11.12.2009 - All denjenigen, die sich als Marketer, Werber oder Kommunikator berufsbedingt mit Social Media befassen und täglich Diskussionen mit Kollegen führen, die alles, was die Web 2.0 Welle seit Monaten anspült, äußerst kritisch beäugen, möchte ich heute mal Mut zusprechen. Immer wieder rutscht bei (scheinbar) internen Debatten über den Einsatz von Blogs, Twitter, Facebook, YouTube, Flickr oder Social Bookmarking einem der Beteiligten mit traditioneller Denke die Sprache aus. Nicht selten landet der- oder auch diejenige dann im Fäkalbereich. Einiges gelangt dann doch irgendwie ans Licht, so ist wiederholt von Klowänden (erst die [l1]Blogs[/l1], dann [l2]Twitter[/l2]) die Rede oder davon, dass Social Media die ganze "Sch...." nach oben spüle und hier doch vor allem Spinner und Kranke unterwegs seien. Düstere Szenarien werden an die Wand geworfen und äußerste Vorsicht angemahnt. Verschreckt zucken die Entscheider am Tisch zusammen und vertagen sich noch einmal, natürlich nicht ohne darauf hinzuweisen, dass man das Social Web auf jeden Fall im Auge behalten müsse, damit dort nichts anbrenne.
Angst ist kein guter Berater
Es ist genau diese Art von Social Media Paranoia, die derzeit sehr sinnvolle Aktivitäten und Maßnahmen, die in der Regel als kleine Schritte durchgeführt werden können, ausbremsen. Wovor hat hier eigentlich wer Angst? Anders gefragt: Was sagt genau diese Mentalität eigentlich über die Wahrnehmung eigener Produkte, Dienstleistungen und Markenwerte aus? Erst vor Kurzem wurde ich erst wieder mit einer Aussage konfrontiert, die exakt aus dieser Misanthropen-Schublade gezogen wurde. Sie bezog sich auf das Google Sidewiki
, das per Browser-Plugin Usern die Möglichkeit gibt, direkt in der Menüleiste Kommentare zur jeweiligen Seite zu verfassen. Hier der Wortlaut:
"Lieber Herr Salzig, mich würde interessieren, wenn Sie reagieren wenn Sie in den Sidiwiki-Comments über ihre Agentur zB lesen, dass Ihre Mitarbeiter unfreundlich sind, dass Sie Ihre Beratungsleistung unter aller Kanone ist usw usw.? Ein Wettbewerber oder wer auch immer, oder jmd aus dem privaten Umfeld, der Sie vllt auch nicht leiden kann, könnte wunderbar ein paar Freunden bescheid geben und dann ganz gezielt das neue Umfeld Ihrer Website dekorieren!!! Und was machen Sie dann? Super PR wäre das um neue Kunden zu gewinnen!!! Ihre DL kann so toll sein, aber es wird immer Neider oder sonstige Stresser geben... Oder stellen Sie sich doch einfach mal vor, man würde an der Fassade Ihrer schönen Agentur, als Kunde erst mal ein paar üble Wahrheiten über Ihr Unternehmen lesen.... Und dass bevor man noch das Guten Morgen von Ihnen vernommen hat?! Ich hoffe, ich träume dieses Horror-Instrument nur und wache morgen früh auf und alles ist gut..."
Die feindliche Übernahme durch den Nutzer
Vorab: Meine Mitarbeiter sind nicht unfreundlich, meine Beratungsleistung ist topp und missgünstige Wettbewerber habe ich nicht - oder zumindest keine, die über einen nenenneswerten Freundeskreis verfügen würden;-) Ganz ehrlich: Mir schwingt nahezu der gleiche Wortlaut noch aus der Zeit als sich Wikipedia mehr und mehr als Schwarmintelligenz-Enzyklopädie etablierte im Ohr. Diese Leier hat sich über nahezu alle Web 2.0 und Social Media Phänomene fortgesetzt. Denn das schwarzgemalte Szenario ist natürlich in allen möglichen Varianten denkbar: Kapern von Facebook Fanpages (davon kann Vattenfall ein Liedchen singen), reihenweise kritische Kommentare im Corporate Blog (schöne Grüße an Vodafone), Persiflages und ätzende Anmerkungen bei YouTube Videos (ein Phänomen, das den RWE Energieriesen fast ins Wanken gebracht hätte) und und und. Es gibt aber eben auch zahllose andere, positive Beispiele großer Unternehmen wie Ikea oder auch mittelständischer Firmen wie Westaflex. Ohne ins Detail gehen zu wollen, bei diesen Unternehmen stimmen Produkt, Dienstleistung und Unternehmensphilosophie mit ihren Social Media Aktivitäten überein. Es wird keine heiße Luft verbreitet, werden keine Worthülsen ausgeleert oder Versprechungen abgegeben, die nicht der Realität entsprechen.
Aktiv vorsorgen
Dem kritischen Kantonisten, der sich direkt an mich gewandt hat, um mich vor meinen Feinden und Neidern zu warnen, sei Folgendes entgegnet: Natürlich kann auch ich nicht ausschließen, dass mir jemand etwas Böses möchte oder mir an den Karren flickt. Ich kann nur versuchen, gute Qualität zu bieten und alle, die davon profitieren ermuntern, mir genau das zu bescheinigen. Daher kann ich mir einigermaßen sicher sein, auch ohne klassisches Marketing oder traditionelle Werbung mit der Kraft des Wortes interessierte Menschen und potentielle Auftraggeber auf mein Webangebot aufmerksam zu machen. Echte Menschen mit einem Gesicht und realen Kontaktdaten haben via Xing, LinkedIn, Facebook, Twitter, Mister Wong oder über ganz "normale Webseiten" aus freien Stücken meine Arbeit Wert geschätzt - es gibt keinen Grund, warum sie das nicht auch im Google Sidewiki tun sollten. Das wiegt allemal mehr als vereinzelte, anonyme Kommentare, selbst dann, wenn sich diese zu einer amorphen Masse auswachsen sollten. Was im Übrigen beim Sidewiki überhaupt nicht möglich ist, denn ohne ein eigenes, verifiziertes Google-Profil geht nichts.
Diese Konsequenz wird im Übrigen bei der Bewertung des Social Web leider viel zu häufig übersehen. Es geht um echte Menschen in der virtuellen Welt, nicht um die großen Unbekannten - diese bringen es in Sozialen Netzwerken nicht besonders weit. Daher liegt die "Qualität" eines anonymen Kommentars - egal wo dieser verfasst wurde - etwa im Bereich eines Klospruchs oder einer beschmierten Hauswand. Glaubt jemand tatsächlich, dass derartige Auswüchse einem Unternehmen ernsthaften Schaden zufügen können, wenn es mit guten Dienstleistungen oder Produkten und einer intakten Unternehmensphilosophie punkten kann? Wovor also haben all die Social Media Paranoiker wirklich Angst? Vor Falschdarstellungen oder Enttarnungen? Vor dem Schritt ins Ungewisse oder vom Abschied allzu bequemer Standards? Klar ist in jedem Fall: Der Zug ist nicht zu stoppen. Und ich stehe dazu: Das ist auch gut so! Wem das nicht gefällt, der wird in der Tat jeden Abend mit Wunsch zu Bett gehen, dass der "Alb" für ihn am nächsten Morgen ein Ende haben möge... (Christoph Salzig)
Wertvolle Beiträge zum Thema:
aus dem Harvard Business Manager: The Illusion Of Brand Control
bei look both ways: Graffiti fürs Internet -Sidewiki und CSR Kommunikation
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