykes

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