31.08.2009 - Der Wettbewerb in der Branche verschärft sich - zunehmend sind spezialisierte Dienstleister gefragt: Business Process Outsourcing ist das Schlagwort.
Die Chinesen haben ein Wort für Krise, das sich aus den Zeichen für Chance und Gefahr zusammensetzt", erklärt Call-Center-Chef Richard Harms seinen Agents im Film "Selbstgespräche", der vor einiger Zeit in den Kinos lief. Über den Arbeitsplätzen der Agents prangt während dieser Szene das Damoklesschwert einer digitalen Anzeigentafel: Wenn nicht innerhalb von vier Wochen die effektive Verkaufsproduktivität des gesamten Teams um fünf Prozent gesteigert werden kann, droht die Schließung der Abteilung und allen Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit.
[f1]Was die Filmindustrie als Komödie verkauft, ist längst bittere Realität in deutschen Call-Centern. So vermeldete Walter-Services kürzlich die Schließung des gesamten Neu-Ulmer Standorts zum Jahresende. Vom jüngst für Walter tariflich ausgehandelten Entgeltvertrag profitieren die Mitarbeiter in Neu-Ulm nun jedenfalls nicht - betroffen sind 280 Arbeitsplätze. Walter-CEO Dr. Ralf Kogeler begründet den Schritt mit der schlechten wirtschaftlichen Gesamtsituation und kündigt eine Neuordnung des Unternehmens an. Künftig werde das Unternehmen aus den vier Regionen Nord, Süd, Berlin/Brandenburg, Magdeburg und einem Bereich Telekommunikation bestehen. Vor allem, um Kosten einzusparen und "zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft".
Kürzlich wurde bekannt, dass ADM-Group-Gründer Thomas-Marco Steinle seinen Call-Center-Dienstleister komplett an einen Investor aus der Schweiz veräußert hat. ADM galt als eines der letzten großen inhabergeführten Call-Center in Deutschland.
Laut Medienberichten schließt die Call-Center-Sparte der Bertelsmann-Tochter Arvato Kurzarbeit oder den Abbau von Arbeitsplätzen nicht mehr aus. Grund: Die Zahl der Telefonate gehe zurück, die Rede ist von einem Volumendruck ähnlich wie in der Druckindustrie. Sind Meldungen wie diese ein Hinweis darauf, dass sich die Call-Center-Branche in einer Konsolidierungsphase befindet, da kleine, exklusive Standorte sowie inhabergeführte Call-Center nicht mehr profitabel weitergeführt werden können?
Dass dem so ist, bejaht Harry Wassermann, CEO von SNT Deutschland - er macht dafür aber nicht allein die Wirtschaftskrise verantwortlich. "Aufgrund der verschärften Gesetzgebung haben wir schon beobachten können, dass insbesondere in der ersten Jahreshälfte eine Konsolidierung der Call-Center stattgefunden hat, die sich in der Vergangenheit auf das Outbound-Geschäft konzentriert haben." Bei den etablierten Kundendialog-Dienstleistern mit breiterem Angebots-Portfolio und ergänzenden Dienstleistungen sieht Wassermann aktuell jedoch keine Konsolidierung: "Fast alle davon wachsen wie wir derzeit organisch." Das Wachstumstempo der Branche habe sich zwar abgeschwächt, dennoch bleibe sie auch für langfristig orientierte Investoren nach wie vor sehr interessant.
Dass die Märkte für CRM-Dienstleistungen in den vergangenen Jahren einen Sättigungsgrad erreicht haben, nennt Christian Sajons als Hauptgrund für die Konsolidierung in der Branche. "Große Anbieter kommen deshalb ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr ohne Zukäufe aus, um das Wachstum konstant fortzusetzen. Gleichzeitig setzen sich große High-Value-Anbieter und spezialisierte Player durch, während kleine Anbieter gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen nach und nach vom Markt verschwinden." Für Teleperformance bedeute dies, dass das Unternehmen sein Portfolio durch Zukäufe erweitern werde. Sajons: "Weltweit, in Europa, natürlich auch in Deutschland. Was man dabei nicht vergessen darf: Anbietern, die übernommen werden, kommt dies in der Regel sehr zugute." Denn sie würden im Mutterkonzern durch den Zugriff auf deren großes Kundennetzwerk völlig neue Wachstumsmöglichkeiten erhalten.
"Aus unserer Sicht befindet sich die Call-Center-Branche weniger in einer Konsolidierungsphase, sondern vielmehr in einer Strukturierungs- und Positionsierungsphase, die möglicherweise durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise noch verstärkt wird", so Bernd-Otto Schirrmann, Leiter Produktbereich Bosch Communication Center. Als einen der Haupttrends der Branche nennt er daher Business Process Outsourcing. Hier, prognostiziert Schirrmann, werden die kommenden Jahre eine noch klarere Positionierung der einzelnen Dienstleister bringen.
[hl]Impulse für mehr Motivation[/hl]Um im Wettbewerb überhaupt mithalten zu können, ist die Qualität der Dienstleistungen die Basis. Der Dienstleister Value 5 ist ein kleineres, inhabergeführtes Unternehmen, das mit der Qualitätskontrolle die Motivation der Mitarbeiter verbindet. "Die telefonische Beratung in den von Value 5 betriebenen Hotlines wird von den Endkunden im Anschluss an das Gespräch per Tastendruck bestätigt", erklärt Geschäftsführer Thomas Dehler. "Die Bewertung bildet die Grundlage für die zukünftige Verteilung der Gespräche. Da die Berater bei Value 5 auf Minuten-Basis honoriert werden, ist jeder Spezialist bestrebt, eine gleichbleibend hohe Beratungsleistung zu liefern." Mit Tools wie einer Wissensdatenbank, einer Support-Datenbank zum Thema Kundenanliegen und Lösungswege, Offline-Schulungen sowie so genannten Webinaren will das Unternehmen fördern, dass die Mitarbeiter am Ball bleiben.
Bei D+S Europe hat man sich zum Thema Einkommenssituation der Kundenberater Gedanken gemacht. Neben einer Steigerung der Arbeitszeitvergütung mit Dauer der Betriebszugehörigkeit sind neue Qualifizierungzulagen festgelegt worden. Um den eigenen Horizont zu erweitern, gibt es bei D+S ein internes E-Learning-Angebot sowie ein Programm zum Aufbau eigener Nachwuchs-Führungskräfte. "Wir geben unseren Mitarbeitern Zukunftsperspektiven", sagt D+S Vorstandsvorsitzender Achim Plate. "Das ist uns wichtig, um gute Leute langfristig an unser Unternehmen zu binden." Bei D+S werden Mitarbeiter auch angeleitet, wie sie für ihren eigenen Gebrauch Unterlagen zusammenstellen können, die ihnen dabei helfen, Produkte erfolgreich zu platzieren. "Wir nehmen die Mitarbeiter dadurch in die Pflicht, sich tiefer mit den Produkten auseinanderzusetzen", sagt Christian Pereira, Director Business Development D+S Communication Center Management. "Wir können im Up- und Cross-Selling nur erfolgreich sein, wenn unsere Mitarbeiter qualifiziert und motiviert sind sowie ausreichend Freiraum haben, um authentisch zu bleiben."
Die Unternehmensgruppe BUW wurde jüngst als "Bester Arbeitgeber Niedersachsens" ausgezeichnet. Jens Bormann, Geschäftsführender Gesellschafter von BUW, betont, dass hohe Standards gelten müssen, um Kundenbindung, Kundengewinnung und Kundenpotenzialausschöpfung weiter ausbauen zu können. "Insbesondere in der Krise geht es darum, den Kunden in den Fokus zu stellen. `Wenn nicht jetzt, wann dann?` lautet die
berechtigte Frage. Hier sieht BUW als inhabergeführter und somit besonders flexibler Dienstleister Wachstumsfelder für die gesamte Unternehmensgruppe."
[hl]Wachstumsfelder in vielen Branchen[/hl]"Die klassische Telefonie wird auch in Zukunft nichts von ihrer heutigen Bedeutung in der Kundenkommunikation einbüßen", betont Dr. Andreas Lassmann, Geschäftsführer der IT Campus Gruppe. Wie eine aktuelle, bei der Forschungsgruppe Medien (FGM) in Auftrag gegebene Studie zum Thema Multi-Channel zeige, könnten "100 Prozent der Unternehmen davon ausgehen, dass mindestens 90 Prozent ihrer Kunden über diesen Kanal erreichbar sind - und umgekehrt. Keine andere Kommunikationsform kann da mithalten - auch in den kommenden zehn Jahren nicht!"
Dass der Kundenkontakt per Telefon in diversen Branchen gerade jetzt Wachstumspotenzial hat, davon sind viele Dienstleister überzeugt.
Großes Potenzial sieht Christian Sajons für Teleperformance im Segment Banken und Versicherungen: "Dieses Segment hat heute allein aus Kostengründen kaum noch die Möglichkeit, diesen stark von Telefon- und Web-Dienstleistungen geprägten Geschäftsbereich in Eigenregie zu stemmen. Enormes Wachstumspotenzial für uns sehe ich darüber hinaus auch im Bereich Vertrieb - und zwar in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen." Sajons spricht sich dafür aus,den persönlichen Kontakt durch Automatisierungen zu unterstützen. "Den Bereich User Helpdesk sehe ich als
einen starken Markt. Jeden Tag werden neue technische Geräte für alle Lebensbereiche gelauncht. Als Spezialist im Bereich Technical Support werden wir mit Sicherheit von dieser Entwicklung profitieren."
Bei Walter Services setzt Dr. Kogeler für die nahe Zukunft vor allem auf das Thema Gesundheit. "Die Bevölkerung schrumpft. Gleichzeitig steigt der Anteil älterer Menschen. Die Ausgaben im Bereich Konsum werden sich in den nächsten Jahren stärker auf Gesundheitspflege verlagern - mit starkem Einfluss auf den Arzneimittelmarkt, Hersteller, Ärzte, Apotheken, Patienten und den Gesetzgeber. Patentabläufe treiben das Wachstum des Generikamarktes zusätzlich an." Vom gesteigerten Kommunikationsbedarf profitiere Walter Services im Healthcare-Bereich ebenso wie vom Outsourcing-Trend hinsichtlich früherer Kernfunktionen sowie der Neuorientierung des Marketing-Mixes. Kogeler: "Denn Pharma-Unternehmen, Krankenkassen und Kliniken entdecken Kundenbindungsprogramme."
[hl]Spezialisierung ist gefragt[/hl]Dass es heute nicht mehr reicht, lediglich eine hohe telefonische Erreichbarkeit sicherzustellen oder eine schriftliche Anfrage schnell zu beantworten, betont Harry Wassermann von SNT. Spezialisierung ist gefragt. "Wachstumsfelder für SNT sind beispielsweise Forderungsmanagement und Inkasso, Knowledge-Management auf Basis von Wissensdatenbanken oder auch E-Learning. Hier sind wir deutlich weniger anfällig für den nach wie vor anhaltenden und in Teilen fast ruinösen Preiskampf im Inbound-Call-Geschäft."
Servicelösungen, die die Balance zwischen Service-Wert, Zeitaufwand, Kosten und Anrufervolumen halten, werden den Call-Center-Dienstleis-tern verstärkt angepriesen. "Solche Service-Lösungen können bereits auf Netzebene vor der Zuführung zum Call-Center ansetzen, ein solcher Ansatz macht sich insbesondere bei hohen Anrufvolumina bezahlt. So werden die Anrufer anhand ihrer Telefonnummer bereits im intelligenten Netz automatisch nach Ursprung, Kundenwert oder anderen Parametern vorqualifiziert und an die entsprechenden Service-Stellen weitergeleitet",erläutert Markus Stephan vom Anbieter Next ID. So könnten im Call-Center selbst dann einfache und wiederkehrende Prozesse wie Abfragen zum Bestellstatus automatisiert werden. Trotzdem soll die Maschine nicht den Menschen ersetzen: "Die Kundenberater werden entlastet, verfügen über mehr Kapazitäten für individuelle Beratungsleistungen und können sich intensiver um die Kundenbeziehung kümmern. Insbesondere in der Kundenrückgewinnung und dem Forderungsmanagement ist das direkte Gespräch deutlich zielführender als andere Kommunikationsmittel", so Stephan.
Auch das Bosch Communication Center hat an zeitsparenden, aber zielgerichteten Lösungen für seine Kunden getüftelt: "Für eine führende Fluggesellschaft betreuen wir ein Projekt im Bereich Kundenbindung mit einem hohen Anteil an schriftlicher Kommunikation", erklärt Bernd-Otto Schirrmann. Alle Dokumente werden zunächst eingescannt und mittels der sogenannten Optical-Character-Recognition-Technologie (OCR) ausgelesen und kategorisiert. Dies ermöglicht eine schnelle Weiterleitung an den zuständigen Berater. Schirrmann: "Durch die Automatisierung werden Durchlaufzeiten erheblich verkürzt und Bearbeitungsfehler reduziert. So konnten Qualität und Effizienz des Gesamtprozesses deutlich gesteigert werden."
[hl]Automatisierung - nur, wo es passt[/hl]Automatisierte Kommunikation also ja - aber nur, wo es passt. Dass es trotz Engpässen und Routine wichtig bleibt, die Wege der Kommunikation persönlich und taktvoll zu gestalten, betont Harry Wassermann. "Wenn beispielsweise ein Angehöriger im Todesfall eines Vertragspartners den Vertrag kündigen möchte, kann ein Unternehmen mit einem höchst bürokratischen Brief antworten. Oder aber in einem Brief zunächst seine Anteilnahme aussprechen und dann unbürokratische Möglichkeiten der Vertragsabwicklung aufzeigen. Beide Briefe haben die gleiche Intention, aber eine völlig unterschiedliche Wirkung."
Dass Call-Center-Dienstleister zunehmend den Kommunikationsgewohnheiten der Verbraucher Rechnung tragen müssen, führt Christian Sajons anhand zweier Practice-Beispiele ins Feld: Für einen Elektrokonzern hat Teleperformance im Bereich Technical Support eine europaweite Knowledge-Base aufgebaut und dafür die entsprechende Tracking-Software entwickelt. Sajons: "So konnte die Erfolgsrate unserer Services gesteigert und die Länge der Support-Calls zugleich verkürzt werden." Nach ähnlichem Schema hat der Dienstleister bei einem Kunden der Sparte Service-Provider den Anteil der Web-basierten Helpdesk-Dienstleistungen stark erhöht, so dass E-Mail und Chat eine immer größere Rolle spielen. Sajons: "Diese Art von Services kommt den Kommunikationsgewohnheiten eines immer größer werdenden Anteils von End-Usern besser entgegen als herkömmliche Calls."
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