28.12.2004 - So erkennen Sie fragwürdige E-Mail-Marketer
Jede Branche hat ihre schwarzen Schafe. Doch kaum eine leidet so stark darunter wie die der E-Mail-Marketer: Angesichts von täglich neuen Horrormeldungen über Spam- und Viren-Wellen im Internet, ist die breite Öffentlichkeit der festen Überzeugung, dass Versender von Werbe-Mails grundsätzlich keine Rücksicht auf die Belange der Verbraucher nehmen. Dass sich in der Branche das Prinzip des erlaubnisbasierten Versands (Permission-based) weitestgehend durchgesetzt hat, ist nur den wenigsten bekannt.
Doch auch bei den Werbungtreibenden herrscht noch viel Unwissen, sodass sich die unseriösen Anbieter über mangelnde Kundschaft nicht beschweren können. Ein Beispiel aus dem Süden der Republik zeigt, bei welchen Kennzahlen ein Media-Planer zumindest nachdenklich werden sollte.
Der Münchner E-Mail-Marketer qsolution Germany Limited wirbt in Newslettern damit, über mehr als 42 Millionen Double-opt-in-Kontakte zu verfügen. 42 Millionen? Nach Expertenschätzungen gibt es gerade mal 40 Millionen E-Mail-Adressen in Deutschland. Und selbst, wenn sich die Summe herunterrechnen lässt: Dass ein Unternehmen, das erst seit einem Jahr auf dem Markt ist, sämtliche deutschen E-Mail-Adressen kontrolliert, ist doch äußerst unwahrscheinlich.
Des Rätsels Lösung ist der Begriff Kontakte, den mehrere der von ONEtoONE befragten E-Mail-Marketer mit Adressen gleichsetzen. Doch genau da liegt der Hund begraben: Der Anbieter verrät auf Anfrage, dass mit den Kontakten nicht Unique User gemeint sind, sondern Kontaktmengen. Das heißt: Wenn ein Nutzer bei einer Umfrage zehn Interessengebiete ankreuzt, werden zehn Kontakte generiert. Hinzu kommt, dass der Anbieter seine Kontakte von hunderten Listbrokern bezieht, was in der Regel zehntausende Doppelungen nach sich zieht. Dadurch reduziert sich die Zahl der Netto-Nutzer auf einen Bruchteil der beworbenen Summe. Auf wie viel, kann der Anbieter nicht sagen. Die Folge: Der Kunde ist mehr als verwirrt. "Mit der Angabe '42 Millionen Kontakte‘ können Sie nicht arbeiten", sagt Melanie Riedel, die beim Online-Vermarkter AdLink das Permission-Marketing leitet. Von Kontakten spreche man nur im Fernsehbereich. Im E-Mail-Marketing seien dagegen die Begriffe Profile und Adressen üblich.
Emanuel Zehetbauer, Leiter des List-managements von Acxiom, pflichtet dem bei: "Man redet immer von Adressen." Auch der Chef des DDV-Council Listbroker, Klaus Arnold, rät strikt von dieser Art der Werbung ab: "Das ist so unglaubwürdig, dass ich damit nicht operieren würde." Man müsse stets die Zahl der Netto-Adressen nennen.
Ebenfalls umstritten ist bei diesem Beispiel die Behauptung des Anbieters, über so sensible B-to-C-Kontakte wie "Epileptiker", "Impotenz" und "Schlaganfall" zu verfügen. Nach Auskunft von DDV-Justiziar Hans-Jürgen Schäfer ist es zwar legal, solche Daten zu speichern, allerdings nur dann, wenn der Nutzer dem zustimmt. Und genau das zieht der Werberechtler stark in Zweifel: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Leute, die unter derartigen Krankheiten leiden, ein Einverständnis geben, dass man ihre Adresse zu Werbezwecken weitergeben darf." Zehetmeyer hält dies für "so gut wie unmöglich". Schließlich brechen seiner Kenntnis nach bis zu 40 Prozent der Nutzer Umfragen schon ab, wenn sie nach ihrem Einkommen gefragt werden. Udo Riek, Chef von Riek direkt Marketing, lehnt das Abfragen solcher Daten allein aus ethischen Gründen ab.
Die relativ hohe Zahl an Impotenz-Kontakten (110.000) können sich die Experten nur damit erklären, dass Online-Shop-Betreiber die Adressen ihrer Kunden vermarkten, was nicht immer ganz astrein sei. "Wenn jemand Viagra kauft und der Händler daraus folgert, dass die Person Potenzprobleme hat, ist das ein unzulässiger Rückschluss", erklärt Zehetmeyer.
Das DDV-Council Listbroker grenzt sich von dubiosen Anbietern ab, indem es seine Mitglieder auf die Einhaltung bestimmter Qualitäts- und Leistungsstandards verpflichtet. Nicht-Mitglieder müssen sich natürlich nicht daran halten. Doch wenn das Council mitbekommt, dass ein Unternehmen besonders krass gegen die DDV-Grundsätze verstößt und somit den Ruf der ganzen Branche gefährdet, schaltet es die Wettbewerbszentrale und Datenschutzaufsichtsbehörde ein. brö
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