20.09.2009 - Hamburg, meine Perle. Ich bin gerne im Norden, besonders gerne in Hamburg. Das liegt auch daran, dass es hier eine Reihe wirklich guter Veranstaltungen gibt oder gab, allen voran natürlich die [l1]Next[/l1] oder auch die Labrador Lounge von Lycos, die aus nachvollziehbaren Gründen inzwischen leider nicht mehr stattfindet.
Nun überlege ich es mir sehr genau, ob ich einen Arbeitstag opfere, um mich bei Veranstaltungen umzusehen oder nicht. Schließlich helfen virtuelle Netzwerke wie Xing
oder Facebook
, den Kontakt zu halten, ohne sich auf Reisen zu begeben. Gleichzeitig bleibt man in aller Regel über die Twitterstreams und Kommentare, die hie und da veröffentlicht werden, meist ganz gut auf dem Laufenden. Nachdem ich nun gebeten wurde, eine Moderation bei der Community & Marketing 2.0 Summit
zu übernehmen, ließ ich mich dann doch auf das "Abenteuer" ein, die Hansestadt zwecks Teilnahme an einer mir bis dato unbekannten Veranstaltung aufzusuchen. Um es kurz zu machen: Es hat sich gelohnt, denn trotz der durch ein Zuviel an Kongressveranstaltungen überbordenden Oberflächlichkeit zeichnete sich diese Veranstaltug durch eine ungewöhnliche Tiefe aus. Hier wurde nicht über Community Management und Marketing 2.0 schwadroniert, sondern am Thema gearbeitet.
Kaum praktische Relevanz
Die wichtigsten Erkenntnisse für mich, was den Status Quo von Social Media, Networks und Communitys hierzulande angeht (sofern eine einzelne Veranstaltung als Prüfstein angesehen werden kann): Community Management ist in den Unternehmen angekommen. Der Dialog mit den Kunden über Soziale Netzwerke und eigene (Brand) Communitys wird als relevant angesehen. Nur: Aus ganz unterschiedlichen Gründen ist das Thema noch nicht wirklich fest verankert. Das zeigen nicht nur solch anekdotenhaft anmutenden Beispiele wie das der Pro-Age-Community
von Dove
, die nach vielversprechendem Start im September 2007 (mit mehr als 5.600 registrierten Mitgliedern in der Zielgruppe in der Startphase) im Mai 2009 ihrem Schicksal bzw. der Brigitte-Community bfriends
überlassen wurden, wo sich heute gerade einmal 74 Mitglieder (ohne bereinigte, doppelte Profile, als Mann ist mir dieser Einblick verwehrt) wiederfinden. Das allein sagt einiges über die Wertschätzung aus, die Unilever (hier der Link zur Pressemitteilung
anlässlich des Launches) den Kunden hier entgegenbringt. Vor allem aber der Umstand, dass das Gros der Unternehmen noch gar keine eigenen Angebote an den Start gebracht hat verdeutlicht: Das ganze Thema hat trotz der vielstimmigen Kommentierung, dass die Zeit reif sei und hier die Zukunft liege, bisher noch keine wirkliche (praktische) Relevanz bei Unternehmen und Marken - auch wenn es in den Köpfen angekommen ist.
Mangelnde Standardisierung: Argument der Besitzstandswahrer
Das liegt zum Einen sicher an den noch nicht vorhandenen Standards. Ein Argument, das vor allem von Mediaagenturen ins Feld geführt, die viele Jahre gebraucht haben, um mehr oder weniger geeignete Messgrößen für Online-Werbemaßnahmen zu definieren, damit für Werbetreibende und Auftraggeber einen Vergleich mit den klassischen Medien (Print, TV, Plakat etc.) überhaupt möglich wird. Leider sind die definierten Messgrößen (Views & Visits), wie schon mehrfach
angemerkt
im Kontext der Sozialen Netzwerke komplett eher ungeeignet. Das Schlagwort "Engagement" (oder englisch: "Commitment") macht die Runde. Mit einem vergleichsweise komplexen Methodenmix lässt sich hier näherungsweise eine Aussage treffen. Das Wissen um und über die verschiedenen Tools und Methoden - und das ist ein weiteres Learning aus der Hamburger Veranstaltung - ist auf allen Seiten inzwischen vorhanden und innerhalb weniger Monate sprunghaft gewachsen (vorbehaltlich der bereits angemerkten, unzulässigen Verallgemeinerung). Solange jedoch hier keine übergreifenden und allgemein anerkannten Messinstrumente und -größen vorhanden sind (die entsprechenden
Gremien
arbeiten ja bereits an dem Thema), ist hier jedes Unternehmen auf sich gestellt. Angesichts der stark abweichenden Zielsetzungen bei den einzelnen Unternehmen wird das aber auch [k]mit [/k]einem anerkannten Set an Messgrundlagen wohl so bleiben.
Marketing & PR: Mehr Bremser als Förderer
Zum anderen ist aber ein wichtiger Grund für Zurückhaltung bei der Integration von Social Media Aktivitäten und den Aufbau eigener Community Angebote ganz sicher auch, dass das Thema stereotyp im Bereich Unternehmenskommunikation (Marketing/PR) verortet wird. Diese Domänen sind aber - zumindest im klassischen Sinne - eher für die Produktion von Kampagnen und "bunten Bildern" bekannt. Die Gespräche am Rande oder in den Workshops der Community & Marketing 2.0 Summit haben mir zwar noch einmal bestätigt, dass das nicht reicht bzw. genau hier die größten Bremser zu finden sind. Ein wirkliches Umdenken in Unternehmen, was diese Wahrnehmung angeht, gibt es jedenfalls bislang (noch) nicht. Dabei ist es durchaus vorstellbar, dass das Thema Communitys (das nämlich nicht, wie der Titel des Hamburger Events nahelegt mit Marketing 2.0 gleichzusetzen ist) auch im Bereich Kundenservice oder Produktentwicklung angesiedelt wird. Denn vor allem hier können entweder Kosten gesenkt (Customer Care) oder sinnvolle Kundenfeedbacks direkt in neue Angebote umgemünzt werden. Warum nicht mit eigenen Communitys, Foren oder der Integration der bestehenden Sozialen Netzwerke in den Dialog mit den eigenen Kunden treten. Das macht nicht nur viele Fragen überflüssig, die ansonsten an wesentlich anonymere und kundenunfreundlichere Anlaufstellen wie Call Center gerichtet werden müssen. Der One-To-Many-Dialog spart im Gegensatz zum aufwändigen One-To-One sogar massiv Kosten. Gleichzeitig fühlt sich der Kunde auch ernster genommen, wenn er nicht den Weg über den u.U. sogar noch kostenpflichtigen Telefondienst wählen muss. Darüber hinaus hilft der Diaolog mit den Kunden, ein substanzielles Feedback zu den eigenen Angeboten und Produkten zu erhalten. Wertvoller Input, der sonst ausschließlich über Marktstudien und Produkttests gewonnen wird.
Fazit: Bis webbasiertes Dialogmarketing, wie es derzeit noch an (zu) wenigen Cases exemplarisch diskutiert wird, wirklich in den Unternehmen verankert ist, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, die über die Identifikation geeigneter Kanäle, Tools und Methodiken weit hinausgehen. Aber: Die entscheidende Frage lautet inzwischen "Wann?" und nicht mehr "Ob?" - und das ist wahrscheinlich die wichtigste Erkenntnis, die ich aus Hamburg mitgenommen habe. In den nächsten Wochen werde ich daher zu dem Thema immer wieder Interviews mit Experten führen, die dann hier im Blog zu finden sind. Den Anfang macht an dieser Stelle Markus Roder
(u.a. tätig für Elbkind
und als Blog-Autor
), der bspw. die Bedeutung des Monitorings von Webdialogen relativiert und mit dieser Auffassung bei Social Media Evangelisten anecken dürfte. Mehr dazu im kompletten Interview Anfang kommender Woche. (Christoph Salzig)
Mischenrieder Weg 18
82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 89-57 83 87-0
Fax: +49 (0) 89-57 83 87-99
E-Mail: info@onetoone.de
Web: www.hightext.de