E-Cards-Urteil - Flächenbrand oder Strohfeuer?

21.05.2003 - Das Landgericht München hatte kürzlich über den Missbrauch einer E-Card-Funktion im Internet zu entscheiden.

Die Vorgeschichte: Ein Münchner Rechtsanwalt hatte in seinem geschäftlichen E-Mail-Account 16 Nachrichten mit dem Zusatz "Spammenswerte Grüße" vorgefunden. Diese E-Mails waren über die E-Card-Funktion eines Website- Betreibers versandt worden. Der Advokat zog erbost vors Münchner Landgericht, um dem Spamming und dem Site-Betreiber Einhalt zu gebieten.

Das Gericht kam zu folgendem Urteil: Es verbot dem Betreiber "dabei mitzuwirken", dass von seiner Site unerlaubt elektronische Post an den Kläger geschickt wird. "Auch wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass er selbst die E-Mails versandt hat, haftet er als Mitstörer, da er auf seiner Homepage die E-Card-Funktion installierte", heißt es in einer offiziellen Mitteilung des bayrischen Gerichts. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Site-Betreiber Sicherungsmaßnahmen gegen Spam treffen müsse - wie realitätsfern diese Forderung auch immer sein mag. Falls die Sicherung technisch nicht möglich sei, so das Gericht, müsse sogar ganz auf die E-Card-Funktion verzichtet werden.

Kolja Wehleit, Partner des Marketingdienstleisters w & p marketing in Hamburg, kommentiert das Urteil als schlichtweg "technisch weltfremd". Sabine Heukrodt-Bauer, Anwältin der u.a. auf Online-Recht spezialisierten Mainzer Kanzlei Theis & Heukrodt-Bauer, sieht das Urteil hingegen gelassen: "Der Kläger kann seinen Anspruch nur im Einzelfall geltend machen, denn Massenabmahnungen fallen nicht mehr unter Wettbewerbswidrigkeit nach Paragraph eins des UWG. Das eine Urteil wird jetzt zwar Furore machen. Da es sich jedoch auf einen Einzelfall bezieht, ist der Sachverhalt nicht unbedingt übertragbar."

Site-Betreiber, die E-Card-Technologien auf ihrer Website verwenden, müssen also keine Verfolgung durch die deutsche Justiz fürchten, nur weil einzelne Nutzer Missbrauch betreiben? "Ich will nicht sagen, dass es unrealistisch ist", sagt Heukrodt-Bauer, "viele Anwälte werden jetzt auf diesen Zug aufspringen" - und ebenfalls klagen. Heukrodt-Bauer: "Ob sie damit durchkommen, wage ich zu bezweifeln." Immerhin handele es sich lediglich darum, dass ein User einem anderen Spam-E-Mails schickt. Was ja nicht zwangsläufig dazu führe, dass man auch gleich den Technologiebetreiber des Mediums E-Mail verklagt.

"Es ist richtig, den Anbieter so weit in die Pflicht zu nehmen, dass Spamming, wenn es technisch möglich ist, unterbunden wird", kommentiert Kolja Wehleit. "Es ist jedoch falsch, jeden Missbrauch unterbinden zu wollen und damit letztendlich die Systeme an sich zu schädigen." Sonst käme man "zurück zur Buschtrommel", so der w & p-Chef. Auch wenn man nicht aus den Augen verlieren dürfe, dass sich laut einer amerikanischen Studie das Spam-Mail-Aufkommen in den Vereinigten Staaten pro Tag und pro Nase von 2003 bis 2008 vervierfachen werde. Wie bei vielen anderen Dingen, gelte es auch bei E-Cards, Vorsicht walten zu lassen - aber eben "in Maßen". Wehleit: "Ist das Ziel, möglichst sicher zu sein? Oder unsere Gesellschaft so dynamisch wie möglich zu gestalten, damit wir wettbewerbsfähig bleiben?"

Was hier als ökonomisch-kritische Rhetorik anmutet, liegt im konkreten Fall zunächst mal in den Händen der Rechtsprechung. Es gilt hier zu Lande also, abzuwarten, wie die Justiz derartige Spammings im Weiteren beurteilt. ks

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