18.10.2004 - Der BGH entscheidet, ob eBay ein Auktionshaus ist
Unsichere Zeiten für eBay: Nicht nur die strittigen Javascript-Funktionen und der Diebstahl von Passwörtern machen dem Auktionshaus zu schaffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) sinnt zurzeit darüber nach, ob das Internet-Auktionshaus überhaupt Auktionen veranstaltet. Wenn nicht, droht den Power Sellern eine beispiellose Rückgabewelle. Die meisten Landgerichte haben sich bisher dagegen entschieden.
Der Bundesgerichtshof hat Anfang November zu bewerten, ob Online-Versteigerungen rechtlich als Auktionen zu betrachten sind. Ein Urteil mit weit reichenden Folgen: Sollte nämlich das so genannte Fernabsatzgesetz (FAG), bei dem es sich tatsächlich um das Bürgerliche Gesetzbuch, Paragraf 312 ff. handelt, auf eBay-Auktionen angewendet werden, müssten gewerbliche Verkäufer umfassenden Informationspflichten nachkommen - etwa auf ein bestehendes Widerrufsrecht hinweisen, das eBay-Kunden bisher nicht hatten. Geschweige denn, dass sie davon gewusst haben. Auf Powerseller, die bisher keine Widerrufsbelehrung in ihrem Angebot platziert haben, rollt daher unter Umständen eine Welle von Retouren zu. "Wenn der Unternehmer diese Pflichten verletzt, können Käufer sich bis in alle Ewigkeit überlegen, ob sie die Ware nicht lieber zurückgeben", sagt Rechtsanwalt Tobias Strömer. Zudem werden sich die Händler gegenseitig abmahnen, was seiner Ansicht nach viel schwerer wiegt: "Für den Abgemahnten ist das schnell mit Verfahrenskosten von mehreren tausend Euro verbunden", so Strömer.
EBay-Sprecher Nerses Chopurian hat sich deshalb bereits für eine gesetzliche Änderung zugunsten seiner Kleinhändler ausgesprochen. Immerhin ist Deutschland neben den USA der zweitwichtigste Markt. "Die Politik ist gefragt, ob man nicht Umsatzgrenzen bestimmen kann, unterhalb derer das FAG nicht mehr gilt", so sein Vorschlag. Die Anwendung des fernabsatzrechtlichen Widerrufrechts auf Internet-Auktionen wäre nach Ansicht des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft (BVDW) ohnehin ein deutscher Alleingang. "Wichtig sind europaweit gültige Lösungen", so Roland Fesenmayr, Vorsitzender Fachgruppe E-Commerce des Verbands. "Gerichtsentscheide dürfen sich nicht kontraproduktiv oder wettbewerbsverzerrend für den Standort Deutschland auswirken."
Doch so einfach lässt der deutsche Gesetzgeber seine Händler sicher nicht davonkommen. Sollte der BGH entscheiden, dass eBay kein Auktionshaus ist, käme auf die eBay-Verkäufer zunächst einmal die Frage zu: Welches Recht gilt für wen? Privatverkäufer wären sicher aus dem Schneider. Und Händler mit Gewerbeschein hätten dann ebenso sicher ihren Informa- tionspflichten zu genügen. Doch das deutsche Recht kennt noch eine dritte Klasse von Verkäufern, die ohne entsprechenden Gewerbeschein "im geschäftlichen Verkehr handeln", ohne indes dauerhaft Gewinne erzielen zu wollen. "Diese Verkäufer sind weder Privatpersonen noch Unternehmer im Sinne des BGB, aber ohne Gnade dem Wettbewerbs- und Markenrecht ausgesetzt", sagt Strömer. Wer etwa ein halbes Dutzend Verkäufe im Monat tätigt, der handelt wahrscheinlich "in geschäftlichem Verkehr".
Im aktuellen Fall kann und muss wegen des hohen Streitwerts erstmals der BGH entscheiden. Ein Mann hatte bei eBay ein Diamantarmband erstanden, das offensichtlich nicht seinen Vorstellungen entsprach. Die Rücknahme verweigerte der Verkäufer mit dem Hinweis auf das Auktionsverfahren. "Die Frage ist: Kommt der Kauf durch die Einigung zweier Geschäftswilliger zustande, oder gibt eine dritte Instanz den Zuschlag?", erläutert Strömer. Instanzen wie die Landgerichte in Münster, Hamm oder Hof sowie das Oberlandesgericht Frankfurt haben in entsprechenden Fällen stets entschieden, dass es sich bei den strittigen eBay-Auktionen nicht um Versteigerungen im Sinne der Gewerbeordnung beziehungsweise des BGB handelt. Als dritte Instanz agiert in der Regel ein Auktionator. In Frankreich werden Auktionen etwa mit dem Erlöschen einer Kerze beendet, und die Technologie hinter eBay könnte vom gesunden Menschenverstand ebenso gut als solche Instanz begriffen werden. Strömer: "Es ist völlig offen, zu welchem Urteil der BGH kommt." asc
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