15.03.2001 - Wilfried Beeck: "Intershop ist keineswegs in einem Dilemma"
cb Im Januar 2000 analysierte Martin Sowa, Analyst der WestLB, Intershop sei mit seinem Programm Enfinity dem Wettbewerb sechs Monate voraus. Die globale Präsenz - 21 Büros weltweit - wurde als Vorteil gegenüber der Konkurrenz gewertet. Ein Jahr später ist von der positiven Stimmung nichts mehr zu spüren. Das Betriebsergebnis liegt weit unter Budget, der Aktienkurs rauscht nach unten. Die Intershop-Macher Stephan Schambach und Wilfried Beeck haben alle Hände voll zu tun, das Boot wieder auf Kurs zu bringen. Das Budget sieht für 2001 Einnahmen zwischen 140 und 160 Millionen Euro vor (vgl. 123 Mio. Euro in 2000), bei gleichbleibendem Verlust von netto 39,3 Millionen Euro. Will man sich damit vor weiteren Gewinnwarnungen wappnen oder einfach nur die Ruhe für eine Konsolidierung haben? ONEtoONE fragte Wilfried Beeck, Chief Financial Officer von Intershop, zu Vergangenheit und Zukunft des Unternehmens:
ONEtoONE: Die Schieflage von Intershop wird mit der Verschiebung von avisierten Aufträgen in den USA begründet. Diese Aufträge sollen in diesem Jahr realisiert werden. Ist schon so ein verschobener Auftrag hereingekommen?
Wilfried Beeck: Ja, wir haben eine Reihe von Aufträgen im Januar und Februar abschließen können. Allerdings arbeiten wir noch an einigen der größeren Aufträge und können letztlich erst im Laufe dieses und des nächs- ten Quartals sagen, ob sich die Lage in den USA nachhaltig verbessert hat.
OtO: Peter Downs, Finanzspezialist bei Broadvision meint, die Probleme von Intershop seien firmenspezifisch und hätten nichts mit der Lage der Gesamtwirtschaft zu tun. Unterstreichen Sie das?
Beeck: Wir haben es sicherlich nicht nur mit konjunkturellen Phänomenen zu tun, sondern auch mit einer Reihe von anderen Effekten. Dazu zählt, dass sich die Märkte konsolidieren. Die Marktführer setzen sich vom Mitbewerb ab. In Europa kommt uns das als Marktführer zugute und in Amerika profitieren davon vor allem die amerikanischen Anbieter wie Broadvision. Beide US-Hauptkonkurrenten haben im vierten Quartal in Europa stagnierende oder rückläufige Umsätze gehabt, während wir unseren Umsatz in Europa deutlich gesteigert haben. Speziell Broadvision hat zudem noch mit anderen Problemen zu kämpfen: Ihnen ist es bisher nicht gelungen, die veralteten Produkte zu modernisieren. Im Übrigen haben sie im vierten Quartal ebenfalls einen erheblichen Gewinn- einbruch gehabt.
OtO: In einem Interview mit Net Business im November 2000 sagte Stephan Schambach, man hätte manche aktuellen Probleme der Unternehmen am Neuen Markt bereits vor ein bis zwei Jahren erkennen können, wenn man denn genau hingeschaut hätte. Schließen Sie Intershop da mit ein?
Beeck: Nein, wir haben bis Mitte 2000 auch in der Nachbetrachtung fast alles richtig gemacht. Nach dem phänomenalen Wachstum zum Jahresanfang haben wir dann jedoch den Effekt der Dot.com-Krise falsch eingeschätzt. Da unsere Kunden vor allem etablierte Unternehmen sind, hatten wir zunächst den Eindruck, von der Krise nur wenig betroffen zu sein. Allerdings haben als Resultat auch einige große Unternehmen ihre E-Business-Investitionen nicht so schnell umgesetzt wie ursprünglich geplant. Mittlerweile stellen sich jedoch auch die E-Business-Erfolge bei der Old Economy ein, sodass wir für 2001 bedingt optimistisch sind, dass Hype und Krise von realem Geschäftssinn abgelöst werden und wir in ein besser planbares Umfeld kommen.
OtO: Ihr Venture Capitalist Falk Strascheg sagt, die Probleme von Intershop resultierten aus einem unkontrollierten Wachstum, die Kosten seien Ihnen einfach weggelaufen, hätten sich sozusagen verselbstständigt. Diesen Wildwuchs gelte es nun zu beschneiden. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Beeck: Ich denke, man muss das differenzieren. Natürlich gibt es bei einem so schnell wachsenden Unternehmen manche Bereiche, die man nicht 100- prozentig kontrollieren kann, ohne das Wachstum zu bremsen. Dadurch entstehen manche Ausgaben, die nicht effizient sind. Das muss man korrigieren. Wichtig ist jedoch, dass das grundsätzliche Business-Modell stimmt und in absehbarer Zeit Gewinne erwirtschaftet werden können. Das ist bei uns der Fall. Außerdem sind wir nach wie vor ein sehr kostenbewusstes Unternehmen. Die Verluste sind ja im Wesentlichen in den USA angefallen, wo wir große Investitionen gemacht haben, um zu den dortigen Marktführern aufzuschließen. Das ist uns so nicht gelungen und man wird dort sicherlich in Zukunft andere Wege zum Erfolg suchen müssen. In Europa haben wir eine sehr gesunde Kostenstruktur, die vollkommen im Einklang mit unserem Wachstum ist.
OtO: Wie will Intershop aus dem Dilemma herauskommen? Wie will man - außer mit den angekündigten Entlassungen und der Zusammenlegung weltweiter Funktionen - die Kosten in den Griff bekommen?
Beeck: Intershop ist keineswegs in einem Dilemma. Wir haben im Gegenteil relativ schnell die Kosten herunterfahren können und werden ab dem nächsten Quartal mit einem Kostenblock operieren, der in etwa auf dem des dritten Quartals 2000 liegt. Das alles haben wir gemacht, ohne die Qualität der Produkte und die Zufriedenheit der Kunden zu beeinträchtigen. Nun arbeiten wir daran, den Vertrieb anzukurbeln. Bei steigenden Lizenzumsätzen erwarten wir dann, im zweiten Halbjahr die Gewinnschwelle wieder zu erreichen.
OtO: Stichwort effizienteres Marketing und agressiverer Vertrieb: Beides gern benutzte Schlagworte, die auch Sie als Allheilmittel für die Zukunft gebrauchen. Wie werden Sie diese Begriffe mit Leben füllen?
Beeck: Wir setzen in Zukunft weitaus mehr als bisher auf unsere erfolgreichen Partnerschaften mit Consulting-Unternehmen, Systemintegratoren, Application-Service-Providern und anderen Technologiepartnern, für die unsere E-Business-Produkte eine wichtige Komponente ihres Erfolgs darstellen. Unsere gesamte Marketing- und Vertriebsstrategie wird auf diese Partnerschaften abgestimmt sein. Dadurch erwarten wir eine deutliche Synergie für beide Seiten. Außerdem werden wir keine großen Marketingkampagnen mehr machen, um neue Märkte zu erobern. Vielmehr werden wir dort Marketing machen, wo wir stark sind und zusätzliches Potenzial sehen.
Für Europa bedeutet dies, dass wir unsere Präsenz eher verstärken als verringern. Die CeBIT ist dafür der erste Prüfstein.
OtO: Im letzten Jahr haben Sie eine Zusammenarbeit mit Broadbase angekündigt. Haben sich daraus schon Synergieeffekte ergeben?
Beeck: Ja, wir haben jetzt die ersten Projekte im Retail-Bereich, bei denen die Broadbase-Software zusammen mit unserer Plattform Enfinity zum Einsatz kommt.
OtO: Ein probates Mittel zur Kosteneinsparung ist der Abschied von der Börse. Haben Vorstand und Aufsichtsrat von Intershop schon einmal darüber nachgedacht?
Beeck: Wir denken zwar über vieles nach, aber sicherlich nicht über einen Abschied von der Börse. Viele Anleger und Unternehmen mussten im letzten Jahr erfahren, dass eine Wachstumsbörse wie der Neue Markt keine Einbahnstraße ist und außerdem gern zu Übertreibungen neigt. Sicherlich hat man daher eine Zeit lang auch dazu tendiert, den Börsenkurs zum Maß aller Dinge zu machen. Ich habe in den letzten drei Jahren hunderte von Meetings, Konferenzen und Roadshows mit Investmentbanken, Analysten und Investoren gemacht. Und nach den Anfragen zu urteilen, hätte man noch viel mehr machen können. Das ist sicherlich auch eine Art der Übertreibung. In den letzten Wochen und Monaten haben Stephan Schambach und ich wieder sehr viel mehr Zeit im Unternehmen verbracht, um die Strukturen zu optimieren und unsere Partner und Kunden getroffen, um über unser Business zu sprechen. Dabei haben wir ein sehr positives Feedback bekommen und, ehrlich gesagt, macht mir das im Moment mehr Vergnügen, als mich mit Analysten zu treffen.
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